Fawziya, Tochter des ägyptischen Königs Fuad I. und Ehefrau des persischen Schahs Mohammed Reza Pahlavi.

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Nach derzeitigen Stand reist also Ägyptens Präsident Mohammed Morsi Ende August zum Blockfreien-Gipfel nach Teheran (Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon hingegen hat dem Druck aus den USA und aus Israel nachgegeben und wird fernbleiben). Seit Wochen ist die Frage, ob Morsi fährt oder nicht, ein Politikum in allen betroffenen Ländern: In einem Interview mit dem STANDARD sagte etwa vor kurzem der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi, der Iran "erwarte" den Besuch Morsis, alles andere würde den diplomatischen Gepflogenheiten widersprechen. Es ist richtig, dass es üblich ist, dass der Staatschef des einen Landes den Blockfreien-Vorsitz persönlich an den Staatschef des anderen übergibt, in diesem Fall eben der ägyptische an den iranischen.

Dem ägyptischen Präsidenten wurde die Entscheidung zu fahren bestimmt leichter gemacht durch die saudi-arabische Einladung an Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad zum Krisentreffen der OIC (Organization of the Islamic Conference) vergangene Woche, wo der Iraner sogar neben König Abdullah Platz nehmen durfte. Auf dem Schlussfoto fehlte er jedoch. Zwar äußerten auch andere islamische Staaten Zweifel, ob der Ausschluss Syriens aus der OIC der richtige Weg sei, aber nur die Iraner waren strikt dagegen und Ahmadi-Nejad sagte das gewohnt lautstark.

Morsi, der Muslimbruder, nach iranischen Verständnis ein islamistischer republikanischer Verbündeter gegen islamistischen arabischen Golfmonarchien, wird tatsächlich der erste ägyptische Präsident sein, der in Teheran auftritt. Die schlechten Beziehungen zwischen dem Iran nach der Islamischen Revolution 1979 und Ägypten sind bekannt, weniger was davor war (dazu später). Der islamistische Iran hat Präsident Anwar al-Sadat - neben seinem Friedensvertrag mit Israel - nie verziehen, dass er 1979 den exilierten Schah aufnahm. Mohammed Reza Pahlavi verbrachte seine letzten Tage in Kairo und wurde mit einem Staatsbegräbnis in der Al-Rifai-Moschee begraben - wo zahlreiche Mitglieder der ägyptischen Königsfamilie ruhen, unter anderen auch der 1952 gestürzte, 1965 verstorbene letzte ägyptische Köng, Faruk.

Prinzessin Fawziya

Faruk war Schwager des Schahs, der, damals Kronprinz, 1941 Faruks Schwester Fawziya geheiratet hatte (geboren 1921: Sie lebt noch, hat demnach auch noch die zweite ägyptische Revolution miterlebt). Die Ehe wurde 1945 in Ägypten, 1948 auch im Iran geschieden, nachdem von beiden Seiten beteuert wurde, dass das den beiderseitigen guten Beziehungen der Staaten keinen Abbruch tun würde. Iran und Ägypten, das waren die beiden Großreiche mit einer langen Geschichte in der Region, keine Neuankömmlinge wie die arabischen Nationalstaaten.

Aber dann kam 1952 die Revolution und der Sturz der Monarchie in Ägypten, wobei sich die Muslimbrüder in der Hoffnung auf einen islamischen Staat auf der Seite der Revolutionäre fanden, jedoch von den Offizieren, die die Macht ergriffen, bald marginalisiert und verfolgt wurden. Dynastische Ressentiments gegen die Revolutionäre reichten als Grund für die schlechte Stimmung zwischen Teheran und Kairo ja eigentlich schon aus. Aber die Beziehungsgeschichte zwischen dem jungen republikanischen Ägypten und dem Schah-Iran ist natürlich viel komplexer - und in gewisser Weise stellt die heutige Konstellation die damalige auf den Kopf: Fürchten heute die Araber den Aufstieg Irans zur Hegemonialmacht in der Region, so schaute in den 1950er und 60er Jahren der Iran gebannt auf Nasser, der versuchte, die arabische Welt hinter sich zu einen. Mohammed Reza Pahlavi war ein lautstarker Warner vor der ägyptischen Hegemonie. Um das ganz zu verstehen, muss man sich die damalige Rolle Ägyptens als unbestrittener Führer der arabischen Welt vergegenwärtigen: Von den späteren Konkurrenten war Saudi-Arabien erst im Kommen, und der Irak musste sich nach seiner eigenen Revolution (1958) erst konsolidieren.

Angst vor Nassers arabischem Nationalismus

Dem Schah war vor allem ein politisches Zusammenrücken Ägyptens mit Syrien - da gab es die kurzlebige ägyptisch-syrische Union von 1958 bis 1961 -, aber auch mit dem Nachbarn Irak ein Dorn im Auge. Weiters wetterte er gegen die ägyptische "Einmischung" im Jemen zugunsten der Republikaner nach der Revolution 1962. 1964 nannte er in einer Rede Nasser beim Namen (wobei auch beim säkularen Schah die religiösen Verweise nicht fehlen durften): Nasser gebe "eine Million Dollar täglich aus, um Muslime im Jemen zu töten ...".

Aber gerade im Jemen-Krieg - nach der Revolution 1962 kämpften dort royalistische gegen republikanische Kräfte - zeigten sich auch klar die Grenzen Nassers als arabischer Einiger: Neben dem Schah unterstützten Saudi-Arabien und Jordanien die Monarchisten im Jemen (für das haschemitische Königshaus in Jordanien hatte der Schah auch deshalb so viel übrig, weil er natürlich der haschemitischen Monarchie im Irak nachweinte). Der Schah beschuldigte Nasser auch, einen Keil zwischen den Iran und die Golfaraber treiben zu wolle, etwa durch Gerüchte über illegale iranische Einwanderung auf der arabischen Seite des Persischen Golfs, zum Zwecke der "Kolonialisierung". Die Beziehungen Saudi-Arabiens und Irans wurde ja bis 1979 durch die Partnerschaft beider Länder mit den USA gemanagt, über dem verdeckten Wettbewerb, wer denn nun besser mit Washington stünde, schwebte immer auch ein tiefes Misstrauen - das in der heutigen Zeit in einen Kalten Krieg gemündet ist, inklusive der Erscheinung von Stellvertreterkriegen (wozu Syrien teilweise zu rechnen ist).

Nach dem Tod Nasser 1970 kam mit Anwar al-Sadat zwar auch ein Kind der ägyptischen Revolution an die Macht - aber der Stimmungswechsel war da, unterstützt durch Sadats langsames Driften in die amerikanische politische Hemisphäre, dessen Höhepunkt der Friedensvertrag mit Israel war. Khaled al-Islambuli, dem Angehörigen einer radikalen Muslimbruder-Abspaltung, der 1981 Sadat ermordete, wurde in Teheran eine Straße gewidmet. 2004, unter Bürgermeister Mahmud Ahmadi-Nejad, wurde sie umgetauft. Der anti-ägyptische Trend wurde durch einen antiisraelischen ersetzt: Die Straße heißt heute nach Mohammed al-Durra, dem Kind, das im Jahr 2000 zu Beginn der Intifada in einem Kreuzfeuer auf einer Straßenkreuzung im Gazastreifen erschossen wurde. (Nur nebenbei: Wer Teheran kennt, kann annehmen, dass sich auch dieser Name nie durchsetzen wird: Viele nach der Revolution umgetaufte Straßen laufen auch über 30 Jahre danach inoffiziell noch unter ihren alten Namen.)

Ägyptens schiitische Vergangenheit

Zurück zu den iranisch-ägyptischen Beziehungen der Gegenwart: Der Iran sah die Revolution im Februar 2011 (die unglücklicherweise genau auf den Tag der iranischen fällt: den 11.) von Anfang an als islamische und erwartete, von den Muslimbrüdern freudig umarmt zu werden. Da ist jedoch schon allein die ägyptische Abhängigkeit von der Finanzhilfe vom arabischen Golf - und auch von den USA - vor. Was sich die Iraner auch nicht eingestehen wollen ist, dass anti-schiitische Gefühle in sunnitischen Mehrheitsbevölkerungen immer offener artikuliert werden. Es gibt zwar eine kleine schiitische politische Partei in Ägypten, aber die steht, wie alle Schiiten in der arabischen Welt, unter dem Verdacht, eine fünfte Kolonne des Iran zu sein.

Ägypten ist wohl auch deshalb so stramm antischiitisch, weil es ja eine schiitische Vergangenheit hat, die es bei der Sunnifizierung auszumerzen gab. Die Fatimiden, die Ägypten von 969 bis 1171 regierten, war ismailitische Schiiten (die Ismailiten beziehen sich anders als die im Iran regierenden Zwölferschiiten nicht auf zwölf, sondern nur auf sieben Imame, wobei ihr siebter Imam ein anderer ist als der zwölferschiitische, und es gibt viele unterschiedliche Entwicklungen). Viele Muslime wissen nicht, dass die als höchste sunnitische Instanz gewertete theologische Hochschule Al-Azhar eine ismailitische Gründung ist, benannt nach einem Beinamen für Fatima, der Tochter des Propheten Muhammad, Frau seines Cousins Ali und Mutter von Hassan und Hussein, der mit seiner Passion - er wurde vom sunnitischen Kalif getötet - für die Schiiten identitätsstiftend war. So ändern sich die Zeiten. (Gudrun Harrer, derStandard.at, 20.8.2012)