Der ehemalige EZB-Chefökonom Jürgen Stark hat recht, dass Notenbanken Staaten kein Geld borgen sollten. Aber was Stark und mit ihm viele deutsche Experten völlig übersehen: Notenbanken sollten Staaten Geld borgen können.

Denn Notenbanken haben zwei zentrale Funktionen: Sie müssen die Preisstabilität absichern, und das wird durch direktes Finanzieren öffentlicher Defizite erschwert. Aber sie müssen auch als "lender of last resort" dafür sorgen, dass dem Finanzsystem und dem Staat das Geld nie ausgeht. Dürfen sie das nicht, dann sind sie hilflos, wenn gegen einzelne Banken, das Bankensystem oder die öffentliche Hand spekuliert wird.

Deshalb ist die Forderung vieler europäischer Staaten, dass der Euro-Rettungsschirm ESM die gesamte Feuerkraft der EZB-Druckerpresse zur Verfügung stehen soll, vernünftig. Die EZB wird die Defizite Spaniens und Italiens gar nicht finanzieren müssen. Es reicht, wenn sie dies ankündigt. Dann müsste die Finanzierung durch die Finanzmärkte, die seit Monaten stockt, wieder funktionieren.

Die Debatte darüber läuft bereits seit zwei Jahren, und die Argumente sind immer die gleichen. Deutsche Experten und Medien warnen davor, das mit einer solchen "Bazooka" die Inflation anspringt und der Druck auf die Schuldnerländer, ihre Reformen fortzusetzen, versiegt. Doch das Erste ist in einer schwachen Konjunkturlage unwahrscheinlich, und das Zweite lässt sich mit etwas politischem Geschick vermeiden.

Das stärkste Argument für eine Banklizenz für den ESM ist folgendes: Die alternativen Strategien sind gescheitert, der Euro weiterhin in Gefahr. Wenn Deutschland den Euro erhalten will, muss es nun über seinen Schatten springen oder zumindest den anderen Staaten und der EZB keine Prügel in den Weg legen. Nur Nein zu sagen ist in einer solchen Lage zu wenig. (Eric Frey, derStandard.at, 31.7.2012)