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Elegantes und doch aggressives Spiel: Jon Lord.

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London/Wien - Vor gut 30 Jahren versuchten nicht wenige fortschrittliche Mittelschulprofessoren der Jugend klassische Musik dadurch schmackhaft zu machen, dass man sie als trojanisches Pferd in die Rockmusik einschleuste. Das wirkte zwar mitunter rührend antiquiert. Immerhin tanzten damals alte Klassikrocker wie Queen ("Bohemian Rhapsody") längst schon in der Lederdisco ("Body Language"). Und auch die Größen des studentischen, künstlerisch besonders wertvollen Progressive Rock waren zumindest in Großbritannien dank der Schlichtheit des Punk und der Zackigkeit der New Wave als künstlerisch überflüssig gebrandmarkt worden.

Dennoch erfreute sich die ebenfalls ihren harten Rock gern mit musikalischer Hochkultur aufpeppende Band Deep Purple vor allem abseits der westlichen Metropolen noch jahrzehntelang größter Beliebtheit. Vor allem die Hits wie "Child In Time" oder "Smoke On The Water" durften zu später Stunde in keiner Landdiskothek fehlen.

Deep Purple wurden 1968 gegründet. Neben wechselnden Sängern wie Ian Gillan oder David Coverdale bildete das schon frühzeitig auch gegeneinander arbeitende Duo Jon Lord als von Jazz und Klassik kommender Keyboarder und der gern als Wundergitarrist titulierte Richie Blackmore den Kern Deep Purples.

Harte, wuchtige, noch deutlich vom Blues kommende Riffs wie jene von "Hush", "Woman From Tokyo" und "Black Night" oder auch rasante, den Heavy Metal vorwegnehmende Kracher wie "Speed King" oder "Highway Star" wären ohne Jon Lords elegantes und doch aggressives Spiel auf der Hammond-Orgel sicher nicht so erfolgreich geworden. Belächelt wegen einer gewissen Schwerfälligkeit in Text wie auch Musik, regierten Deep Purple in der Mitte der 1970er-Jahren neben den Rolling Stones oder Led Zeppelin die Rockwelt.

Schon 1969 spielten Deep Purple auf Betreiben von Jon Lord mit dem Royal Philharmonic Orchestra seine klassische Komposition "Concerto For Group and Orchestra" ein. Auch "Sarabande", seine bekannteste Soloarbeit von 1976, und zuvor "Gemini Suite" waren trotz hohen Rockanteils eindeutig näher an der Klassik gebaut als am Headbangen.

1976 löste sich die Band aufgrund der Konflikte zwischen Jon Lord und Richie Blackmore erstmals auf. Bis 2002 folgten mehrmals Comebacks in wechselnden Besetzungen. Mit Tourneen im Zeichen seiner klassisch-rockigen Soloarbeiten war Jon Lord bis ins Vorjahr aktiv. Nach einer Krebserkrankung ist er nun 71-jährig in London gestorben. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 18.7.2012)