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Da nehmen wir uns einen Schirm und spannen den auf, dann ist alles, was von oben kommt, nicht mehr so schlimm. So stellt sich das der Junge auf dem Bild wohl vor. Mit dem echten Rettungsschirm für den Euro ist die ganze Sache nicht mehr so einfach. Nun soll dieser nämlich über den Sekundärmarkt für Staatsanleihen aufgespannt werden.

Foto: APA/Pilick

Eines der Ergebnisse des jüngsten, "historischen" EU-Gipfels vom Wochenende ist, dass der Euro-Rettungsschirm ESM auf dem Sekundärmarkt Anleihen strauchelnder Länder zukaufen soll. Analysten glauben aber nicht, dass das dem angeschlagenen Staatsanleihen-Markt dauerhaft Erholung bringen wird.

Am Sekundärmarkt werden Staatsanleihen gehandelt, die bereits im Umlauf sind. Normalerweise läuft die Emission von Staatsschuldverschreibungen so ab: Über eine Finanzierungsagentur werden am sogenannten Primärmarkt Anleihen zum Verkauf angeboten. Damit spülen Staaten Geld in ihre Kassen. Diese Papiere sind mit unterschiedlichen Laufzeiten ausgestattet, zu denen sie fällig werden - also zurückgezahlt werden müssen. Investoren schenken den Ländern natürlich auch kein Geld, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. In Form von im Vorhinein festgesetzten Renditen erhöht sich so für die Länder die Schuldenlast, weil sie Zinsen zahlen müssen. Investoren verdienen mit den "Krediten" für Staaten Geld.

Second-Hand-Markt für Anleihen

Am Sekundärmarkt landen dann jene Staatsanleihen, die weiterverkauft werden. Investoren haben mit Staatspapieren zwei Möglichkeiten: Sie behalten sie bis zum Fälligkeitsdatum, erhalten dann das Geld zurück und kassieren zudem pro Jahr Zinsen. Oder sie verkaufen sie weiter. Zum Beispiel, wenn eine Bank ihren Bestand an spanischen Staatsanleihen verringern will, bietet sie diese an. Die Renditen am Sekundärmarkt orientieren sich dann an Angebot und Nachfrage. Etwas, was man in den letzten Monaten gut beobachten konnte: Investoren versuchten im großen Stil spanische oder auch italienische Anleihen los zu werden, weil die beiden Länder immer mehr in Verdacht gerieten, an ihren Schulden zu ersticken. Die Renditen stiegen sowohl für Italien als auch für Spanien über die magische Grenze von sechs bis sieben Prozent. Ab dieser Schwelle gilt, dass Staaten sich längerfristig die Refinanzierung nicht mehr leisten können. Die Zinsen also nicht mehr begleichen können bzw. die fällig werdenden Staatsanleihen ebenfalls nicht mehr zurückzahlen können. Im Endeffekt führt das dazu, dass Länder vom Kapitalmarkt völlig abgeschnitten sind.

Hier soll nun der ESM helfend eingreifen. Der permanente Europäische Stabilitätsmechanismus, dafür steht die Abkürzung ESM, ist noch gar nicht in Amt und Würden. In den nächsten Wochen erst soll er den derzeitigen, vorläufigen Rettungsschirm (EFSF, wieder eine Abkürzung für Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität) ablösen bzw. gemeinsam dauerhaft als Hilfstopf zur Verfügung stehen. Dafür muss er allerdings noch in den einzelnen Euro-Ländern ratifiziert werden. In Österreich wird das wohl am Mittwoch unter Zustimmung von SPÖ, ÖVP und den Grünen der Fall sein.

Die Idee, dass der ESM Staatspapiere am Sekundärmarkt aufkaufen soll, ist keine neue. Eigentlich hätte der Rettungsfonds schon bisher solche Aktionen setzen können. Bisher wurde davon aber kein Gebrauch gemacht. Der Rettungsschirm würde Staatsanleihen von Krisenländern am Sekundärmarkt kaufen, und so dem Markt Beruhigungspillen verabreichen. Das heißt, man geht davon aus, dass sich die Renditen auf ein niedriges Niveau einpendeln würden.

Keine langfristige Erholung

Eine Annahme, der Julia Neudorfer, Anleihenanalystin bei Raiffeisen Research, nur bedingt zustimmen kann. Wenn Anleihenkäufe durch den ESM durchgeführt würden, glaubt Neudorfer nicht an eine langfristige Erholung. Dafür würde das Geld schlicht nicht reichen und die Marktteilnehmer könnten sich leicht ausrechnen, wann eine abermalige politisch schwer durchsetzbare Aufstockung notwendig wäre.

Nach Neudorfers Berechnungen stehen dem EFSF derzeit noch 217 Milliarden Euro zur Verfügung. Der ESM soll, wenn ratifiziert und mit Kapital bestückt, im dritten Quartal 2012 über 107 Milliarden und Ende 2012 über 214 Milliarden Euro verfügen. Das wären insgesamt rund 431 Milliarden Euro, die über die Rettungsschirme zum Anleihenkauf nutzbar gemacht werden könnten. Könnten, weil das gesamte Geld nur dann da ist, wenn kein weiteres Hilfspaket, keine Bankenrettung und auch sonst nichts Unvorhersehbares einen Strich durch die Rechnung macht. Schon jetzt ist allerdings absehbar, dass der EU-Schutzschirm bis zu 100 Milliarden Euro zur Rekapitalisierung des spanischen Bankensektors und voraussichtlich auch weitere Mittel für ein zweites Hilfspaket für Portugal aufbringen muss.

Außerdem scheint eine Einigung unter den Euro-Ländern, die als Kapitalshafter und -geber an dem Rettungsfonds direkt beteiligt sind, noch in weiter Ferne. Am Montag schon machte Finnland seine Drohung wahr, und kündigte an, einen Kauf von Staatsanleihen über den Rettungsschirm gemeinsam mit den Niederlanden blockieren zu wollen.

Kein gutes Bild

"Das macht kein gutes Bild", sagt Neudorfer im Gespräch mit derStandard.at, "wenn sich die Eurozone Politiker noch am Freitag einig zeigen, am Montag aber schon wieder erste Stimmen dagegen laut werden." Es sorge für Unruhe am Markt, für das dringend gebrauchte Vertrauen sei es zudem ein Dämpfer. Dabei ist allerdings zu erwähnen, dass Finnland und die Niederlande alleine nur 7,6 Prozent der Stimmen besitzen. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte ein Veto der beiden Länder also umgehen, indem sie einen "Notfall" feststellt. Dann könnten die übrigen EU-Finanzminister mit einer 85-Prozent-Zustimmung den ESM ebenfalls zum Anleihenkauf ermächtigen. (Zum Vergleich: Österreich verfügt über ein Stimmrecht von 2,8 Prozent, Deutschland von 27,1, Frankreich von 20,4 Prozent)

Mit einem Anleihenkauf-Programm über den ESM würde die Eurozone vor allem eines: Sich Zeit kaufen. Was mit den Anleihen, die dann beim Rettungsschirm liegen, und damit über Umwege in einem vergemeinschafteten Pool, passiert, das ist offen. Denn auch der ESM muss mit den Staatsanleihen irgendetwas anfangen. Entweder warten, dass die Staaten ihre Schulden zurückzahlen. Oder die Fristen verlängern, wenn das mit dem Zurückzahlen nicht gleich klappt. Oder sie wiederum, wenn sich die Marktlage entspannt, weiterverkaufen. (Daniela Rom, derStandard.at, 3.7.2012)