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Ja, gut, zugegeben, es ist ein billiges Wortspiel: Im Englischen heißen Anleihen nun mal Bonds. Doch auch die Politik spart nicht mit Schusswaffen-Vergleichen, und fordert mancherorts, die EZB soll die "Bazooka" auspacken um mit Geld auf die Krise zu schießen. (Bild: Pierce Brosnan als James Bond Nummer 5 in einer Filmszene als 007)

Foto: Reuters

Am Anleihenmarkt geht's gerade rund. Früher galt er als der sichere Hafen für Anleger schlechthin. Doch die Zeiten haben sich geändert, die Euro-Schulden-Finanz-Banken-Krise fegt wie ein Wirbelwind über den Markt für Staatsanleihen hinweg, lässt keinen Stein auf dem anderen und setzt Ländern wie Investoren gehörig zu. Das Vertrauen ging mitten in der undurchsichtigen, endlosen und voller Überraschungen steckenden Krise flöten, Anleger verschoben ihre Gelder von den immer unsicherer werdenden Ländern wie Griechenland oder Italien in Richtung Deutschland, oder überhaupt gleich raus aus dem Euroraum.

Für Josef Zechner, Professor für Finanzwirtschaft an der Wiener Wirtschaftsuni und Mitglied der wissenschaftlichen Leitung bei Spängler Iqam Invest, liegt das Problem auf der Hand: Die europäische Politik setzt keine Schritte zur glaubhaften Lösung des Krise, meint Zechner im Gespräch mit derStandard.at. "Es geht immer nur um das unmittelbare Löschen von Feuern, wo man sehr kurzfristig auf Panik und Notsituationen reagiert. Es ist aber nicht abzusehen, wo über drei, fünf Jahre die Perspektiven liegen." Und das spiegelt sich nun auch auf dem Bondsmarkt wider.

Staatsanleihen sind für Länder wichtige Finanzierungsinstrumente, notwendige Gelder können so relativ leicht über den Finanzmarkt aufgenommen werden. Im Jahr 2010 hat Österreich zum Beispiel zirka 21 Milliarden Euro aufgenommen. Geld, das selbstverständlich auch Teil der Staatsschuld ist. Anleihen sind eigentlich nichts viel anderes als Kredite, nur, dass sie eben über einen Markt gehandelt werden. Während ein Anleger mit einer Aktie einen Teil am Eigenkapital des Unternehmens erwirbt, wird er mit einer Anleihe zum Fremdkapitalgeber. Je nach Laufzeit erhält der, der sie gezeichnet, also gekauft hat, einen im Vorhinein festgesetzten Zins, die Rendite. 

Ratings als Grundlage

Bei Staaten orientiert sich dieser Zinssatz stark an den Ratings, manchmal entzieht sich das reale Geschehen an Märkten aber dem, was an Fundamentaldaten da ist. Die Bewertungen der drei großen Ratingagenturen Standard & Poors, Fitch und Moody's sind die Grundlange dafür, wie groß das Risiko eines Ausfalls eines Landes ist. Österreich zum Beispiel hat ein Triple-A-Rating, der heilige Gral der Bewertungsbranche. Eigentlich heißt AAA kaum Risiko, ausfallssicher, alles palletti. Dennoch ruckelte es den gesamten Bond-Markt nach dem Anstieg italienischer Renditen vor wenigen Tagen ordentlich durch. Besonders Österreich kriegte sein Fett weg, Investoren zogen großflächig Geld ab und verschoben es in die vermeintlich sichereren deutschen Bundesanleihen.

Zechner kann sich das nur so erklären, dass institutionelle oder private Anleger mittlerweile in ihre Strategie Extremszenarien einfließen lassen. "Wenn der Euro auseinanderbricht und chaotische Verhältnisse eintreten, wenn man nicht weiß, wie das die Banken überleben können oder werden, dann ist nichts mehr sicher." Man glaubte also, Deutschland sei noch das sicherste Asset. Investoren würden sich laut dem Finanzprofessor nicht mehr nur für Renditen interessieren, sondern hätten vor allem den Kapitalerhalt im Fokus. Sie seien sogar bereit, geringe, auch real negative Verzinsung in Kauf zu nehmen, um das Ausfallsrisiko zu vermeiden. Im Falle Deutschlands ist es schon so weit, die Bundesrepublik kann sich Geld mehr oder weniger gratis am Markt holen: Mit den knapp zwei Prozent Zinsen für eine zehnjährige Anleihe schaut nach Abzug der Inflationsrate nicht mehr allzu viel für den Investor heraus.

Italien setzt dem Markt zu

Die politischen Turbulenzen und der prekäre finanzielle Zustand Italiens hinterließen auch bei den italienischen Bonds selbst ihre Spuren. Als der Zinsendienst der Südeuropäer die magische Sieben-Prozent-Marke überschritt, ging das Rambazamba am Anleihenmarkt erst richtig los. Die sieben Prozent gelten als jener Bereich, bei dem andere Euro-Länder, wie Irland, Portugal oder Griechenland letztlich um Hilfe ansuchen mussten. Außerdem werden ab diesem Niveau die langfristigen Zinszahlungen so hoch, dass sie von den betroffenen Staaten kaum mehr getragen werden können. 

Anleihenexperten schränken aber ein, dass die Sieben-Prozent-Schwelle allein auch nicht wirklich viel aussagt. Länder mit einer niedrigeren Staatsverschuldung könnten zum Beispiel ein höheres Zinsniveau länger verkraften als ohnehin schon tief in der Kreide stehende Staaten. Fristigkeiten spielen auch eine Rolle: Gibt ein Land immer nur kurz laufende Anleihen aus, müssen sie sich öfter refinanzieren - höhere Renditen schlagen dann schneller durch, die Emission neuer Anleihen wird immer teurer.

Als Referenz für den Rendite-Stand einer Anleihe hält nun immer noch die deutsche Bundesanleihe her. Sie gilt als "ausfallsrisikofrei". Niemand glaubt also, dass Deutschland pleite, die Staatsanleihe den Bach runter gehen wird. Investoren bekommen derzeit 1,94 Prozent pro Jahr für zehnjährige deutsche Bundesanleihen. Im Vergleich dazu: für die österreichische Schwester kann man 3,45 Prozent an Zinsen einstreifen.

Bis vor ein, zwei Jahren war der Ausfall eines Landes sowieso völlig irrelevant, niemand ist davon ausgegangen, dass Staaten auch nur möglicherweise pleitegehen können. Da war es auch dementsprechend einfach, die deutschen Bonds zur Benchmark zu erklären. Mittlerweile schaut das anders aus. Deutschland gilt zwar immer noch als das sicherste Boot im vormals sicheren Hafen Anleihenmarkt. Kracht aber der Euro zusammen oder verschärft sich die Krise weiter, dann stellt sich auch die Frage nach der tatsächlichen Risikolosigkeit deutscher Anleihen.

Eurobonds?

Auf europäischer Ebene wird deswegen auch wieder die Einführung von Eurobonds als ein möglicher Ausweg diskutiert. Diese gemeinschaftlichen Anleihen sollten den europäischen Krisen-Karren aus dem Dreck ziehen. Allerdings ist man sich bei weitem noch nicht einig, ob und wie das Konstrukt Eurobonds funktionieren soll. Für jene Länder, die jetzt straucheln und horrende Zinsen am Markt für ihre Anleihen ausgeben müssen, damit sich überhaupt einer dafür interessiert, haben natürlich gar nichts gegeben Eurobonds einzuwenden. Schließlich würden sie damit leichter und billiger an frisches Geld kommen als bisher. Das ist aber Ländern wie Deutschland oder Frankreich, aber auch Österreich durchaus ein Dorn im Auge - mit Gemeinschaftsanleihen wäre der Schuldendienst für diese Länder schlagartig teurer.

Zechner sieht in der ganzen Eurobonds-Diskussion "Scheinkämpfe": "Es geht darum, dass die Länder und die Politik glaubwürdige Lösungen dieses ganzen Schlamassels umsetzten. An dem führt langfristig kein Weg, kein Trick, kein Eurobond vorbei. Die Geberländer werden abgezockt. Deutschland wird auch irgendwann der Atem ausgehen", ist sich der Experte sicher.

EZB als letzte Rettung?

Ein anderer Vorschlag ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) als Lender of last Resort auftritt, also zur letzten Zuflucht wird. Bis dato greift die Zentralbank nur geringfügig am Anleihenmarkt, genauer gesagt am Sekundärmarkt ein. Das heißt, die EZB kauft - noch - keine Anleihen direkt von den Ländern, sondern sammelt gegebenenfalls nur ein, was andere wieder loswerden wollen. Das sind in erster Linie Banken, Pensionsfonds, Versicherungen und dergleichen. Schon das hat der EZB einiges an Schelte eingebracht, Kritiker werfen ein, die Notenbank würde so den Markt außer Gefecht setzen, die Budgetprobleme der schwächelnden Länder weiter verschleiern. Nach jüngsten Angaben hat die EZB insgesamt Staatspapiere im Volumen von über 180 Milliarden Euro in den Büchern. Und damit praktisch auch die Schulden der jeweiligen Staaten, bei denen ungewiss ist, ob sie ihre Ausstände jemals begleichen werden können. 

Nun fordert so mancher Ökonom, die EZB möge die vielzitierte "Bazooka" in die Hand nehmen und auch am Primärmarkt, also direkt von den Ländern Staatsanleihen kaufen, bis sich das Zinsniveau am Markt wieder normalisiert. Das kostet, und die EZB müsste vermutlich auch die Notenpresse anwerfen. Ob das Vorhaben, die Renditen am Markt langfristig nach unten zu drücken, gelingt, ist dabei aber noch gar nicht garantiert.

Ob Österreich heuer noch eine Bundesanleihe begeben wird, ist noch nicht bekannt. Eine Woche vor dem Auktionstermin im Dezember wird die Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur, der Säckelwart der Republik, öffentlich machen, ob der Staat noch Geld braucht oder nicht. Wie viel er dafür zahlen muss, hängt vor allem von den weiteren Entwicklungen in der Euro-Krise ab. (Daniela Rom, derStandard.at, 21.11.2011)