Tierärztin und Filmtiertrainerin Katja Graf, Roman Polanski und Hamster Rasmus am Set.

Foto: privat

"Hallo, hier ist der Ralph aus Paris, Roman sagt, ich soll dich anrufen" ... Bei dieser Begrüßung am Telefon wirft es mich regelrecht aus den Patschen. Der erste Regieassistent von Roman Polanski, Ralph, hat mich angerufen. Hamster sollen es sein, die in dem Film "Carnage" den Hamster "Nibbles" verkörpern sollen.

Die Anforderungen scheinen zunächst recht einfach: Der Hamster soll in einem Park auf der Wiese sitzen, in die Kamera schnuppern und dann aus dem Bild laufen. Jedoch ergeben sich bei näherer Betrachtung doch - wie üblich - einige Schwierigkeiten. Hamster sind nachtaktiv, relativ schwer trainierbar, Einzelgänger und äußerst kälteempfindlich. Bei einem Außendreh im Februar ist das ein wichtiger Punkt.

Ich bringe die Augen meiner Tochter zum Strahlen und wir machen uns auf den Weg, um vier Hamster auszusuchen. Es ist gar nicht so einfach, vier Hamster zu finden, die exakt gleich aussehen. Nach einigen Anläufen haben wir zwei Buben und zwei Mädchen gefunden und kaufen dazu vier überdimensional große Käfige.

Heizdecke unter dem Gras

Es dauert genau einen halben Tag, und die anfängliche Scheu ist überwunden. Die Hamster - wir nennen sie Rasmus, Pontus, Berta und Brick nach den Schauspielern des letzten Theaterstücks - lassen sich problemlos in die Hand nehmen. Da der Februar doch extrem kalt ist, wird der Dreh auf März verschoben. So kann ich auch das Verhalten der Tiere noch genauer beobachten und die Tiere an mich gewöhnen.

Dann ist es endlich so weit: Die Dispo - so nennt sich der Tagesplan - kommt per E-Mail. Dieses Mal werde ich als "Animal Dresser" bezeichnet. Besonders gut gefällt mir die Anmerkung der Ausstattung. Diese ist unter anderem für die Requisiten zuständig: "Heating for hamsters available on set". Ja, das nenne ich fürsorglich. Gemeint ist eine Heizmatte, die nötigenfalls in die Wiese, auf der der Hamster sitzen soll, eingegraben wird.

Da Hamster nicht ins Flugzeug dürfen, besteige ich tags darauf den Zug. Beladen bin ich mit einem Stapel von vier Hamstertransportkäfigen. Ja, an eigenartige Blicke habe ich mich im Laufe der Jahre doch gewöhnt. In Paris werden abgeholt und in ein wunderschönes Hotel gebracht. 

Kuscheln mit Jodie Foster

Am nächsten Tag holt man uns zur "Begehung" und Probe ab. Auch hier werden wir herzlich empfangen. Jodie Foster kommt mit einem "Hi Nibbles!" zur Tür herein und lässt es sich nicht nehmen, einen der Hamster zum Kuscheln in die Hand zu nehmen. Ich darf eine Runde durchs Studio machen. Kate Winslet probt gerade mit Christoph Waltz, also husche ich auf Zehenspitzen wieder zu meinen Hamstern. Kurz darauf kommt Roman Polanski, begrüßt uns freundlich und freut sich mächtig über die vier kleinen Zwerge.

Das Geschehen soll in einem Park in Manhattan spielen. Zwei Hallen, so groß wie Fussballfelder, sind aus diesem Grund komplett als Bluebox verhüllt. Ein Spielplatz wurde aufgebaut. Die Wiese ist zentimetergenau "eingerichtet" - wir dürfen uns nur auf exakt 30 mal 30 Zentimeter bewegen. Nach einer kurzen Probe und Begutachtung ist es auch schon wieder vorbei, und ich werde zum Catering gebeten. Gegenüber sitzt Christoph Waltz, links von mir Jodie Foster, daneben John C. Reilly - Roman Polanski huscht nur kurz vorbei, um sich etwas Käse zu holen.

Am nächsten Tag geht es gemütlich um 8 Uhr los. Die Hamster und ich fahren im Taxi zum Set. Es hat sich viel getan seit dem Vortag: Zwei komplette Spielplätze wurden aufgebaut, ein überdimensionaler Kran für die Kamera ragt in die Luft. Das Regiezelt steht, und gut 50 Statisten tummeln sich am Set. Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel, und es ist warm und mild. Die Heizmatte für die Hamster ist somit überflüssig.

Verschlafene Hamster

Mit Akribie und Genauigkeit werden alle Beteiligten an ihre Positionen gebracht. Technik, Maske, Ausstatter: Jeder einzelne Handgriff sitzt. Mein Plan ist, die Hamster schlafen zu lassen, und dann im allerletzten Moment - also erst bei "roll camera" auf ihren Platz zu setzen. Polanski ist einverstanden. Als er mir den kleinen Bildschirm zur Seite stellen lässt, weiß ich, dass er mir vertraut. Der "kleine Bildschirm" zeigt mir dasselbe Bild, wie die Kamera, so kann ich selbstständig die Hamster "einrichten".

Der erste Probelauf: "Roll sound - roll camera." Mein Einsatz. Schnell den Käfig geöffnet: Pontus ist dran. Kaum auf der Wiese, schnuppert er und läuft los. Leider in die falsche Richtung.

Beim zweiten Versuch ist Berta dran. Bei "roll camera" setze ich sie auf die Wiese, sie schnuppert, kostet an einem Grashalm und läuft los. Perfekt. Im kleinen Bildschirm kann ich die Bildkante beobachten und während die Kamera auf dem Kran hängend hochfährt, fange ich Berta wieder ein. Dieses Mal gibt es ein Problem mit der Technik, und ein dritter Versuch wird gestartet.

Meine Tochter hatte es vorausgesagt: Rasmus ist der beste Hamster. Und tatsächlich: Als hätte er das Drehbuch gelesen, agiert er exakt nach Plan. Die Szene dauert insgesamt acht Minuten, ein unglaublicher Aufwand, aber wir haben unsere Aufgabe perfekt erfüllt. Während die Szene weiter gedreht wird, packe ich mit Wehmut die Hamster zusammen, und husche unauffällig und leise vom Set. Au revoir! (Katja Graf, derStandard.at, 1.8.2012)