Heidelberg - Wissenschaftler aus acht europäischen Ländern - darunter ein Team des Universitätsklinikums Heidelberg - haben sich zum europaweit größten Ausbildungs- und Forschungsnetzwerk für Bauchfelldialysedialyse zusammengeschlossen. Ziel ist es, dieses vor allem bei Kindern bewährte Blutreinigungsverfahren zu verbessern und Spezialisten auszubilden, um die Anwendung auf erwachsene Patienten zu erweitern, teilt das Heidelberger Klinikum in einer Aussendung mit.

"Die Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse, Anm.) ist vor allem bei Kindern ein bewährtes Blutreinigungsverfahren bei Nierenversagen, in dem noch viel Entwicklungspotenzial steckt", betont Claus Peter Schmitt, Oberarzt der Sektion Pädiatrische Nephrologie am Heidelberger Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin - dem deutschlandweit größten Kinder-Nierenzentrum. Mit seinem Team will er die schädlichen Langzeitwirkungen dieser Dialyseform auf das Bauchfell untersuchen und Gegenmaßnahmen entwickeln. Außerdem sollen Spezialisten ausgebildet werden, um die Anwendung auch auf erwachsene Patienten zu erweitern. Das Projekt wird von der EU gefördert.

Peritonealdialyse häufig bei kleinen Kindern

Anders als bei der bekannteren Hämodialyse muss bei der Peritonealdialyse das Blut nicht außerhalb des Körpers über einen speziellen Filter geleitet werden: Über einen Katheter wird eine spezielle Dialyselösung in die Bauchhöhle gefüllt und mehrmals pro Tag oder in der Nacht gewechselt. In diese Lösung gibt das gut durchblutete Bauchfell (Peritoneum) schädliche Abfallprodukte des Stoffwechsels sowie überschüssiges Wasser aus dem Blut ab. Das schonende Verfahren ist vor allem bei kleinen Kindern die Therapie der Wahl: Ihr Blutvolumen ist so gering, dass ihr Kreislauf durch den vorübergehenden Blutentzug bei der Hämodialyse zusammenzubrechen droht.

Vor- und Nachteile der Baufelldialyse

In Bezug auf ihre Wirksamkeit sind beide Dialyseverfahren gleichwertig. Die Peritonealdialyse bietet allerdings einige Vorteile: Sie kann zu beliebiger Zeit zuhause selbstständig durchgeführt werden. Die Patienten sind in ihrem Alltag weniger eingeschränkt als bei der Hämodialyse und fühlen sich wegen der gleichmäßigeren Entgiftung insgesamt oft wohler. Doch es gibt einen entscheidenden Nachteil: Mit der Zeit verändert sich die Struktur und damit die Durchlässigkeit des Bauchfells. Dadurch verschlechtert sich die Reinigungsfunktion und nach wenigen Jahren müssen bereits viele Patienten auf Hämodialyse umstellen, wenn bis dahin keine Spenderniere zur Verfügung steht.

Gewebeproben von Kindern

An dieser Stelle setzt das Heidelberger Forschungsprojekt an: Mit seinem Team baut Professor Schmitt eine bisher einmalige Gewebebank mit Bauchfellproben betroffener Kinder auf. "Bei Kindern können wir die Veränderungen des Bauchfells während der Dialyse präziser untersuchen als bei Erwachsenen, da sie keine Vorerkrankungen haben, die ebenfalls das Bauchfell beeinträchtigen", erklärt der Kinder-Nephrologe.

Die Proben werden den Kindern entnommen, wenn zu Beginn der Therapie der Katheter gelegt und schließlich die Spenderniere eingepflanzt wird. An diesen Gewebestücken untersuchen die Wissenschaftler mit Hilfe verschiedener bildgebender und molekularbiologischer Methoden, wie sich in dieser Zeit das Bauchfell verändert und welchen Einfluss die verwendeten Dialyselösungen darauf haben. "Unser Ziel ist es, Dialyselösungen zu entwickeln, die das Bauchfell erhalten und schützen", so Schmitt. "Zum einen, um diese schonende Form der Dialyse länger zu ermöglichen, zum anderen um Spätschäden insbesondere an den Knochen und dem Herz-Kreislaufsystem zu vermeiden."

Bauchfelldialyse selten im Einsatz

Bisher kommt die Peritonealdialyse in Deutschland nur bei rund zwei bis drei Prozent der erwachsenen Patienten mit Nierenversagen zum Einsatz. In Österreich sind es knapp zehn Prozent. "Die Peritonealdialyse wird den Patienten trotz ihrer Vorteile seltener angeboten. Es gibt einfach zu wenig Erfahrung auf diesem Gebiet", kritisiert Schmitt. Neben der Weiterentwicklung des Verfahrens selbst ist es daher ein wichtiges Anliegen, Nachwuchsmediziner und -wissenschaftler zu Spezialisten auszubilden, um zukünftig mehr Patienten diese Behandlungsmöglichkeit zugänglich zu machen. (red, derStandard.at, 18.6.2012)