Im Mai 2011 sprach der Werberat die Empfehlung zum Stopp der Kampagne aus, im Mai dieses Jahres war sie wieder zu sehen.

Foto: Screenshot oe24.at, Mai 2012

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Was bringt Unternehmen dazu, auf Sexismus bei der Vermarktung zu verzichten? Über Selbstregulierung scheint es - wie im Fall von bet-at-home.com - nicht immer zu funktionieren.

Foto: apa/Peter Förster

Es war schon im Mai vergangenen Jahres, als zahlreiche Beschwerden über ein Sujet mit nackten Brüsten, von Männerhänden bedeckt, beim Österreichischen Werberat eingingen. Das Sujet bewarb die Dienste der Firma bet-at-home.com, die vom Werberat eine klare Ansage kassierte. 

"Da weder die angesprochenen Sportarten (Icehockey bzw. sämtliche Ballsportarten) noch das beworbene Produkt (Wettspiele im Internet) etwas mit nackten weiblichen und männlichen Oberkörpern zu tun haben, sind die gegenständlichen Werbesujets als geschlechterdiskriminierend im Sinne des SBK (Selbstbeschränkungskodex, Anm.) zu qualifizieren", hieß es in der Entscheidung des Werberats. Am 18. Mai 2011 sprach der Werberat daher die "Aufforderung zum sofortigen Stopp der Kampagne bzw. sofortigen Sujet-Wechsel" aus.

An einer missverständlichen Formulierung des Werberats kann es somit nicht liegen, dass bet-at-home.com der - gesetzlich nicht verbindlichen - Empfehlung nicht folgte: Mitte Mai dieses Jahres wurde das betreffende Sujet auf oe24.at erneut gesichtet.

Zu bewältigende Informationsflut

Aufgrund der Fußball-EM steigert sich die Bild- und Informationsflut zum Thema derzeit von Tag zu Tag. "Werbung während einer Fußball-EM muss polarisieren, ansonsten geht sie in der enormen Informationsflut unter", erklärte Wolfgang Chmelir, Marketingleiter von bet-at-home.com, im Zuge einer Debatte über ein anderes, neues Sujet von bet-at-home.com (Etat berichtete). Wurde das vom Werberat als sexistisch und diskriminierend eingestufte Sujet zum Zwecke ebendieser kalkulierten Polarisierung erneut eingesetzt? Die Fragen von dieStandard.at an bet-at-home.com, wie die Firma mit den Empfehlungen des Werberats umgeht und warum sie das Sujet neuerlich einsetzte, blieben unbeantwortet.

Nichts zu machen?

Angesichts dieses aktuellen Beispiels der offenbar schlecht funktionierenden Selbstbeschränkungen betonte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) gegenüber dieStandard.at zwar, dass sie klar für eine gesetzliche Regelung gegen diskriminierende Werbung sei. Dennoch kommentierte sie das politische Fortkommen in dieser Sache lediglich mit einem kurzen "Das ist derzeit mit der Wirtschaft nicht verhandelbar". Anstelle von konkreten Plänen, die Gesetzeslage in puncto diskriminierende Werbung zu verändern, verwies das Frauenministerium auf den im November 2011 installierten Sexismusbeirat, der den Werberat in Sachen Sexismus unterstützt. Zudem soll noch in diesem Jahr erstmals ein Preis ausgeschrieben werden, der positive Beispiele für geschlechtergerechte Werbung prämiert. Derzeit arbeite man noch an den genauen Ausschreibungsmodalitäten, hieß es aus dem Frauenministerium.

Für die grüne Frauensprecherin Judith Schwentner zeigt sich am Fall bet-at-home.com einmal mehr, dass eine gesetzliche Handhabe fehlt und ein Unternehmen den Empfehlungen des Werberats auf rein freiwilliger Basis folgen kann - oder eben nicht. Schwentner brachte 2009 einen Antrag im parlamentarischen Gleichbehandlungsausschuss ein, in dem sie einen Bericht über die Möglichkeit eines gesetzlichen Diskriminierungsschutzes für Werbung und Medien forderte. Ende 2009 wurde dieser Antrag auch diskutiert, letztendlich aber vertagt. Ein politischer Vorstoß hin zu einer gesetzlichen Regelung von diskriminierender Werbung lässt somit nach wie vor auf sich warten.

"Selbstregulierung funktioniert"

Trotz des aktuellen Falles von bet-at-home.com verteidigt Andrea Stoidl, Geschäftsführerin des Werberats, ihr Instrumentarium: "Selbstregulierung funktioniert, die Werbewirtschaft übernimmt sehr wohl Verantwortung. Fälle wie diese sind Ausnahmen", ist sich Stoidl sicher. Wenn dem Werberat diese Ausnahmen zu Ohren kämen, trete er erneut an das Unternehmen heran. Insgesamt seien die Firmen - auch bet-at-home.com - sehr kooperativ und gesprächsbereit, so Stoidl. Oft hätten die Unternehmen Sujets schon zurückgezogen, sobald ihnen Kritik an einer Werbelinie zu Ohren gekommen sei, "manchmal werden Werbungen gestoppt, noch bevor wir anrufen". 

Gegen ein Gesetz für diskriminierende Werbung führt Stoidl vor allem den Zeitfaktor ins Feld: Der Werberat gebe seine Empfehlungen innerhalb von sechs Tagen ab. Würden diese Fälle aber vor Gericht landen, könnten sich die Kampagnen in aller Ruhe verbreiten, da es Wochen und Monate dauern würde, bis die Sache von einem Gericht entschieden ist. Ein weiteres Problem stellt für Stoidl die Gesetzgebung in einem Feld dar, in dem es um Ethik und Moral geht. "Gesetze sind für die Kreativität nicht gerade förderlich", so die Werberats-Geschäftsführerin. 

Von der Forderung nach Selbstverantwortung bleiben allerdings all jene Werbelinien, Agenturen und Firmen unberührt, die sich hauptsächlich einer Ökonomie der Aufmerksamkeit verpflichtet fühlen. Hier werden wohl Empfehlungen des Werberats und massive Kritik von zwangsbeglückten RezipientInnen weiterhin nichts ändern. (beaha, dieStandard.at, 12.6.2012)