Seit Anfang Mai steht Adobes neue Creative Suite 6 (CS6) zum Download bereit. Das Unternehmen hat seine Kreatiprogramme einem fundamentalen Wandel unterzogen. Mit der Creative Cloud haben Nutzer nun die Möglichkeit, ihre Arbeiten und Projekte im Web zu sichern und von anderen Rechnern darauf zuzugreifen. Abonnenten können alle Anwendungen auch zu monatlichen Gebühren mieten.

Eines der Highlights der CS6 ist das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop, das mittlerweile in Version 13 an den Start geht. Adobe hat seinem mächtigen Tool zahlreiche Neuerungen spendiert. Der WebStandard hat die wichtigsten neuen Features ausprobiert.

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Oberflächenpolitur

Beim ersten Starten der Software fällt sofort die leicht überarbeitete Oberfläche auf. Per Standard-Einstellung ist das Interface nun in einem dunklen Grauton gehalten. In den allgemeinen Programmeinstellungen kann man von Schwarz bis Hellgrau vier Schattierungen wählen. Die Farben für den Hintergrund und das Interface können dabei unabhängig voneinander gewählt werden.

Unter Mac wird der Application Frame (verfügbar seit CS4) mittlerweile von Haus aus beim Start des Programms eingeblendet. Ob man damit arbeiten will, ist Geschmackssache. Viele Mac-User verweigern das Windows-Look-and-Feel, weil durch den Application Frame etwas mehr Platz am Desktop benötigt wird. Vor allem bei kleineren 16:9-Screens kann man ohne den fixen Rahmen zumindest ein bisschen mehr Platz gewinnen. Daneben ist es von Adobe sehr unpraktisch umgesetzt, dass Frame und geöffnete Dokumente geschlossen werden, wenn man den roten Schließen-Button klickt, nicht fixierte Interface-Elemente jedoch weiterhin auf dem Desktop geöffnet bleiben. 

Optional kann der Application Frame wie zuvor ausgeschaltet werden, so dass die einzelnen Elemente des Programms auch weiterhin nach Belieben am Arbeitsplatz arrangiert werden können.

Foto: AP/ Screenshot: Birgit Riegler

Neue Icons

Auch die Icons und Cursor wurden von Adobes Entwicklerteam überarbeitet - zwar nur minimal (und teilweise nur bei sehr genauem Hinsehen zu bemerken), aber im direkten Vergleich mit CS5 wirken die Icons des neuen Photoshop (im Bild rechts mit dunklerem Interface) im Gesamtbild durchaus frischer und moderner.

Screenshot: Birgit Riegler

Content Aware Patch

Highlights bei den Werkzeugen sind die beiden neuen Tools Content Aware Patch und Remove, die als neue Icons in der Tool-Bar zur Verfügung stehen. Hier hat Adobe zwei Werkzeuge geschaffen, die kompliziertere Bildretuschen auf wenige Klicks reduzieren.

Mit Content Aware Patch ist es möglich, ein Bildelement zu entfernen und automatisch den Hintergrund wieder füllen zu lassen. Die Option Content Aware Fill existiert bereits seit CS5, dabei werden die umliegenden Pixel des gelöschten Objekts analysiert und der Hintergrund automatisch gefüllt. Mit dem neuen Patch-Tool wird der störende Bildbereich markiert und derselbe Markierungsrahmen dann auf eine Stelle gezogen, die als Referenz für den "Flicken" herangezogen werden soll.

Das funktioniert vorrangig bei gleichmäßig gemusterten Flächen wie Wiese, Wasser, Himmel oder auch Ziegelmauern sehr gut. Im Detail muss jedoch meistens bei den Rändern nachgearbeitet werden. Die Grobarbeit erledigt Photoshop aber automatisch.

Remove Tool

Ein komplett neues Werkzeug ist das Remove Tool (das in Zukunft hoffentlich zu etwas weniger Photoshop-Desastern führen wird). Damit kann man Objekte im Bild versetzen, wobei Adobe die Objekte an der neuen Stelle passend zum Hintergrund einflickt. Das gewünschte Objekt (wie die Boje hier im Bild) wird markiert (am einfachsten geht das mit dem Quick Selection Tool) und dann mit dem Remove Tool versetzt. Photoshop benötigt daraufhin einige Sekunden, um das Bild zu analysieren, und versetzt dann das Objekt an die neue Stelle.

Wie beim Patch Tool funktioniert auch das inhaltssensitive Versetzen nur unter bestimmten Voraussetzungen gut. Im Beispielbild muss Photoshop "nur" die Wellenmuster um die Figur und die ebenfalls ausgewählte Spiegelung der Sonne passend berechnen. Mit ein paar Feinarbeiten ist die Bearbeitung danach nicht mehr zu erkennen.

Foto/Screenshot: Birgit Riegler

Neue Blur-Gallery

Fotografische Unschärfeeffekte wie Tilt-Shift und weitere Weichzeichner-Optionen wie Field Blur und Iris Blur sind in der neuen Blur-Gallery in einer gemeinsamen Palette zusammengefasst. Dank neuer Grafik-Engine (mehr dazu später) werden die Effekte direkt in der Vorschau angezeigt.

Die Filter lassen sich mit Angriffspunkten für den Mauszeiger sehr fein justieren und kontrollieren. Auch kann man die Unschärfe mit mehreren Fokuspunkten im Bild variieren. Nutzer können sich auch die Filtermaske alleine anzeigen lassen.

Foto/ Screenshot: Birgit Riegler

Grafikbeschleunigung

Dank GPU-Beschleunigung mit der neuen Mercury-Grafik-Engine auf OpenGL/OpenCL-Basis werden zahlreiche Effekte direkt am Bild ohne Verzögerungen als Vorschau angezeigt. Tatsächlich angewendet wird der Effekt allerdings erst, wenn man auf "Ok" klickt und die Berechnung mit der CPU erfolgt. Zu den unterstützten Effekten und Werkzeugen gehören unter anderen das neue Crop-Tool, Puppet Warp, Adaptive Wide Angle und das Verflüssigungs-Werkzeug.

Für den Test wurde Photoshop CS6 auf einem MacBook Pro mit Nvidia GeForce GT 330M mit nur 256 MB installiert. Adobe empfiehlt 512 MB VRAM. Sowohl Vorschau als auch endgültige Bildbearbeitung funktionierten dennoch sehr flott. Studio1Productions hat die unterstützten Grafikkarten zusammengefasst. Unter Windows XP wird die GPU-Beschleunigung übrigens bei einigen Effekten nicht unterstützt.

Screenshot: Birgit Riegler

Video-Editing

Etwas seltsam mutet Adobes Entscheidung an, Photoshop mit Funktionen zur Video-Bearbeitung auzustatten. Über die Timeline-Palette, mit der in der Vorversion animierte GIFs erstellt werden konnten, können nun auch Videosequenzen zusammengeschnitten werden.

Die Entwickler haben sich dafür rudimentäre Funktionen von After Effects geborgt. So können relativ unkompliziert Übergänge eingefügt und Tonspuren dazugehängt werden. Alle Bildoptimierungen, die für Fotos zur Verfügung stehen, können auch auf die Clips angewendet werden. 

Ein professionelles Programm zur Videobearbeitung kann und will Adobe mit den neuen Features nicht ersetzen. Da Kameras heute allerdings meisten auch Videoaufnahmen eherrschen, ist es durchaus sinnvoll, in einem Bildbearbeitungstool auch Basis-Funktionen zur Videobearbeitung unterzubringen, um Fotografen die Möglichkeit zu geben, kurze Clips zu schneiden, ohne auf eine spezielle Software zurückgreifen zu müssen.

Foto/ Screenshot: Birgit Riegler

Adaptive Wide Angle

Ebenfalls verbessert wurde die Funktion, um mit Fischauge- oder Weitwinkelobjektiv aufgenommene Fotos sowie Panoramabilder zu begradigen. Ist bekannt, welches Objektiv verwendet wurde, kann Photoshop anhand der Objektiveigenschaften die Begradigung automatisch vornehmen. Ansonsten lässt sich das Motiv mit mehreren Angriffspunkten geradeziehen. Auch hier werden die Ergebnisse dank der Grafik-Engine sofort angezeigt.

Foto/ Screenshot: Birgit Riegler

Crop Tool

Vollkommen umgemodelt ist das Crop Tool, das Werkzeug zum Zuschneiden von Bildern. Anstatt nur den gewünschten Ausschnitt auf dem Foto aufzuziehen, wird das Bild nun in einem interaktiven Bereich gepackt und "wandert" quasi mit dem Freistellwerkzeug mit und kann etwa auch gleich gedreht werden, ohne den Freistellrahmen zu verändern. Auch dafür holt sich Photoshop die Rechenleistung der GPU.

Die Optionen für verschiedene Bildverhältnisse (etwa nach dem Goldenen Schnitt oder der Drei-Viertel-Regel) können über die Menüzeile festgelegt werden. Zugriff auf Bildformate hat man über die rechte Maustaste. Wer mit dem neuen Crop Tool nicht zurechtkommt, kann zum klassischen Modus zurückkehren. Offenbar rechnet Adobe damit, dass nicht alle User diese radikalen Schritte bei derart häufig genutzten Tools schätzen.

Foto/ Screenshot: Birgit Riegler

Sonstiges

Die hier besprochenen Funktionen stellen freilich nur einen kleinen Ausschnitt des Leistungsspektrums des neuen Photoshop dar. Zu erwähnen ist etwa noch das automatische Speichern im Hintergrund, hat man ein Foto einmal abgelegt. Erodierbare Zeichenwerkzeuge simulieren den Effekt, dass ein Stift nach einiger Zeit abstumpft.

Auch die Autokorrektur wurde überarbeitet. Adobe hat dafür auf eine Crowd-based-Datenbank handretuschierter Fotos zurückgegriffen, um die besten Optionen für automatische Kurven, Tonwertkorrektur und Helligkeit/Kontrast in die automatische Optimierung umzuwandeln. Die Auto-Features eignen sich vor allem, wenn man eine größere Anzahl von Bildern sehr schnell verbessern muss.

Die neue Version Camera Raw 7 bietet zudem neue Kontrollfunktionen für Rohdateien. 

Einen Überblick der Neuheiten und wichtigsten Funktionen von Photoshop CS6 gibt Adobe auf seiner Website.

Foto/ Screenshot: Birgit Riegler

Photoshop aus der Creative Cloud

Wie Eingangs erwähnt bietet Adobe für die CS6 die Möglichkeit, sämtliche Programme für eine monatliche Grundgebühr zu nutzen. Voraussetzung dafür sind eine Adobe-ID, die kostenlos angemeldet werden kann, und eines der verfügbaren Abo-Pakete. In den ersten 30 Tagen kann das Angebot gratis getestet werden.

Bereits bestehende Adobe-Kunden, die eine Seriennummer für CS3 oder höher haben, können die Cloud um 37 Euro monatlich bei einer Bindung auf zwölf Monate nutzen. Ein normales Jahresabo schlägt mit knapp 62 Euro zu Buche. Wer sich nicht binden will und den Zugang und die Programme nur für wenige Monate benötigt, kann auch die Option mit 92 Euro monatlich wählen. In der Testversion stehen in der Cloud 2 GB Speicher zur Verfügung. Mit einem Abo erhält man 20 GB.

Touch Apps

Unverständlich ist, wieso Adobe die Nutzung der Cloud zum Start auf zwei Computer beschränkt. So sind die Online-Funktionen aktuell nur für Freelancer und kleine Teams sinnvoll nutzbar. In Zukunft will das Unternehmen auch Enterprise-Pakete schnüren. Konkrete Angaben gibt es dazu jedoch noch nicht.

Die Touch-Apps sind in der "Gratis"-Nutzung der CS6-Programme mit Cloud-Zugang nicht inkludiert und müssen über Apples App Store und Googles Play Store für Android extra gekauft werden. Zumindest schenkt Adobe Kunden einen Monat Cloud-Nutzung, wenn man drei Apps kauft. Weitere Informationen zu Photoshop Touch für Tablets finden Sie im WebStandard-Test. (Birgit Riegler, derStandard.at, 26.6.2012) 

Screenshot: Birgit Riegler