Burkhard Springer, Leiter des Instituts für medizinische Mikrobiologie und Hygiene Graz, sagt, dass ESBL-Bildner nicht mehr Erkrankungen verursachen als "normale" Keime.

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Es gehe vor allem um "eine systematische Erfassung des Antibiotika-Verbrauchs in der Tiermast", so Springer.

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Global 2000 hat in Hühnerfleischproben aus österreichischen Supermärkten resistente Keime entdeckt - derStandard.at berichtete. In drei von sieben Proben wurden MRSA-Keime und ebenfalls in drei von sieben ESBL-Bildner entdeckt. Burkhard Springer von der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) sieht deshalb zwar Handlungsbedarf für weniger Antibiotika-Verbrauch in der Tiermast, weist aber darauf hin, dass völlig keimfreie Nahrung nur durch radioaktive Bestrahlung oder spezielle Konservierungsmethoden möglich ist.

derStandard.at: Welche Schlüsse lassen sich aus dem Testbericht von Global 2000 ziehen?

Burkhard Springer: Es ist natürlich sinnvoll, das Problem von zu starkem Antibiotika-Einsatz bei Hühnern zu thematisieren, aber der Verbraucher sollte nicht in Panik versetzt werden.

derStandard.at: Wie würden Sie das Problem dem Endkonsumenten verständlich näherbringen?

Springer: Man muss einmal grundsätzlich davon ausgehen, dass es kein steriles Hühnerfleisch gibt - auch Biofleisch hat Keime. Es ist auch nicht sinnvoll, dass wir uns komplett keimfrei ernähren. Um alle Keime zu entfernen, gibt es zwei Möglichkeiten: das Fleisch zu bestrahlen, was in der EU verboten ist und sicher auch niemand will. Oder es nur aus Konserven zu konsumieren, weil das Fleisch dafür so stark erhitzt wird, dass die Keime abgetötet werden. Ebenfalls wichtig zu wissen ist, dass Escherichia coli ein Darmkeim ist, der zur normalen Darmflora des Menschen gehört und der wichtig für das Immunsystem ist.

derStandard.at: Worum handelt es sich bei den in den Stichproben gefundenen ESBL-Keimen genau und wie gefährlich sind diese?

Springer: Resistente Keime wie ESBL-Bildner verhalten sich nicht anders als sensible, also "normale" Keime und verursachen auch nicht mehr Erkrankungen. Bei ESBL handelt es sich um Enzyme, die von Escherichia-coli-Bakterien produziert werden können und zahlreiche Antibiotika inaktivieren können. Das heißt, wenn es zu einer Infektion kommt, wirken herkömmliche Antibiotika beim Menschen nicht mehr. Aber Infektionen mit ESBL-Bldnern sind behandelbar, es müssen nur teurere und möglicherweise schlechter verträgliche Antibiotika verwendet werden.

derStandard.at: Was passiert bei einer derartigen Infektion?

Springer: Wenn solche Bakterien nicht von der Magensäure aufgelöst werden können, gelangen sie in den Darm und vermischen sich mit den Darmbakterien. Der Konsument erkrankt normalerweise aber nicht an diesen Bakterien. Erst wenn diese Stämme in die Blutbahn, in die Harnblase oder in den Bauchraum gelangen, treten Krankheitssymptome auf.

derStandard.at: Bei den Global-2000-Stichproben wurden auch MRSA-Keime gefunden.

Springer: MRSA steht für "Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Bakterien". So werden jene Stämme bezeichnet, die gegen Penicilline und Cephalosporine resistent sind. In österreichischen Fleischprodukten haben wir diese aber bisher seltener gefunden. Vor einigen Jahren konnten wir in zwei von 42 Hühnerhautproben MRSA nachweisen. Wir können dazu nicht auf so großes Studienmaterial zurückgreifen wie bei ESBL-Bildnern. Wir haben im vergangenen Jahr in 30 von 82 Fleischproben ESBL-Bildner entdeckt - das liegt etwa im internationalen Vergleich. Im Zuge dessen haben wir auch eine wissenschaftliche Aufbereitung über Antibiotika in der Nutztierhaltung online gestellt.

derStandard.at: Wie kann man sich am besten vor "gefährlichen" Keimen schützen?

Springer: Wichtig ist das gründliche Händewaschen nach jedem Kontakt mit rohem Fleisch. Zudem sollte man bei rohem Hühnerfleisch Messer oder das Schneidbrett, auf dem man das Fleisch geschnitten hat, danach nicht für andere Speisen verwenden. Und wenn ein Huhn, das im Backrohr gebacken wurde und wodurch alle Keime abgetötet wurden, danach wieder auf das vorher verwendete Schneidbrett gelegt wird, kann es erneut kontaminiert werden. Auf der Homepage der AGES gibt es dazu Verbraucherhinweise (siehe ESBL und MRSA, Anm.).

derStandard.at: Der zum Teil maßlose Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht sorgt schon länger für Diskussionen. Welche Lösung schlagen Sie vor?

Springer: Genau dort ist auch Handlungsbedarf für strengere Überwachung gegeben. Der Ansatzpunkt liegt vor allem in der Frage: "Wie hoch ist der Antibiotika-Verbrauch in der Tiermast?" Denn das Problem ist kein österreichisches oder deutsches, es betrifft praktisch alle Länder. Eine systematische Erfassung des Antibiotika-Verbrauchs ist die Grundvoraussetzung zur Ergreifung von Maßnahmen zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes. (Martin Obermayr, derStandard.at, 23.3.2012)