Wien - Österreichs Fleischbranche kann sich von Debatten rund um den starken Einsatz von Antibiotika in der Tiermast nicht länger abkoppeln. Im Jänner wog man Konsumenten noch in Sicherheit: Heimisches Hühnerfleisch sei unbedenklich, ließ das Gesundheitsministerium wissen. Zuvor waren in deutschen Hähnchenproben Keime nachgewiesen worden, die auf Antibiotika resistent sind. Nun ist man auch in Österreich fündig geworden. Statt zu beschwichtigen, werden Taten versprochen.

Sieben Produkte getestet, nur eine Probe negativ

Global 2000 ließ in den vergangenen Wochen in Österreich produzierte Hendln in Holland testen. Sieben Produkte wurden bei Spar, Billa, Zielpunkt und Hofer erworben. Die dem STANDARD vorliegenden Ergebnisse zeigen: Mit einer Ausnahme fanden sich in allen sowohl ESBL- wie MRSA-Keime. Diese können bei Menschen mit schwachem Immunsystem schwere gesundheitliche Probleme hervorrufen, in sehr seltenen Extremfällen auch Blutvergiftungen oder Lungenentzündungen. Ein derart eindeutiges Ergebnis habe man nicht erwartet, heißt es bei der Umweltorganisation Global 2000. Es traf zudem auch ein Biohuhn.

Biochemiker wie Walter Welz warnen seit Jahren vor aus ihrer Sicht nach wie vor ungezügeltem Antibiotika-Einsatz in der Landwirtschaft: "Das Ergebnis der Probe überrascht mich nicht." Global- 2000-Expertin Heidemarie Porstner macht das Problem vor allem in der Massentierhaltung aus. Der vorbeugende Einsatz von Antibiotika ist verboten. Tatsache jedoch sei, dass bei einer Erkrankung einzelner Tiere die gesamte Herde behandelt werde. Im Schnitt teilen sich hierzulande 30.000 Masthühner einen Stall. Maximal 30 Kilo kommen auf einen Quadratmeter.

Hygiene in der Küche 

Das Problem der antibiotikaresistenten Keime sei bekannt, sagt Ulrich Herzog vom Gesundheitsministerium - und es sei ein europaweites. Die Geflügelwirtschaft habe mittlerweile Programme vorgelegt, um entsprechende Indikatoren zu analysieren. Grund zu Panik gebe es keinen: Halte man in der Küche Hygienerichtlinien ein, seien Geflügelprodukte unverändert sicher. Eine gewisse Endverantwortung liege auch beim Konsumenten.

Burkhard Springer von der Ages (Agentur für Ernährungssicherheit) hält die Untersuchung aufgrund der geringen Stichprobe für eingeschränkt aussagekräftig. Die Ages habe zuletzt in 36,6 Prozent von 82 Hühnerfleisch-Proben den ESBL-Keim nachgewiesen. Gesundheitliche Relevanz habe das keine, ergänzt ein Sprecher. Eine keimfreie Welt gebe es nicht. Harald Schliessnig ist Chef der Vereinigung für Qualitätsgeflügel. Die Ergebnisse freuten ihn nicht, sagt er, auch wenn die Stichprobe von Global 2000 statistisch keinen Wert habe.

Wirtschaftlicher Druck in der Branche

Mit den Betrieben habe man einen Aktionsplan ins Leben gerufen. Die Maßnahmen reichten von genauerer Prüfung der Elterntiere über mehr Immunprophylaxe bis zu Wirksamkeitsanalysen von Antibiotika. "Wir nehmen das ernst", sagt Karl Feichtinger, Chef von Wech und neben Titz, Huber und Lugitsch betroffener Hühnerlieferant. Er berichtet jedoch auch über den großen wirtschaftlichen Druck auf die Branche. Sie stellte heuer auf gentechfreie Fütterung um - auf Wunsch des Handels. In höheren Preisen schlage sich das nicht nieder. Mehr als ein Fünftel des Marktes werde zudem mit Ware bedient, deren Herkunft für die Konsumenten nicht eruierbar sei. Bio seien lediglich zwei Prozent.

Mitbewerber Johann Titz nennt die "lückenlose Datenbanken" Österreichs ein Vorbild für ganz Europa. Er wolle jetzt erst einmal die Ergebnisse der Proben auf seinen Tisch. In Österreich wachsen jährlich 55 Millionen Masthühner heran. Zehn Prozent der Hühner und die Hälfte der Puten werden importiert. Rund 470 Mäster liefern in Lohnarbeit an vier Schlachthöfe. Die jährliche Wertschöpfung liegt bei 150 Millionen Euro.

Global 2000 lässt Zweifel an der Aussagekraft der Proben nicht gelten: Die besagten Keime seien vorhanden, dieser Nachweis sei gelungen. "Es besteht Handlungsbedarf", betont Wolfgang Pirklhuber von den Grünen. Mit Schönreden wie bisher sei es nicht mehr getan. Hitze töte Keime ab, keine Frage, sagt Welz. Aber Küchen seien nun einmal nicht chirurgisch sauber. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 23.3.2012)