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Foto: Reuters/Hartmann

Die Eröffnung des World Economic Forum in Davos wäre für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel eine Gelegenheit gewesen, nicht nur ihr Bekenntnis zur Rettung des Euro zu bekräftigen, sondern auch den zentralen Entscheidungsträgern der Weltwirtschaft darzulegen, wie Deutschland sich diese vorstellt und was es dazu beizutragen gedenkt.

Leider hat Merkel am Mittwochabend diese Chance ungenützt verstreichen lassen.  Die wichtigste Botschaft ihrer Rede war: Erwartet nicht zu viel von Deutschland. Gleichzeitig wiederholte sie ihre Forderungen an die anderen Euro-Staaten, mit der Budgetkonsolidierung und dem Fiskalpakt zügig voranzuschreiten.

Für den größten Spieler im Euroraum und die vielleicht erfolgreichste Volkswirtschaft der Welt ist dies zu wenig.  Natürlich kann Deutschland den Euro nicht allein retten, aber es hängt vor allem von der Führungsrolle der Berliner Regierung ab, ob dieses Unterfangen gelingt. Darin sind sich zahlreiche führenden Stimmen in der Weltwirtschaft - von Weltbank-Chef Robert Zoellick bis zum britischen Premier David Cameron - einig.

Ob Merkel es will oder nicht: Die Deutschen müssen für die Versäumnisse ihrer Partnerstaaten bezahlen, weil der Euro sonst nicht überleben kann.  Im Gegenzug können sie einen Wechsel in deren Politik verlangen, dürfen aber Staaten wie Italien oder Griechenland auch nicht überfordern.

Denn es ist nicht so leicht, von einer verunsicherten Bevölkerung einen strikten und höchst schmerzhaften Sparkurs zu verlangen. Gerade der italienische Premier Mario Monti tut sein Möglichstes gegen massiven Widerstand der betroffenen Gruppen. Aber er braucht für seine Reformen auch Unterstützung aus Deutschland.

Stattdessen kommen von dort nur hochmütige Kritik und Ermahnungen. Die Haltung von Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble spiegeln die Stimmung in den Medien und der Bevölkerung wider. Aber gerade in Zeiten der Krise dürfen Politiker nicht der öffentlichen Meinung folgen, sondern müssen sie vorgeben.

Merkels Vorgänger Gerhard Schröder und Helmut Kohl hätten das getan. Sie hätten eine Führungsrolle für ihr Land definiert und versucht, die Euro-Schuldenkrise pro-aktiv zu lösen.

Merkel hinkt hingegen immer hinterher. Damit erspart sie sich und ihrem Land gar nichts. Bisher musste Deutschland jede Zahlung, die es anfangs verweigert hat, am Ende doch leisten. Das gleiche wird wohl bei der Aufstockung des zukünftigen Rettungsfonds ESM auf 750 Milliarden Euro sein.

Aber indem Deutschland immer bremst, kommt nie die Botschaft an die Finanzmärkte zustande, die benötigt wird, um die anhaltende Liquiditätskrise rund um Italien und Spanien beizulegen und den Anlegern das Vertrauen zu geben, dass hinter allen Euroschulden potente Finanziers – seien es die Europäische Zentralbank oder die anderen Eurostaaten  – stehen.

Und solange das fehlt, kann Griechenland nicht aus seiner „Schuldhaft“ entlassen werden – durch  einen radikalen Schuldenschnitt und einem damit verbundenen Ausstieg aus dem Euro, der einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen würde.  Denn noch ist die Gefahr der Ansteckung nicht gebannt.

Seit der Herabstufung Frankreichs steht Deutschland umso einsamer an der Spitze der Eurozone. Dass Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy laut seinem Berater Alain Minc im aktuellen Spiegel immer mehr Verständnis für Merkels innenpolitischen Probleme hat, hilft hier überhaupt nichts - im Gegenteil.

Es darf nicht sein, dass  eine zerbröselnde Kleinpartei wie die FDP die Zukunft der Eurozone bestimmt. Sarkozy müsste seine enge Verbindung zu Merkel dafür verwenden, Führungsstärke von ihr einzufordern.

Deutschland kann sich noch viel leisten, um die Eurozone aus der Schuldenkrise zu führen. Denn einen Zerfall kann sich die große Exportnation am wenigsten leisten – genauso wenig wie Österreich.

Doch nach Merkels Auftritt in Davos zu schließen, ist ein Kurswechsel in Berlin nicht in Sicht.