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Der Kanadier Stephen Elop war Chef der Microsoft Business Division, ehe er im September 2010 als erster Nicht-Finne zum CEO von Nokia bestellt wurde. Im Februar 2011 gab er bekannt, dass Nokia in einer Partnerschaft mit Microsoft dessen Windows-Phone-Betriebssystem verwenden wird. Der verheiratete Vater von fünf Kindern ist in seiner Freizeit Pilot.
Das Interview mit Elop fand gemeinsam mit der "Financial Times Deutschland", "National Post" (Toronto) und techradar.com anlässlich der CES in Las Vegas statt.

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Stephen Elop und Microsoft-Chef Steve Ballmer

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STANDARD: Nokia hat in der Vergangenheit in den USA wenig Glück gehabt. Jetzt erklären Sie, dass Sie in diesen Markt zurückkehren wollen. Warum rechnen Sie sich diesmal mehr Chancen aus als früher?

Stephen Elop: Das Wichtigste ist, dass wir spezielle Angebote für den US-Markt haben und nicht einfach unser allgemeines Portfolio hier anbieten. Das hat mehrere Bestandteile: ein speziell für die USA entwickeltes Gerät, das Lumia 900, in exklusiver Partnerschaft mit AT&T. Ein wesentlicher Konkurrenzfaktor heute ist das Netztempo, darum ist das auch Nokias erstes LTE-Gerät. T-Mobile USA verkauft das Lumia 710 um 49 Dollar, das ist ein sehr attraktives Angebot. Microsoft verkauft unser Lumia 800, und beide Geräte wird es auch in Kanada geben. Dazu haben wir teilweise exklusive Partnerschaften abgeschlossen wie mit ESPN, CNN, Univision, dem Spielehersteller EA und Sesame Street. Man ist immer versucht, nur auf die Geräte zu schauen, aber wir verfolgen eine umfassende Strategie, um in den USA einen Brückenkopf zu etablieren.

Die Marke Nokia hat in den USA und in Kanada noch immer einen guten Ruf für verlässliche, langlebige und gut gestaltete Produkte. Trotzdem gibt es viele Menschen, die noch keine Erfahrung mit Nokia gemacht haben. 150 Millionen Menschen in den USA haben noch kein Smartphone - das ist für uns eine große Chance.

STANDARD: Welchen Marktanteil wollen Sie in den USA erreichen, damit Sie als drittes System neben Apple und Android bestehen können?

Stephen Elop: Es ist bekannt, dass wir hier fast von null starten. Wir setzen uns keine konkreten Vorgaben, wichtiger ist uns die Wachstumsdynamik. Die ersten Anzeichen sind gut, was uns besonders freut, ist das zunehmende Interesse von App-Entwicklern. Es gibt inzwischen über 50.000 Apps.

STANDARD: Nokia brachte früher jährlich eine Unzahl an Handys heraus. Wie wird das künftig aussehen?

Stephen Elop: Es gibt viele Faktoren wie Größe und Form von Geräten oder die Preisklasse. Diese Bandbreite müssen wir abdecken, mit Handys für das obere Segment ebenso wie für preisbewusste Käufer. Aber wir werden das sehr bewusst machen, mit weniger Geräten als früher.

STANDARD: Das Lumia 710 zeigt, dass Sie mit Windows-Handys nicht nur gehobene, sondern auch preiswerte Segmente bedienen wollen. Wie lange wollen Sie noch sogenannte Feature-Phones mit Symbian verkaufen, ehe Sie dies durch Windows ersetzen?

Stephen Elop: Ein Smartphone lässt sich inzwischen nur noch schwer definieren, ob es jetzt eine Preisklasse oder bestimmte Chips sind. Aber allgemein gesprochen wollen wir das Spektrum an verschiedenen Smartphones mit der Zeit vollständig mit Windows-Handys abdecken. Es wird weitere Geräte geben, die beim Preis sowohl nach oben als auch nach unten gehen, daran arbeiten wir bereits.

Aber es gibt Menschen, die für ein Handy weniger Geld ausgeben wollen oder können, und diesen Markt müssen wir gleichfalls bedienen. Und unter einer bestimmten Preisschwelle lassen sich keine Smartphones mit entsprechenden Funktionen produzieren, dafür brauchen wir etwas anderes (als Windows, Anm.). Dafür verwenden wir unsere Symbian-Serie-40-Software, und wir werden hier sogar mehr Geld für die weitere Entwicklung ausgeben.

STANDARD: Von einem Leader wurde Nokia zu einem Follower, der seine wesentliche Technologie von Microsoft bezieht, statt sie selbst zu entwickeln. Können Sie sich überhaupt noch durch Innovation von anderen Windows-Phone-Herstellern unterscheiden?

Stephen Elop: Die Auswahl von Windows Phone erlegt uns keine Begrenzungen bei Innovationen und Differenzierungen zur Konkurrenz auf. Wir haben Leute, die Software und Services entwickeln, und natürlich Differenzierungen bei Hardware und im industriellen Design. Darum wird es sowohl bei Apps als auch bei der Erweiterung der Windows-Phone-Plattform und bei Funktionen, die auf unseren Handys anders sein werden, Unterschiede geben.

Das Wichtigste dafür ist das Geld, das wir für Forschung und Entwicklung ausgeben. Und das ist mit Windows Phone effizienter geworden, denn wir konzentrieren uns jetzt auf Dinge, bei denen wir uns sinnvoll unterscheiden können. Dafür geben wir weniger Geld für die darunter liegenden Fundamente aus, bei denen es keine Unterschiede gibt. Das sparen wir uns durch unsere Partnerschaft mit Microsoft. Einige unserer Innovationen sieht man bereits bei Location Services, wo wir unsere Navteq-Technologie verwenden, bei Augmented Reality, bei Fotografie. Nokia wird weiter Innovationen bringen, und mein Maßstab dafür ist die Zahl der Patentanträge, die wir stellen werden.

STANDARD: Wird Nokia künftig auch Tablets herstellen?

Stephen Elop: Wir haben zu Tablets noch kein Announcement gemacht. Aber die Metro-Oberfläche von Windows ist für eine große Bandbreite von Geräten verwendbar. Das sehen wir als eine sehr positive Entwicklung, wir sehen uns die Chancen an, die uns das bei Konsumenten bringt. Wichtig ist für mich, dass wir uns in jedem Bereich, in den wir einsteigen könnten, bei Windows Tablets oder PCs, klar differenzieren können.

STANDARD: Erst vor kurzem gab es neuerlich Gerüchte, dass Microsoft Nokia als Ganzes oder seine Smartphone-Sparte kaufen will. Ihr Kommentar?

Stephen Elop: Wir haben es schon früher gesagt und wiederholen es: Diesen Gerüchten fehlt jede Grundlage. Offenbar fehlt den Urhebern frisches Material. Man muss verstehen, dass Microsoft und Nokia in dieser Partnerschaft bereits bekommen haben, was sie brauchen: Wir brauchten eine zeitgemäße Software-Plattform und Microsoft ein Unternehmen, das sein Bestes für Windows Phone gibt. Dieser Teil des Vertrags ist bereits erfüllt.

STANDARD: Nokias Abstieg spiegelt Europas Schwäche im digitalen Bereich, etwa den Rückzug von Siemens aus der IT oder dass Europa bei der nächsten Mobilfunkgeneration LTE nicht mehr wie einst bei GSM und UMTS führend ist. Bleib Europa zurück?

Stephen Elop: Darüber bin ich tatsächlich besorgt, und Nokia will dabei einen Unterschied machen. Wir sind stolz darauf, eine europäische Firma zu sein, und unser Hauptquartier ist in Finnland. Viele der Innovationen, die wir entwickeln, kommen aus Europa, zum Beispiel arbeiten wir in Berlin an Location-based Services sowie in Ulm und Finnland an Billighandys. Europäische Unternehmen müssen hier Beispiele setzen, und wir sind dazu entschlossen, dass sich Nokia daran beteiligt. Gleichzeitig sind wir ein starkes globales Unternehmen mit starker Forschung und Entwicklung in den USA und einer starken Präsenz in China, wo viele unserer Kunden sind. Aber Europa ist unser Zentrum, und wir wollen auch Europas politische Führung dabei unterstützen, dieser Schwäche zu begegnen. (Das Interview führte Helmut Spudich, DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2012)