Wolfgang Moitzi: "Wenn wir uns abschotten, verlieren wir den Anschluss."

Foto: STANDARD/Andy Urban

"Es ist der Eindruck entstanden, dass Leute wie Niko Pelinka die junge Sozialdemokratie repräsentieren. Aber das tut er bei weitem nicht", sagt Wolfgang Moitzi, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend, im Gespräch mit derStandard.at. Er fordert Parteikollegen Niko Pelinka auf, seine Bewerbung als Büroleiter in der ORF-Generaldirektion zurückzuziehen. "Im Interesse der SPÖ". Wieso die Parteigranden in der Causa Pelinka so schweigsam sind, über Seilschaften und Gehorsam, sprach er mit Katrin Burgstaller.

derStandard.at: Sie haben einen Link zu einem Kommentar getwittert, in dem Niko Pelinkas Rückzug aus dem ORF gefordert wird. Wollen Sie auch seinen Rückzug?

Moitzi: Die Diskussion hat zwei Ebenen. Einerseits betrifft das den ORF. Der Eindruck eines unabhängigen ORF, der sich auch gegenüber der Sozialdemokratie kritisch zeigt, wird mit dieser Büroleiter-Bestellung zunichte gemacht.

Die zweite Ebene betrifft die Sozialdemokratie. Es entsteht in der breiten Öffentlichkeit der Eindruck, der SPÖ würde es darum gehen, den ORF ans Gängelband zu nehmen. Das ist für das Image der Sozialdemokratie absolut schädlich. Tritt Pelinka diesen Job an, würde das für viele Wochen und Monate Aufsehen erregen und das Image der SPÖ weiter schädigen.

derStandard.at: Also soll Pelinka seine Bewerbung zurückziehen?

Moitzi: Im Interesse der Sozialdemokratie wäre das sinnvoll. Seine Bestellung sorgt auch bei der breiten Bevölkerung und innerhalb der SPÖ-Basis für Kopfschütteln. Das kann nicht im Interesse der Sozialdemokratie sein.

derStandard.at: Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas hat kürzlich in einem Interview erklärt, die Entscheidung Wrabetz‘, Pelinka zu seinem Büroleiter zu machen, sei unabhängig von der SPÖ getroffen worden. Glauben Sie ihr das?

Moitzi: Ich kann es nicht beurteilen, ob die SPÖ hier einen Einfluss hat. Aber bei der Bevölkerung ist der Eindruck der Einflussnahme unserer Partei entstanden. Deshalb wäre es auch wichtig, dass man hier eine Änderung herbeiführt.

derStandard.at: Die Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller ist eine der wenigen Sozialdemokraten, die sich zur Causa Pelinka bisher öffentlich geäußert hat. Warum sagt sonst niemand etwas dazu?

Moitzi: Das müssen Sie die jeweiligen Personen fragen. Ich glaube aber, dass diese Bestellung innerhalb der Sozialdemokratie, vor allem innerhalb der Sozialistischen Jugend auf sehr viel Unverständnis stößt. Es stößt sehr vielen sauer auf, dass es hier ein Netzwerk gibt, das sich gegenseitig versorgt. Es ist der Eindruck entstanden, dass Leute wie Niko Pelinka die junge Sozialdemokratie repräsentieren. Aber das tut er bei weitem nicht.

derStandard.at: Wie ist es gekommen, dass es nun diesen erlauchten Kreis gibt, der sich gegenseitig Jobs verschafft, während viele andere Junge, Engagierte ignoriert werden?

Moitzi: Die Debatte geht viel tiefer. Es geht darum, die SPÖ wieder ein Stück mehr zu demokratisieren. Das Verbindende müssen politische Inhalte, nicht Bekanntschaften und Seilschaften sein. Diese politische Diskursfähigkeit innerhalb der SPÖ wieder zurückzugewinnen ist eine wichtige Aufgabe. Das werden wir auch zum Thema beim nächsten Parteitag machen.

derStandard.at: Haben Sie den Text von Elfriede Jelinek gelesen, in dem sie den Tod der Sozialdemokratie verkündet?

Moitzi: Ja. Es gibt Tausende in der Sozialdemokratie, die dafür kämpfen werden, dass die Sozialdemokratie nicht stirbt. Es gibt sehr viele Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen, die das Herz am richtigen Fleck haben und dafür kämpfen, dass die Sozialdemokratie vernünftige Politik macht. Mit solchen Bestellungen wird aber vieles von unserer Basisarbeit zunichte gemacht. Der Text von Jelinek greift Niko Pelinka sehr persönlich an. Es geht aber nicht um einzelne Personen, sondern um die Strukturen in dieser Partei. Anstelle von Karrierismus, Freunderlnetzwerken und Gehorsam sollten der Einsatz für sozialdemokratische Grundsätze, die zum Teil sehr harte Arbeit vor Ort, kritisches Auftreten und das ehrenamtliche Engagement unzähliger Junger in der Partei honoriert werden.

derStandard.at: Hat die Parteizentrale so viel Macht oder warum gibt es keinen Aufschrei von den Parteigranden?

Moitzi: Es gibt in der SPÖ eine gewisse Gehorsamkeitsmentalität an die man sich auch in der Öffentlichkeit hält. Aber wir brauchen eine demokratische Diskussionskultur, in der man die Dinge auch offen ansprechen kann. Wir brauchen insgesamt einen Kulturwechsel, in dem auch Personalentscheidungen demokratisch abgestimmt werden. Ich erwarte mir von der Bundesgeschäftsführung, dass sie sich mehr Gedanken darüber macht, wie die SPÖ für die Gesellschaft offener werden kann, als über Postenbesetzungen. Wenn wir uns abschotten, verlieren wir den Anschluss.

derStandard.at: Glauben Sie, dass Niko Pelinka seine Bewerbung zurückziehen wird?

Moitzi: Das kann ich nicht beurteilen, aber ich wünsche es mir. Im Interesse der SPÖ. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 4.1.2012)