Der "Augustin" will den Boden der Raiffeisen zum Wackeln bringen.

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Clemens Staudinger (links) und Lutz Holzinger kämpfen gegen die Raiffeisen.

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Raiffeisen-Werbesujets werden von der Zeitung "Augustin" neben Artikel gestellt, die das Firmenkonglomerat kritisieren.

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Den Journalisten Lutz Holzinger und Clemens Staudinger stößt die Wirtschaftsmacht der Raiffeisen übel auf. Die öffentliche Hand solle ein Auge auf die Geschäftsgebarung werfen, meinen sie. Der Grund: Marktbeherrschend, undurchsichtig und zu politisch sei das Firmenkonglomerat rund um die bekannte Genossenschaftsbank. Die Straßenzeitung "Augustin" hat den Kritikern dafür ein Forum gegeben. Eine Artikelserie und nun drei Fernsehbeiträge, der erste ist am Donnerstag um 20 Uhr auf dem Kabel- und Internet-TV Sender Okto zu sehen, sind die Früchte dieser Zusammenarbeit.

Der Augustin lud aus diesem Anlass zum Pressegespräch in den fünften Wiener Gemeindebezirk. In den Räumlichkeiten des Vereins "Sand & Zeit", der die Straßenzeitung herausgibt, geht es ruhig, aber bestimmt zur Sache. Gegen das Genossenschaftswesen an sich habe man nichts, so Holzinger. Es habe sogar seine Vorteile, aber Raiffeisen habe es mit seiner zentralistischen Kontrollstruktur ad absurdum geführt. Das Unternehmensnetzwerk nutze es vielmehr als Deckmantel, um seinen großen Einfluss auf weite Teile der österreichischen Wirtschaft zu verschleiern.

Kontrolle ist das Schlüsselwort. Die These, die Holzinger und Staudinger vertreten, lässt sich auf drei Beobachtungen zurückführen. Zunächst ist da die wirtschaftliche Macht des Konzerns. Bei vielen seiner Unternehmen steht nicht Raiffeisen drauf, aber sehr wohl dahinter. Vom Wiener Zucker, den Gurken von Efko und dem Bad Ischler-Salz, über den Mühlenkonzern Leipnik-Lundenburger und Medien wie Kurier, News, Format, Trend und Profil bis hin zur Uniqa-Versicherung reicht das Wirkungsgebiet der Gruppe, die beim Volk primär für ihre Lagerhäuser und das Bankwesen steht.

Insgesamt gibt es rund 1.600 autonome Raiffeisengenossenschaften in Österreich, darunter 560 Raiffeisenbanken, 95 Lagerhausgenossenschaften, 15 Molkereien, 160 Käsereien und rund 800 andere Genossenschaften. Diesen gehören wiederum zahlreiche Kapitalgesellschaften wie die Raiffeisen Zentralbank. Laut "Handelsblatt" arbeiten mehr als 200.000 Beschäftigte bei Firmen, die direkt oder indirekt zu der Konzerngruppe gehören, 60.000 davon alleine bei der Raiffeisen Zentralbank.

Banker mit Bauern-Image

Zweitens gelinge es den Raiffeisensianern selbst beim Bankersein ihr Understatement zu wahren. Bei den jüngsten Bankendemonstrationen in Wien habe man kein einziges gegen den Konzern gerichtetes Plakat gesehen, wie Augustin-Gründungsmitglied Robert Sommer melancholisch anmerkt. Und das, obwohl sich auch die Raiffeisen in ganz Mittel- und Osteuropa groß in das folgenschwere Geschäft mit hypothekenbesicherten Fremdwährungskrediten und Wertpapieren geworfen hat, der Staat 2009 mit Notkrediten in Höhe von 1,75 Milliarden Euro aushelfen musste. Und der Konzern seine Steuerbelastung mit Hilfe der Gruppenbesteuerung möglichst niedrig hält.

Nach Berechnungen von Hans Weiss, dem Autor des "Schwarzbuch Landwirtschaft", zahlte der ganze verschachtelte Raiffeisen-Konzern 2008 trotz eines Gewinns von 1,9 Milliarden Euro nur 19 Millionen Euro Steuern, was einer Quote von einem Prozent entspricht. Holzinger und Staudinger wiederum errechneten für den Bankensektor des gelben Riesen eine Steuerbelastung von 1,9 Prozent. Andere Banken kämen immerhin auf mindestens sieben Prozent. Raiffeisen bestritt in der Vergangenheit diese Zahl, nannte aber selbst keine. Da die einzelnen Genossenschaften selbstständig seien, gebe es keine aggregierten Quoten.

Dass der Protest der Österreicher ausbleibt, kann sich Sommer nur so erklären: "Die Manager der Raiffeisen haben es prächtig verstanden, wie Zuckerrübenbauer oder Lagerhausverwalter rüberzukommen, aber nicht wie Global Player." Die österreichische Wahrnehmung sei getrübt.

Das wollen die Augustin-Gastautoren Holzinger und Staudinger ändern. Es geht ihnen darum, mit "publizistischen Mitteln gegen den ökonomischen Analphabetismus" aufzutreten. Mal geht es in ihren Artikeln um die großen Zusammenhänge - wer sitzt wo im Aufsichtsrat, welches Medium wird ganz- oder teilweise kontrolliert - mal geht es ihnen um einen privaten Wohnungseigentümer, der seinen Teil am Haus nicht der Raiffeisen verkaufen will und dem auf einmal Kredite fällig gestellt werden. In der nächsten Ausgabe der Straßenzeitung, die am Freitag erscheint, beschäftigt sich die "immerwährende Rubrik" mit Finanzprodukten wie Fremdwährungs-Swaps. Diese wären an zahlreiche niederösterreichische Gemeinden verkauft worden und hätten zu veritablen Verlusten geführt.

Fehlt noch die dritte Beobachtung. Der Mischkonzern habe seine genossenschaftlichen Prinzipien über den Tisch geworfen, funktioniere viel eher nach Vorbild des Sowjet-Kommunismus. Eine Clique setze sich wechselseitig in Vorstände und Aufsichtsräte der zahlreichen Konzernteile und entscheide für sich selbst. Auch die enge personelle Verknüpfung mit Bauernbund und Landwirtschaftskammer, von Staudinger sarkastisch "Dreifaltigkeit" genannt, verhindere die für einen so mächtigen Konzern notwendige Transparenz. "Es gibt keine einzige Landesregierung, mit Ausnahme von Wien, die nicht von Raiffeisen beschickt ist", so der Kritiker.

Für Staudinger und Holzinger kann die größte private Unternehmensgruppe in Österreich zu einem echten Problem für die Republik werden. Im Vorspann des ersten Teils der am Donnerstag ausgestrahlten Augustin TV-Produktion, den derStandard.at vorab sah, tickert weiß auf schwarzem Grund, begleitet von dramatischen Worten und Musik, der Slogan: "Ein Mangel von Eisen ist schlecht für den Körper. Ein Mangel von Raiffeisen wäre demgegenüber gut für die Demokratie. Eine zu hohe Raiffeisenkonzentration ist schädlich für den Staat". Die Dokumentation selbst geht dann sachlicher weiter. Auch die Zeitungsartikel muten handwerklich gut recherchiert an.

Die Hülle einer Lösung

Doch was fordern die Kritiker? Holzinger und Staudinger wollen ihr Raiffeisen-Problem folgendermaßen gelöst haben. Entweder soll das Genossenschaftsgesetz so geändert werden, dass "die Selbstkontrolle gewährt bleibt". Oder man lagert das an die öffentliche Hand aus, samt Überprüfung der Geschäftsgebarung. Wie das konkret funktionieren soll, können oder wollen sie nicht sagen. Damit werde man sich noch "genauer beschäftigen" müssen, heißt es lapidar.

Zerschlagen will man die Raiffeisen jedenfalls nicht, das sei "naiv". Ob der Konzern mit seinen Tochterfirmen eine marktbeherrschende Stellung, beispielsweise entlang der Nahrungskette von "Bauernhof und Traktor bis zum Fertigmenü" einnimmt, behauptet man zwar, an eine Meldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde habe man aber noch nicht gedacht.

Aktiver war man bei der Kontaktaufnahme mit dem Raiffeisenverband, dem obersten Organ des Firmenkonglomerats. Doch sowohl Generalanwalt Christian Konrad, für den Augustin der "Oberjägermeister", als auch Generalsekretär Ferdinand Maier, der als einer von vielen Giebelkreuzlern für die ÖVP im Nationalrat sitzt, hätten ein Gespräch verweigert. Um die Raiffeisen weiter auf sich aufmerksam zu machen, hat der Augustin jedenfalls schon ungewöhnliche Maßnahmen gesetzt. So hat die Straßenzeitung jüngst damit begonnen, im Augustin geschaltene Raiffeisen-Inserate bewusst zu Raiffeisen-kritischen Artkeln zu platzieren. Man ist schließlich auf "Seiten der Wilderer" und will den passionierten Jägern der Raiffeisen einen Schuss vor dem Bug geben. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 20.10.2011)