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Auch das Einkommen als sozialer Faktor hat Einfluss auf Schmerzen.

Foto: AP/Michael Probst

Hamburg - Schmerz hängen sehr stark vom sozialen Kontext ab. "Zu den Faktoren, die Ausprägung, Stärke, aber auch den individuellen Umgang mit Schmerz prägen, zählen auch das Einkommen, die Erwartungen inklusive Vorurteile der Umwelt, sowie die Reaktionen wichtiger Bezugspersonen", betonte Psychologin Christiane Hermann aus Gießen im Rahmen des kürzlich stattgefundenen Europäischen Schmerz-Kongress EFIC 2011 in Hamburg.

Niedriges Einkommen erhöht Risiko für Schmerzen

Die Ergebnisse einer groß angelegten schwedischen Studie zeigen, dass niedriges Einkommen in der Tat ein Risikofaktor für die Entwicklung lang anhaltender, beschwerlicher Nackenschmerzen ist. Die Forscher wählten rund 10.500 Patienten aus, die unter gelegentlichen Nackenschmerzen gelitten hatten, sowie rund 8.300 Personen ohne Nackenschmerzen. Fünf Jahre später wurden beide Gruppen daraufhin untersucht, ob seither mindestens drei Monate lang anhaltender beschwerlicher Nackenschmerz aufgetreten war. „In beiden Gruppen und bei beiden Geschlechtern fanden wir eine klare Beziehung zwischen niedrigerem Einkommen und einem höheren Risiko für lang anhaltenden, quälenden Nackenschmerz", so Dr. Lina Palmlöf (Stockholm) beim Kongress in Hamburg.

Elternverhalten prägt Kinderschmerz

Ob und wie stark Schmerz empfunden wird, sei aber auch Sache der individuellen Interpretation. Schmerz hat eine rein organische, aber auch eine emotionale  Komponente, die starken sozialen Einflüssen unterliegt. "Man kann etwa beobachten, dass Kleinkinder, wenn sie stürzen, oft zuerst ihre Eltern anschauen und aus ihrem Gesichtsausdruck abzulesen versuchen, wie schlimm das nun sei. Erst, wenn diese Besorgnis oder gar Entsetzen zeigen, beginnen die Kinder zu weinen", so Hermann. Andererseits wirkt soziale Unterstützung - zum Beispiel die Anwesenheit einer nahestehenden, mitfühlenden Person - schmerzlindernd. "Daraus ergibt sich, dass Eltern in ihrer Reaktion auf schmerzhafte Erlebnisse ihrer Kinder eine wachsame Balance halten sollten: Den Schmerz wahr- und ernstnehmen, aber nicht dramatisieren", so die Medizinerin.

Soziale Vorurteile beeinflussen Schmerztherapie

Aber nicht nur die Schmerzentstehung, auch seine Behandlung unterliegt sozialen Faktoren. Schmerz wird nicht von jedem und in jeder Situation gleich ausgedrückt. Am Arbeitsplatz lässt man sich weniger "gehen" als gegenüber Lebenspartnern; Männer drücken Schmerz anders aus als Frauen. Neuen sozialmedizinischen Untersuchungen zufolge kann diese Binsenweisheit weitreichende Folgen für die Qualität der Schmerztherapie entfalten. "Studien zeigen, dass Schmerzäußerungen von Frauen und Männern von Ärztinnen und Ärzten unterschiedlich bewertet werden, bei Männern werden Schmerzen in ihrer Intensität besonders häufig unterschätzt", so Hermann.

"Weniger ernst werden Schmerzensäußerungen auch genommen, wenn sich keine gesicherte medizinische Ursache dafür findet - was jedoch für eine der häufigsten Formen von Schmerzen, den unspezifischen Rückenschmerz, typisch ist. Auch Kinder werden häufig schmerztherapeutisch unterbehandelt, weil ihre Schmerzen unterschätzt werden. Mit hinein spielen auch Sympathie oder Antipathie Patienten gegenüber sowie die eigenen Schmerzverarbeitungsmuster des Behandelnden: Wer Schmerz selbst als sehr bedrohlich empfindet, reagiert auch auf Schmerzäußerungen anderer stärker." (red)