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Wiens Stadtgartendirektor Rainer Weisgram setzt bei der Parkgestaltung auf die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern: "Das Leben wird von der Wohnung in den Park verlagert und geht dort in Form von Spielen, Sport, Erholung und Kommunikation weiter."

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derStandard.at: Ihnen eilt der Ruf voraus, dass die Gestaltung von Blumenbeeten und die Auswahl der Farbkombinationen so etwas wie ihr persönliches Steckenpferd ist.

Rainer Weisgram: Ich habe mir vorgenommen, den Wienerinnen und Wienern in den über 600 Blumenbeeten der Stadt von Jahr zu Jahr etwas Neues zu bieten. Ich war vier Jahre lang Leiter der Blumengärten Hirschstetten, da habe ich einen guten Einblick in das Sortiment von Pflanzen gewonnen. Ich verwende die Beete als Visitenkarte, in denen ich neue Sorten und Pflanzen bringe, die nicht so bekannt sind, um mit diesen Aha-Effekte zu erzeugen.

Nach den sehr auffälligen Kombinationen der Vorjahre wollte ich heuer die naturnahe Gestaltung im urbanen Raum stärker zur Geltung bringen: Dafür habe ich einen leuchtend roten Wildsalbei gewählt und dazwischen eine weiße, später blühende Präriekerze - ein Bild, das im Laufe der Zeit sein Aussehen verändert. Nächstes Frühjahr wird es eine Kombination aus Lila und Rosa geben, im Sommer wird es dann wieder bunter.

derStandard.at: Wie hat sich der gesellschaftliche Stellenwert von Parkanlagen seit ihrer Gründung 1862 durch Kaiser Franz Josef verändert?

Rainer Weisgram: Die ersten kommunalen Parks wie Stadtpark und Rathauspark waren ausschließlich zum Betrachten und Flanieren gedacht. Der Kaiser wünschte sich Parkanlagen, die "zur Zierde gereichen". Es ging darum, Landschaftsparks ins Stadtgebiet zu integrieren, in denen man spazieren gehen kann und sich an der Natur erfreut. Es steckten aber überall "Betreten verboten"-Schilder und Parkwächter verwarnten Kinder, die im Rasen spielten.

In den 20er- und 30er-Jahren spiegelte sich der soziale Aufbruch in der Gartengestaltung wieder, das kann man heute noch im Herderpark in Simmering oder am 12.-Februar-Platz in Heiligenstadt schön sehen. Dort hat man damals schon versucht, alle Sozialthemen in den Park hineinzupacken, in Form von Freibädern, Turnanlagen oder Bepflanzung mit beschrifteten Nutzpflanzen, um zu zeigen, wie man eigenes Obst ziehen kann. Während der Kriegszeit wurden die Parks meist als Nutzfläche, zum Gemüseanbau, aber auch für Gräber verwendet.

1964 und 1974 gab es dann zwei große internationale Gartenschauen in Oberlaa und im Donaupark, die neue Wege in der Parkgestaltung zeigten. Aus diesen Ideen heraus haben sich die folgenden Jahrzehnte ablesen lassen, in denen es schon mehr um die Qualität und Inhalte der Parkanlagen ging. Rosarien, verschlungene Wege durch die Landschaft, Pflanzensammlungen, Stauden- und Blindengärten waren charakteristisch dafür.

derStandard.at: Was ist Ihnen heute bei der Gestaltung von Parkanlagen wichtig?

Rainer Weisgram: Wir gehen heute ganz bewusst auf die Bedürfnisse der Benutzer ein. Sicherheit, Transparenz und Barrierefreiheit spielen eine wichtige Rolle. Die Gestaltung orientiert sich, wie derzeit auch die Architektur, am Prinzip "weniger ist mehr". Man versucht, mit klaren Linien und Einfachheit zu gestalten.

Mein Motto ist, Parks nicht nur für, sondern mit den Bürgern und Bürgerinnen zu errichten. Dieses Anliegen verfolgen wir seit etwa fünf Jahren sehr intensiv, auch mithilfe von Bürgerbeteiligungsverfahren. Es wird in Wien kein Park mehr errichtet, ohne dass wir im Vorfeld die zukünftigen Nutzer miteinbeziehen.

derStandard.at: Welche Erwartungen stellen Bürger und Bürgerinnen heute an einen Park?

Rainer Weisgram: Das Leben wird von der Wohnung in den Park verlagert und geht dort in Form von Spielen, Sport, Erholung und Kommunikation weiter. Nicht außer Acht lassen darf man dabei die verschiedenen Nutzergruppen: Kleinkinder, Jugendliche, Hundebesitzer, Ruhebedürftige, Senioren, Buben und Mädchen. All deren verschiedenen Bedürfnisse versuchen wir auf die 10.000 bis 15.000 Quadratmeter, die uns im Schnitt in einem Park zur Verfügung stehen, hineinzupacken.

Mir ist es ein Anliegen, besonders die Bedürfnisse von Mädchen und jene der älteren Generationen zu berücksichtigen. Nach und nach entstehen auch Generationenspielplätze, in denen ältere Personen nicht nur am Parkbankerl sitzen, sondern sich an speziell für sie abgestimmten Geräten betätigen können, sich in speziellen Zonen zu Brett- und Kartenspielen zurückziehen oder mit jüngeren Menschen vernetzen können.

derStandard.at: Zeigen die Bemühungen zur Vernetzung der Generationen schon Erfolg?

Rainer Weisgram: Ja, teilweise. Etwa 130 Parkanlagen werden derzeit durch Vereine betreut. Sozial ausgebildete Menschen beschäftigen sich vor Ort damit, verschiedene Generationen, aber auch Kulturen und Nationalitäten zusammenzubringen, was ein gelungener Beitrag zur Integrationsförderung ist. Das Programm "Wiener Parkbetreuung" betreiben wir gemeinsam mit den Bezirksvorstehungen. Der Mortarapark in Brigittenau und der Arthaberpark in Favoriten sind gute Beispiele, wie es funktionieren kann.

derStandard.at: Inwiefern sind die Bezirke budgetär an den Erneuerungen in Parkanlagen beteiligt?

Rainer Weisgram: Die MA 42 ist eine der wenigen Abteilungen, die dezentralisiert sind. Wir entwickeln und erhalten Anlagen einerseits mit Geld aus dem Bezirk und binden damit die örtlichen Verantwortlichen und Bürger in die Entscheidungen ein. Der Bezirk erstellt einen Kostenrahmen und wir schauen dann, was machbar ist.

Außerdem gibt es Sonderparkanlagen, die die Stadt mitfinanziert, zum Beispiel der Wasserspielplatz in Favoriten oder das Rosarium im Donaupark. Dann gibt es noch die große Gruppe der Parkanlagen, die im Zuge der Entwicklung neuer Stadtteile, wie zum Beispiel dem Hauptbahnhof oder dem Flugfeld Aspern, entstehen - auch diese werden zum Großteil mit Geldern der Stadt finanziert.

derStandard.at: Sie haben in jüngster Vergangenheit noch eine neue Schiene etabliert, die in Wien sehr gut angenommen wird: den Nachbarschaftsgarten.

Rainer Weisgram: Diese alternative Form der Grünflächennutzung habe ich mir in Berlin und Paris angeschaut. Meine ursprüngliche Angst war der Vandalismus oder dass Obst und Gemüse gestohlen wird. Ich bin aber positiv überrascht, wie gut das System funktioniert. Ich hätte nicht gedacht, dass Menschen über das Garteln so gut zusammenfinden können.

Wir haben mit Pilotprojekten im 16. Bezirk begonnen und es gibt auch eine Förderung vonseiten der Stadt. Unser Ziel ist, dass jeder Bezirk in Wien zumindest einen Nachbarschaftsgarten betreibt. Wir stellen dafür einen bestimmten Bereich einer öffentlichen Fläche zur Verfügung und Vereine wie die Gebietsbetreuung sorgen für einen Mietermix - eine Mischung aus lange Ortsansässigen, Migranten, alten und jungen Menschen und verschiedenen Kulturen. Sie bauen dort Gemüse und Obst an, tauschen es untereinander und organisieren gemeinsam Veranstaltungen.

derStandard.at: Wie stehen Sie Guerilla Gardening gegenüber?

Rainer Weisgram: Solange das Positive überwiegt, lassen wir es zu. Mir ist wichtig, es auf eine legale, kontrollierbare Schiene zu bringen - im 15. Bezirk beraten wir zum Beispiel, wie und wo Interessierte das machen können. Dieses Miteinander gefällt mir, da haben alle etwas davon.

derStandard.at: Auch die Gestaltung von Spielplätzen, die von der MA 42 mitbetreut werden, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Wie sieht für Sie ein gelungener Spielplatz aus?

Rainer Weisgram: Ich kann mich noch an die 60er-Jahre erinnern, wo ich in Parks auf den Hamsterrollen gelaufen bin und daneben stand ein Metallklettergerüst. Unsere Kinder haben etwas Besseres verdient. Die meisten Spielplätze werden nicht mehr fertig gekauft, sondern bei uns im Planungsbüro entworfen. Die Spielgeräte werden dann nach diesen Plänen entsprechend der Sicherheitsnormen gebaut. Da entstehen spannende Abenteuerspielplätze, wo Erlebnis und die Förderung der motorischen Fähigkeiten im Vordergrund stehen.

Wir haben bereits einige Spielplätze mit Leitthema, zum Beispiel einen Dschungelspielplatz, einen Piraten-, Western- und einen Pilotenspielplatz und bauen gerade an einem Eisenbahnspielplatz. Der neue Wasserspielplatz am Wasserturm in Favoriten ist derzeit die Krönung bei den Erlebnisspielplätzen. (Isabella Lechner, derStandard.at, 30.8.2011)