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Foto: REUTERS/Michael Buholzer

Der EU-Gipfel vergangene Woche hat die Verwandlung der Währungsunion zu einer Transferunion wohl endgültig und unumkehrbar in die Wege geleitet. Von nun an werden die reichen Euro-Staaten, zu denen auch Österreich gehört, die armen unterstützen und im Gegenzug sich massiv in deren Wirtschafts-und Sozialpolitik einmischen. Das ist Weg, der mit großen politischen Risiken behaftet ist.

Das war nicht so geplant, als der Euro geboren wurde. Im Gegenteil: Der Maastricht-Vertrag sah strikte Bestimmungen vor, die jede Hilfe eines Staates für einen anderen untersagten. Vor allem der Europäischen Zentralbank war es in der „No-Bailout-Clause“ verboten, Mitgliedsländern Gelder zu borgen, indem sie etwa Staatsanleihen aufkauft oder auch nur als Sicherheit für Kredite an die Banken annimmt.

Heute heißt es oft, dass das ursprüngliche Konzept gar nicht funktionieren konnte, dass eine Währungsunion ohne gemeinsame und solidarische Wirtschaftspolitik nicht möglich ist. Dies habe die Finanz- und Euro-Schuldenkrise eindringlich gezeigt.

Aber waren die Schöpfer des Euro wirklich so einfältig, dass sie dies nicht erkannt hatten? Oder hätte auch das eigentliche Euro-Konzept zum Funktionieren gebracht werden können, wenn nur einige Details besser durchdacht worden wären.

Ich glaube ja. Eine Währungsunion muss keine Transferunion sein. Wenn Mitgliedsstaaten Pleite gehen, dann bricht die Währungsunion nicht auseinander – genauso wenig, wie der Bankrott von Großunternehmen eine nationale Währung gefährdet.

Nicht einmal der Stabilitätspakt wäre für das Funktionieren einer Währungsunion notwendig. Wenn Staaten hohe Defizite fahren, dann sind es die privaten Gläubiger, die das Risiko tragen, und rechtzeitig die Notbremse ziehen.

Man hätte daher erwarten können, dass schon lange vor der Finanzkrise die Zinssätze auf griechische und portugiesische Staatspapiere steigen und die spanischen Anleihen zumindest mit Skepsis betrachtet werden (Irland war ein Sonderfall, dort kam die Krise wirklich überraschend). Aber warum geschah das nicht? Warum waren private Anleger, allen voran die europäischen Banken, so leichtgläubig, griechische Schulden mit deutschen fast gleichzusetzen?

Beim Entwurf zur Währungsunion wurde ein Detail übersehen – eines, das mit der Währung gar nichts zu tun hat, aber sich in der Krise als fatal erwiesen hat. Der Hund war in den Eigenmittelvorschriften von Basel II begraben, die ungefähr gleichzeitig in Kraft traten.

Dort wurden bei Unternehmenskrediten die notwendige Unterlegung mit Eigenmittel nach dem Risiko gewichtet, was die Kredite insgesamt für Banken verteuerte.  Kredite für Banken verteuert. Kredite an Euro-Mitgliedsstaaten – also der Erwerb von Anleihen und anderen Schuldinstrumenten – wurde für risikolos erklärt. Banken mussten solche Veranlagungen mit überhaupt keinem Eigenkapital unterlegen.

Deshalb kauften die Banken, die liquide Mittel benötigten, im großen Umfang Euro-Staatspapiere, darunter auch von den etwas weniger sicheren Staaten, die allerding von den Ratingagenturen auch mit Top-Bonitäten ausgestattet wurden. Schon kleine Unterschiede im Zinssatz ließ sie zu griechischen statt deutschen Papieren greifen.

Und deshalb war es den anderen Staaten der Eurozone seit 2010 nicht möglich, eines der Staaten fallen zu lassen. Sie hätten ihre eigenen Banken aufs Spiel gesetzt.

Diese Basel II-Bestimmung - absurd wie die Baseler Fasnacht im Bild - war ein Detail, das in den Diskussionen über die Währungsunion keine Beachtung fand. Aber es war entscheidend.

Warum gab es diese rückblickend absurde Bevorzugung von Staatsanleihen? Wohl aus Eigeninteresse der Finanzminister, die sicher gehen wollten, dass sie immer ihre eigenen Anleihen verkaufen können.

Für die Banken war es gleichzeitig ein Signal, dass kein Euroland je untergehen werde, dass es sehr wohl eine Gesamthaftung gibt. Diese haben die Banken bei Ausbruch der Krise eingefordert und auch Recht bekommen.

Wäre das nicht gewesen, dann wäre Griechenland vielleicht wirklich schon vor einem Jahr Pleite gegangen, ohne dass deshalb die Eurozone untergeht. Für die Griechen wäre das keine gute Option gewesen, für den Rest Europas aber wahrscheinlich besser.

Eines wird daraus deutlich: Erfolg und Scheitern von wirtschaftlichen Konstruktionen hängt oft weniger von den großen Zügen als von gewissen komplexen Details ab, auf die zumindest die Öffentlichkeit (und oft auch nicht die Experten) achten.

Auch in den neuen Basel III-Vorschriften gelten Staatsschulden übrigens als risikolos. Das ist ein Treppenwitz, der außerdem zeigt, wie wenig Politiker selbst aus der schlimmsten Krise lernen.