Es gibt schon ein paar Argumente gegen dieses Lokal. Von Cagliari Centro sind es noch acht Kilometer durch eine Gegend, die an Großfeldsiedlung gemaht, nur näher zum Meer. Von dem bekommt man im Mai aber im Lokal wenig mit, auch wenn es direkt am Strand liegt, und auch der wirkt im Mai eher verlassen. Das Lokal ist nicht unbedingt schön. Und gleich neben den Visitenkarten des Lokals liegt an der Kassa ein Stapel mit Wahlwerbung für Frau Rita Petrini, die Berlusconi-Kandidatin für die Kommunalwahlen in Cagliari.
Seeigels Vendetta
Gut, wissen Sie immer, was ihr Wirt wählt? Wir nicht. Konnten uns entlegene Standorte von Besuchen abhalten? Ich sage nur: demnächst Zistersdorf! Und hat es uns nur in schönen Lokalen mit Aussicht geschmeckt? Eben. Die österreichische Delegation – einmal Schmecks, einmal "Kleine", einmal "Krone" – lässt sich also nicht weiter beirren und fühlt sich goldrichtig im Ricciomania II – La Vendetta.
Schöner Schneck
Die Rache des Seeigels spüren wir leider nicht ganz fangfrisch – keine Saison für Seeigel natur, enttäuscht mich der Herr Ober gleich. Er macht's wieder gut mit fünf Antipasti, Bocconi inklusive. Die übersetzt der Osteriaführer mit Purpurschnecke, ich bin nicht ganz sicher. Egal: Sehr fein, deutlich feiner als Sitzigorrus am Vorabend. Dazu Schwertfisch mit Oliven, Miesmuscheln in ordentlich Weißwein (der Hauswein in Weiß übrigens durchaus anständig), Lachs mit Fenchel und, wenn ich mich jetzt nicht ganz täusche, Bianchetti in Ei frittiert. Sehr saftig, mir sympathischer als die krossere Kostprobe weiland in Mailand.
Seeanemone, aussebochn
A propos frittiert, noch ein kurzer Blick zurück ins Zentrum von Cagliari: Im Hotelristorante Italia probierte ich Fritelle di Orziadas, weil: Haben Sie schon einmal Seeanemonen gegessen, aussebochen zudem? Wie vieles Aussebochene schmeckten auch die im Meer anmutigen Zeitgenossen vor allem Aussebochen – halt mit Meer. Geschmacklich für mich kein Muss, aber wieder was probiert.
Igelpasta, rechtsdrehend
Bei Ricciomania II kommen wir mit der Pasta nun doch auf die kleinen Schwarzen – halt nicht ganz meeresfrisch, dafür aber das ganze Jahr zu haben – und mehr nach Meer schmecken wär eh schon penetrant. So gerade intenstiv und wunderbar, die Spaghetti mit der Seeigelsauce, vielleicht passend zu Berlusconi rechtsdrehend am Tisch mit Handbewegungen abgemischt, die allabendliche Übung über viele, viele Jahre verrät.
Langusto
Die Kollegen teilen sich als Hauptgang einen gegrillten Branzino, der uns nur weit größer vorkam als die Portionen, die dann auf dem Teller landeten, auch wenn er vor uns zerlegt wurde. Gut, der Fidler bekam auch einen Kosthappen ab, und vielleicht täuschte auch die Spigola-Anmutung. Ein Blick aufs Bild sagt: Passte schon. Meine Languste mit Salat absolut anständig, kann ich eigentlicht meckern, und fast schon übervollständig. Beide Hauptgänge: sehr gut.
Der Grappa wirds schon richten
Und wäre da nicht mein Hunger nach Cordula gewesen, ich hätte glatt noch einen mir bisher nicht geläufigen Meeresbewohner probieren können: Die werten Kollegen verfügten sich anderntags auf eine Bootstour entlang der Costiera Sulcitana Fischfang und -verzehr inklusive, ebenso allerdings schwarz gebrannter Grappa von höherer Gradation. Darauf deutete jedenfalls der Zustand der Kollegen beim wieder gemeinsamen Dinner hin. Ich bin dennoch sicher, dass es etwa der Kollege von der "Golf Week" absolut ernst meinte, dass die gefangene Muräne am besten schmeckte. Haben Sie Erfahrungen mit diesen Tieren?
Muräne wie Schweinsbraten
Wir greifen hier gern auf den profunden Erfahrungsbericht von Kollegin Birgit Pichler von der "Kleinen Zeitung" zurück, die Boot, Fisch und Schnaps miterlebte (und Schmeck's freundlicherweise auch die einschlägigen Fotos zur Verfügung stellte) und zitieren:
Wie man eine Muräne brät
Bevor der Käpt'n unser Einmeternochwasvieh mit dem Knüppel erledigte, kroch es noch munter über Deck und verdrückte einen 15-Zentimeter-Fisch im Ganzen.
Das Vieh wird auf der Bauchseite bis zur Mitte aufgeschnitten und ausgenommen. Vorsichtige würden dafür Handschuhe überziehen, weil das Blut der Muräne wie das des Aals giftig ist. Unserem Käpt'n ist das sowas von egal. Um sich die Deckeldrückerei zu ersparen (Muränen im Ganzen verlassen gern wieder das Gefäß, in dem sie gekocht werden – die Nerven), hackt er sie gleich am Boden in Stücke. Die Haut zieht er nicht ab.
Der hintere Teil – etwa die Hälfte der Muräne – wird abgetrennt und über Bord geworfen, weil er großteils aus Fett und Gräten besteht (unsereins würde Fischsuppe daraus machen). Der vordere Teil in etwa 1,5 Zentimeter dicke Filets geschnitten (siehe Foto oben), wobei das wehrhafte Rückgrat erst zuletzt mit der Hacke zerteilt wird.
Die Filets werden gestaubt, gesalzen und in Öl herausgebraten. Dabei wird die Haut der Muräne knusprig wie bei einem Schweinsbraten, weil darunter eine dünne Fettschicht angesiedelt ist – köstlich! Das Fleisch wird beim Braten blütenweiß, ist zart und nur an der Bauchseite fetter. Auf den ersten Biss nahe des Rückgrats schmeckt Muränenfleisch wie das einer Forelle, nur ohne Gräten. Dazu gibts Pane Carasau und selbstgebrannten Grappa – siehe oben.
Helena und Cordula
Die Muräne war übrigens eine Muraena Helena, berichtete Frau Pichler noch, womit wir nach dem Rotwein namens Monica und Cordula schon wieder einen weiblichen Vornamen hätten, der Schmeck's auf Sardinien interessiert. Fehlt eigentlich nur noch Cordula. Hat der Fidler sie noch getroffen? Bleiben Sie dran.