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Das "Renaissance-Ei" von 1894 wurde 1930 an Armand Hammer verkauft, landete in der Forbes- und dann Wekselberg-Sammlung.

Foto: EPA/ALESSANDRO DELLA BELLA

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Das 13 Zentimeter hohe "Ei zum 15. Thronjubiläum" mit einem singenden Vogel im Inneren. Unbekannt ist, wie es in den Westen kam.

Foto: REUTERS/Sotheby's Handout

Als Carl Fabergé 1920 in Lausanne starb, war das Renommee seiner Arbeiten am Tiefpunkt. Als extravagant, dekadent, zutiefst imperialistisch bezeichneten die kommunistischen Bolschewiki die kunstvoll geschmückten Eier, die in Fabergés Werkstatt in St. Petersburg über die Jahre entstanden waren. Für die Revolutionäre waren die Schmuckeier, die der Juwelier für die Zarenfamilie hergestellt hatte, Inbegriff des verhassten Zarentums.

Entsprechend verächtlich und sorglos gingen sie mit den Schätzen um, die sie in den Zarenpalästen vorfanden. Mehr als 25 Jahre hindurch hatte Zar Nikolaus II. seiner Mutter Marie Fedorowna und seiner Frau Alexandra Fedorowna zu Ostern ein aus dem Hause Fabergé stammendes, kunstvolles Ei geschenkt. Jedesmal mit einer wertvollen Überraschung drinnen: ein goldener Zug, als Anspielung auf den Bau der Transsibirische Eisenbahn; ein Uhrwerk; ein mit Edelsteinen besetztes Schiff, das an eine gemeinsame Reise der Zarenfamilie erinnerte; ein aus Goldfäden gezogener, filigraner Thron.

Größter Juwelier

Fünfzig solcher Eier waren im Laufe der Jahre entstanden. Sie hatten Fabergés Ruhm begründet, ihm zu Reichtum verholfen und zeugten davon, was für ein kluger Geschäftsmann er gewesen war. Zeitweise beschäftigte er 1500 Leute und unterhielt eine Niederlassung in London. Fabergé, dessen hugenottische Familie nach Russland eingewandert war, war der weltgrößte Juwelier seiner Zeit.

In den Wirren des Ersten Weltkriegs und insbesondere der russischen Revolution wurden die meisten Eier in den Zarenpalästen rund um St. Petersburg zurückgelassen und wurden, wie alle Zarenschätze (und auch die Besitztümer des Adels) von den Revolutionären beschlagnahmt. Die Zarenmutter, der die Ausreise über die Halbinsel Krim gelang, nahm lediglich ein Ei, das zu Ostern 1916 verschenkte "St.-GeorgsOrden-Ei" , mit ins Exil. Die in einem Gehöft nahe Jekaterinburg erschossene Zarenfamilie dürfte auf ihrer Reise dorthin überhaupt kein Ei mitgenommen haben.

Binnen kurzem setzte ein Eierschwund ein. Bei einer hastigen Inventur, die 1927 durchgeführt wurde, fehlten schon 16 Exemplare. Einige davon waren bereits in Paris aufgetaucht.

Obwohl sich bis heute Heerscharen von Kunsthistorikern mit den Preziosen beschäftigt haben, ist bei lediglich 42 Eiern klar, wo und in wessen Besitz sie sich befinden. Bei den verschollenen Exemplaren ist alles möglich, selbst, dass sie zerstört wurden, damit Edelsteine und Edelmetalle einzeln verkauft werden konnten. Bei einigen Eiern ist bis heute unbekannt, wie sie in den Westen gelangten.

Für die politische Führung der jungen Sowjetunion waren die Ostereier jedenfalls nicht wert, gesammelt zu werden. Sehr schnell erkannte man jedoch, dass man sie verkaufen konnte - und damit an dringend benötigte Devisen kommen würde.

Das "Antikvariat" , eine Abteilung des Handelsministeriums, die bis zum Ende der UdSSR mit dem Verkauf von Antiquitäten betraut war, verkaufte die Eier zumeist mehr oder weniger nach dem Materialwert.

Die Unsicherheit der Bolschewiken im Umgang mit den zaristischen Schätzen zog allerlei undurchsichtige Männer an. Der englische Geschäftsmann Emanuel Snowman kaufte auch für damalige Zeiten günstigst 80 Schmuckstücke des russischen Adels und besaß zeitweise neun der Schmuckeier. Am bekanntesten aber wurde der US-Industrielle Armand Hammer, der es auf zehn, laut anderen Quellen sogar 13 Fabergé-Eier brachte. Als Chef der US-Ölgesellschaft Occidental Petroleum war er in die Sowjetunion gekommen, hatte Lenin kennengelernt und handelte einige für ihn selbst äußerst lukrative Barter-Geschäfte aus, bei denen er Getreide gegen Pelze, Kaviar und wohl auch Fabergé-Eier tauschte.

"Marxistische Ausstellung"

Kaum, dass sich jemand gegen diesen Ausverkauf auflehnte. Tony Faber beschreibt in dem Buch Fabergé's Eggs, wie ein russischer Museumsdirektor in einem Brief an das zuständige Bildungsministerium die Verkäufe beklagte und darauf hinwies, dass hier eine einzigartige Sammlung für immer zerstört werde. Künftig werde es "unmöglich, mit den Eiern eine marxistisch-leninistische Ausstellung zu bestücken." Solche Dialektik half jedoch nichts, im Gegenteil. Allzu pointierte Opposition gegen die Verkäufe konnte als konterrevolutionär gebrandmarkt werden und den Tod bedeuten. Schlussendlich befanden sich von den einst 50 Eiern der Romanow-Familie nur mehr zehn in Russland. Doch auch die Geschäfte im Westen verliefen eher schleppend. Weltwirtschaftskrise und Zweiter Weltkrieg brachten es mit sich, dass kein rechter Markt für die Preziosen entstand. Schwung in die Sache kam erst in den prosperierenden Nachkriegsjahrzehnten. Eher zufällig kaufte der amerikanische Herausgeber des Wirtschaftsmagazins Forbes, Malcom Forbes, ein Zigarettenetui aus dem Hause Fabergé. Angetan von der Qualität der Arbeit, wurde er auf die Ostereier aufmerksam.

Gemäß seinem Lebensmotto "Der, der die meisten Spielsachen hat, gewinnt" , legte er im Laufe der Zeit seinen Ehrgeiz darin, mehr Ostereier zu besitzen als der Kreml. Diese Besessenheit ließ die Preise für die Eier in die Höhe schießen. Wie sich nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Öffnen der Archive herausstellte, hatte Forbes es mit seinen zwölf Eiern nicht ganz geschafft, den Kreml zu überrunden: Einige seiner Akquisitionen waren sogenannte "nichtkaiserliche" Arbeiten. Fabergé hatte, selten aber doch, auch für andere Kunden als den Zaren Ostereier gefertigt - so für den russischen Goldminenbesitzer Alexander Kelch oder Emanuel Nobel, den Bruder Alfreds.

Nach dem Tod von Forbes sollte die Sammlung bei Sotheby's versteigert werden. Bevor es dazu kam, schlug der russische Oligarch Wiktor Wekselberg um 100 Millionen Dollar zu. Er wolle das große russische Erbe zurückholen, erklärte er, und sicherte sich damit Wohlwollen in Moskau. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD/Printausgabe 30.3.2010)