Ein triftiger Grund für einen Besuch in der Cantina dei Cacciatori in Monteu Roero: Carne Cruda Albese. 

Cantina dei Cacciatori
Villa Superiore 59
Monteu Roero
0039 0173 90815
Ruhetag: Montag, Dienstagmittag
Ordentlich Essen, beinahe maßvoll Wein, Kaffee, Wasser für zwei: 109,50 Euro.

 

Foto: Fidler

Eingelegtes und frittiertes Gemüse und Ei: eine Veggie-Vorspeis.

Foto: Fidler

Klein, aber fein: Das müsste das Tortino mit Mozzarella gewesen sein.

Foto: Fidler

Zucchini-Risotto ist gut, aber kein Vergleich mit...

Foto: Fidler

...Eierschwammerl auf Tajarin. Das sah dann auch die Vegetarierin ein - und bestellte sie nach.

Foto: Fidler

Dieses Kaninchen war einmal grau und kam aus einem Slowfood-Förderkreis, den ich leider verdrängt habe. Viel wichtiger: Auf dem Teller war es ausgesprochen saftig.

Foto: Fidler

Schöner schlafen, ein ausdrücklicher Schmecks-Tipp:

Relais Corte dei Rotari
Via XXXV Aprile 5
Monteu Roero
http://www.cortedeirotari.it/

Foto: Fidler

Gegenschuss: Der Blick Richtung Kirche und Hauptplatz von Monteu Roero, mangels Weitwinkel halt ein bisserl eingeschränkt.

Foto: Fidler

Ich schulde Ihnen noch angenehmere Nächte als in Pontboset, als zwischen Katzenstank, Flussrauschen und Omabett. Und weil gerade November ist und das Piemont nicht mehr weit, war in der Schmecks-Zeitrechnung ohnehin höchste Zahnradbahn, endlich wieder einmal auf Fidlers Wahlheimat zu schreiben zu kommen. Da fügt sich eins ins andere.

Walderdbeeren!

Schöner schlafen geht natürlich nicht ohne besser essen. Wobei, das ist nun wirklich keine Kunst im Vergleich zu Pontboset. Wenn man von den Himbeeren absieht. Aber selbst die toppt die Cantina dei Cacciatori lässig mit dem Sorbet von Fragoline. Die Walderdbeeren mussten zwar definitiv weiter reisen als ihre Verwandten im Aostatal (auch das keine Kunst bei wenigen Metern von Strauch zu Tisch). Aber kein Kilometer umsonst, fand ich in Monteu Roero.

Roh sei das Fleisch

Die aromatischen Winzlinge kamen aus Sizilien nordwärts, und weil der November auch dort nach meiner Ferndiagnose trotz Erderwärmung kein klassischer Erdbeermonat ist, können sie messerscharf schließen: Es ist schon ein paar Tage her, dass der Fidler das Roero heimgesucht hat, um zu essen und zu schlafen. Aber: Ich habe keinen Grund zu zweifeln, dass es ein paar Wochen später nicht mehr so fein ist. Nach dieser Offenlegung: Bitte keine Beschwerden über so gar nicht saisonales Angebot. Obwohl – so saisontypisch war's nun auch wieder nicht.

Aber der Reihe nach: Den Gruß aus der Küche identifiziere ich Dilettant als Ei mit Erdapfel, warm, simpel, nett, gut. Carne Cruda hätte ich schmerzlich vermisst, wenn ein Menü im Piemont darauf verzichtet, in diesem Fall ganz besonders. Die Vegetarierin an meiner Seite hätte das von ihrem eingelegten und frittierten Gemüse mit Ei vielleicht nicht so zwingend behauptet (ich schon gar nicht), erfreut wirkte aber auch sie.

Rollende Rammler

Richtig froh (abgesehen vom Arneis, aber das ging mir genauso) wurde sie beim Tortino von Melanzani und Mozarella, ich kann dieses Gefühl (neben dem Arneis) mit meiner Kaninchen-Rotola, praktisch Presswurst mit Balsamico und Öl vom kleinen Nager, absolut nachvollziehen. Ein bis zwei von drei möglichen Rufzeichen in der Schmecks-Wertung.

Ihr Zucchini-Risotto als Primo hielt ich für die falsche Entscheidung, aber die Eierschwammerl auf Tajarin hatte ich ja schon bestellt. 32 Eier auf ein Kilo Mehl, wenn ich das Personal richtig verstanden habe, nach meiner etwas groben Erinnerung neuer Piemont-Rekord. Ich möchte dieses Rezept den übrigen 137 Osterien im roten Führer dringend zur Nachahmung empfehlen.

32 Eier

Den Fehler hat meine Freundin natürlich blitzartig erkannt. Nur: Eierschwammerl gegen Zucchini, Tajarin gegen Risotto, das tschundert selbst beim Gentleman in mir durch alle Verständnisgrenzen. Aber wenn meine Freundin, die eigentlich nach dem Primo nicht mehr können wollte, mich so ansieht, dann lauf ich in die Küche und bestell noch rasch eine halbe Portion von Eierschwamm und -nudeln. Sie wollte keine ganze Portion. Ein Fehler, fand ich.

Aber selbst schuld, dass sie nur ein halbes Einsehen hat (ich hätte mich für die zweite Hälfte schon geopfert, notfalls, versteht sich). Doch darüber lass ich mir keine grauen Haare wachsen (ginge eh kaum mehr), und überlasse das den Kaninchen aus einem mir nicht mehr erinnerlichen Slow-Food-Förderkreis, die eben diese Haarfarbe auszeichnen soll. Ich kann das glücklicherweise auf dem Teller nicht mehr nachvollziehen, vermute aber ausgesprochen glückliche Felltiere. So saftig, wie sie sich vom etwas trockenen Verwandten am Großen St.-Bernhard-Pass unterschieden. Nahe Verwandte, nicht die mit dem Fässchen um den Hals. Deren Artgenossen wiederum isst man ja angeblich etwas weiter nordwestlich noch, hab ich dort aber leider noch nicht probiert.

Über die Schlucht

Doch ich schweife ab, von den Fragoline hab' ich ihnen schon vorgeschwärmt, also: Zeit für die Heia. Eine ansehnliche Schlucht (Sandstein?) durchzieht Monteu Roero, aber die Brücke zurück finden wir schon noch. Nun sagen Sie: Schöner schlafen ist doch keine Kunst, wenn man ein so leichtes Abendessen mit dem einen oder anderen Glas an Verdauungshilfen (wissenschaftlich äußerst fraglich) begleitet. Stimmt schon, unser Urteil allerdings fällten wir schon vor dem Essen, ausgesprochen nüchtern betrachtet also.

Ein so überausgestattetes, großes, durchaus geschmackvolles Zimmer in einem charmanten Haus mit Kirchenblick wie im Relais Corte dei Rotari samt (bis auf den prachtvollen Caffè) angenehm unitalienisch-üppigen Frühstück im Café direkt darunter hab ich wirklich noch selten erlebt für schlanke 80 Euro. Wir vermuteten erst: pro Person. Dass ich doch ein bisschen unruhig geschlafen hab, liegt vermutlich am ausgelassenen Digestif. Aber gewiss nicht an den 32 Eiern unter dem Haufen herrlicher Eierschwämme. Von denen träum ich noch heute sehr angenehm.