Neugebauer will explizite Anerkennung für alle Wehrmachtsdeserteure, denn Desertion damals war etwas anderes als heute.

Foto: Hendrich

Wien - Der Zweite Präsident des Nationalrats, Fritz Neugebauer, hat kein Verständnis dafür, dass Deserteure aus der deutschen Wehrmacht noch immer nicht rehabilitiert sind. Und er kann auch jene Bedenken nicht nachvollziehen, die darauf verweisen, dass Desertion schließlich in jeder Armee und auch heute noch ein strafwürdiges Delikt ist. Dahingehend hatte sich in der Vorwoche ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer geäußert.

Neugebauer im Gespräch mit dem Standard: "Es ist schon richtig, dass Desertion auch heute noch ein Delikt ist. Aber man kann das Militär eines demokratischen Staates wohl nicht mit dem vergleichen, für welche politischen Zwecke die Wehrmacht eingesetzt wurde. Da sind ja wohl Welten dazwischen." Der Zweite Nationalratspräsident liegt damit auf einer Linie mit Präsidentin Barbara Prammer. Sie hatte, ebenso wie die Grünen, Druck gemacht, damit die Deserteure aus der Wehrmacht in das Anerkennungsgesetz 2005 aufgenommen werden, das damals unter der Regierung Schüssel beschlossen wurde.

Mehr als zehn Jahre nach einem Entschließungsantrag des Nationalrats, "die historische Aufarbeitung der Verurteilungen von Österreichern durch die nationalsozialistische Militärgerichtsbarkeit" zu veranlassen, könnte den wenigen überlebenden Deserteuren späte Gerechtigkeit zuteil werden.

Neugebauer, der auch den Ehrenschutz über die Ausstellung Was damals Recht war übernommen hat, will bei Justizministerin Claudia Bandion-Ortner erreichen, dass ihr Ministerium rasch eine entsprechende Gesetzesnovelle vorlegt: "Auflehnung gegen ein Unrechtsregime, wie es die Wehrmacht im Vollzug gewesen ist, ist ein Akt des Widerstands. Da kann es keinen Zweifel geben, dass dem Verhalten Respekt zu zollen ist - und die Rehabilitierung explizit zu erfolgen hat." Und das gelte selbst für jene (Ausnahme-)Fälle, in denen die Desertion damit verbunden war, dass ein dem NS-Regime treuer Kamerad getötet wurde - eine FPÖ-Argumentation, die gegen eine pauschale Rehabilitierung ins Treffen geführt wurde.

Neugebauer: "Es geht darum, das Bewusstsein zu schärfen, dass die Desertion aus der Wehrmacht Widerstand war - und nicht Einzelfälle zu prüfen." (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 7.9.2009)