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Der Gipfel ist da - das Ziel noch außer Sichtweite

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Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich beim EU-Krisengipfel in Brüssel im Grundsatz auf das seit Monaten umstrittene Energiepaket im Umfang von fünf Milliarden Euro geeinigt. "Das Paket steht als großes und ganzes", hieß es in EU-Ratskreisen am Donnerstagabend.

Diplomaten ergänzten, einige "technische Fragen" seien noch offen. Es sei wahrscheinlich, dass diese später von den EU-Botschaftern behandelt würden. Die Investitionen in die Projekte müssten bis 2010 erfolgen, dies entsprach einer Forderung Deutschlands. Die unter Federführung der OMV geplante Erdgaspipeline "Nabucco" soll mit 200 Mio. Euro gefördert werden. Für Energieprojekte wie Gas- und Stromverbindungen, Windparks und Kohlendioxid-Speicher sind in Summe 3,975 Milliarden Euro vorgesehen. 1,025 Milliarden Euro sollen flexibel für Breitband und für die Landwirtschaft bereitstehen.

Bankgeheimnis

Eigentlich wollten Österreich und Luxemburg die Steueroasen-Debatte mit der Durchlöcherung des Bankgeheimnisses beenden, doch am Donnerstag verlief der EU-Gipfel genau in die gegenteilige Richtung. Das seit Tagen zwischen der Schweiz und Deutschland mit ziemlich harten Bandagen geführte Scharmützel schwappte nach Brüssel über.

Erst sah sich Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, der nicht nur wegen seines Vorsitzes der Eurozone als Schwergewicht unter den Staats- und Regierungschefs gilt, zu einer Parade veranlasst: Er verwahrte sich gegen die Erstellung schwarzer Listen von Steueroasen, insbesondere wenn EU-Mitglieder darauf gesetzt würden. Und Juncker fuhr fort: "Ich wäre dankbar, wenn man in Deutschland nicht so täte, als ob Luxemburg und Österreich unter dem deutsch-französischen Zangengriff zusammengebrochen wären."

Während Bundeskanzler Werner Faymann Junckers Auffassung teilte und seine Amtskollegen vor Schuldzuweisungen warnte, hielt Deutschlands Regierungschefin Angela Merkel an der Strategie fest, unzureichend kooperierende Staaten an den Pranger zu stellen. "Es ist richtig, Ross und Reiter zu nennen" , erklärte sie in Anlehnung an ihren Finanzminister Peer Steinbrück, der vom Ausreiten der Kavallerie gegen die Indianer gesprochen hatte.

Schweizer Nazi-Vergleich

Am heftigsten war freilich das Fernduell zwischen der beim EU-Gipfel nicht vertretenen Schweiz und Deutschland, das von Steinbrücks Verbalattacken auf die Eidgenossenschaft ausgelöst worden war. Der Schweizer Christdemokrat Thomas Müller verstieg sich laut Reuters zu dem Satz, der deutsche Minister erinnere ihn an "jene Deutsche, die vor 60 Jahren mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde durch die Gassen gegangen sind". Worauf sich Steinbrück wiederum bitter über den Nazi-Vergleich beklagte.

Angesichts dieser Auseinandersetzungen gerieten die eigentlichen Themen des Gipfels - insbesondere die Bekämpfung der Rezession - zum Nebenschauplatz. Während die USA wie berichtet ihre Banknotenpresse anwerfen und weitere 1000 Mrd. Dollar (762 Mrd. Euro) in die Wirtschaft pumpen, wollen die EU-Staaten vorerst keine neuen Konjunkturpakete schnüren.
Der tschechische Ministerpräsident und EU-Ratschef Mirek Topolánek sowie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso wiesen am Donnerstag Rufe nach neuen Konjunkturpaketen zurück. Viele nationale Programme steckten noch mitten in der Umsetzung, sagte Topolánek. "Wir wissen noch nicht, wie diese wirken. Deshalb hat es keinen Sinn, neue Konjunkturpakete einzuführen."

Barroso ergänzte, Europa müsse sich nicht schämen für das, was es schon auf die Beine gestellt habe. Einschließlich der Sozialleistungen belaufe sich der staatliche Impuls für die Wirtschaft auf bald vier Prozent der Wirtschaftsleistung. Europa sei dank seiner Sozialsysteme stärker als andere Regionen der Welt. Die US-Regierung mobilisiert 5,5 Prozent und hatte erst vor kurzem die Europäer zu stärkeren Anstrengungen aufgerufen.

Angela Merkel hat ebenfalls weiteren staatlichen Konjunkturprogrammen eine klare Absage erteilt. "Wir haben unseren Beitrag jetzt erst einmal geleistet, und der muss wirken" , sagte sie in einer Regierungserklärung zu den EU- und G20-Gipfeln. Ein "Überbietungswettbewerb von Versprechungen" werde keine Ruhe in die wirtschaftliche Entwicklung bringen. Merkel verwies darauf, dass die deutschen Konjunkturprogramme 80 Mrd. Euro umfassten und damit 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das sei ein Großteil der 400 Mrd. Euro, die die EU insgesamt für die Stützung der Konjunktur ausgebe. "Wir leisten Überdurchschnittliches" , sagte die Kanzlerin.

Faymann hat sich für eine Verdoppelung des EU-Zahlungsbilanzhilfefonds für Nicht-Euro-Länder - vor allem in Mittel- und Osteuropa - in finanziellen Schwierigkeiten ausgesprochen. "Wir haben immer gesagt: verdoppeln", sagte er. Der Krisenfonds ist derzeit mit einer Obergrenze von 25 Mrd. Euro versehen, davon sind bereits fast zehn Mrd. Euro zur Unterstützung von Ungarn und Lettland vergeben. (Michael Moravec und Andreas Schnauder aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 20.3.2009/APA)