Köln - Am zweiten Tag nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs beginnt, neben der Sicherung des Unglücksorts (umliegende, gefährdete Gebäude wurden am Donnerstag abgerissen) und der Suche nach zwei vermissten Männern, auch die Ermittlung des sachlichen und kulturellen Schadens.

Der Bau unweit des Rheins war erst vor knapp vierzig Jahren eigens für die Zwecke eines kommunalen Archivs errichtet worden und galt als vorbildlich. Dabei spielten geologische Bedingungen aber keine Rolle. Inzwischen spricht man in Köln von zahlreichen Fällen der jüngeren Zeit, die darauf hinweisen, dass der umstrittene Bau der U-Bahn vom Hauptbahnhof nach Süden entlang der linken Seite des Rheins die Fundamente in der Umgebung in Mitleidenschaft gezogen habe.

Das Kölner Stadtarchiv hatte in den fast 800 Jahren seines offiziellen Bestehens (die erste Erwähnung datiert von 1322) zahllose Dokumente der neuzeitlichen Entwicklung der Stadt überliefert: vor allem Urkunden, aus denen sich das bürgerliche Leben detailliert nachvollziehen lässt.

Seit 1367 waren Briefbücher vorhanden, in denen die Korrespondenz mit anderen Fürstentümern, Freistädten und politischen und wirtschaftlichen Größen in Mitteleuropa festgehalten war. Im 19. Jahrhundert wurde dem Archiv etwa der Nachlass des Dombaumeisters Ernst Zwirner hinzugefügt - eine Schenkung aus der Bürgerschaft.

Heinrich-Böll-Nachlass verloren

Und bis in die Gegenwart hinein waren es immer wieder Architekten, die Material lieferten. Viele Bestände gingen auf die Rolle der Stadt im kulturellen Leben des Landes zurück. So ist Köln etwa wichtiger Verlagssitz (von Kiepenheuer & Witsch befanden sich zahlreiche Dokumente bereits im Archiv), und einer der wichtigsten Schriftsteller der Bundesrepublik war ebenfalls mit Köln verbunden: Der Nachlass von Heinrich Böll ist zu großen Teilen verloren. Gegenwärtig ist ungeklärt, wie weit die elektronische Datensicherung dabei bereits gediehen war.

Da der hintere Teil des Hauses noch steht und auch unter den abgerutschten Beständen einiges noch geborgen werden dürfte, wird eine genaue Evaluierung erst in einiger Zeit möglich sein: 18 Regalkilometer Archivguts "von europäischem Rang" (so ein Blogger), darunter zahllose Unikate, müssen überprüft und gesucht werden. (Bert Rebhandl, DER STANDARD - Printausgabe, 6. März 2009)