Kürzlich* hatte ich die zwar formal statthafte, aber inhaltlich mehr als fragwürdige Verfassungsklage des ehemaligen Leiters der Pensionsreformkommission gegen die österreichische Bundesregierung analysiert - und wohl auch "zerpflückt". Prof. Tomandl's Begehren in eigener Sache "im Einvernehmen mit der Gewerkschaft öffentlicher Dienst" provozierte weit verbreitete Empörung bis hin zu unerträglichen Lynch- und Tötungsaufrufen gegen ihn.

Doch abgesehen von blinden Wutreflexen scheint sein Verlangen einer gleichen und "einheitlichen" Pensionsanpassung für seine Spitzenbeamten-Pension wie für ASVG-Pensionen vielfach unhaltbar - und (aus nachvollziehbarem, aber fehlgeleitetem Eigeninteresse) auch falsch argumentiert und voller Fachirrtümer.

Auch aus der Judikatur des Höchstgerichts lassen sich gerade unter den von Tomandl beschworenen Prinzipien der "Gleichheit" und der "Beitragsgerechtigkeit" - die tatsächlich geheiligte Leitgrundsätze aller Pensionsreformen sein sollten (und auch von einer überwältigenden Mehrheit der Österreicher/Innen so gesehen werden) - keinerlei Rechtfertigung für sein Begehr finden, eine volle Wertsicherung seiner 7.000 Euro Pension zu erzwingen.

Daraus folgen unmittelbar drei weitere, grundsätzliche Probleme. Erstens dürften etwaige nicht unwahrscheinliche formale Verfahrensfehler der alten Bundesregierungen (2000-2008) nicht als billiger Vorwand für ein Stattgeben einem dem Grunde nach unhaltbaren standespolitischen Begehren einer privilegierten Minderheit benutzt werden. Zweitens darf aber auch das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet und die sehr ernste Problematik einer vollen Wertsicherung aller Pensionen im Hinweis auf Pensionshöhen einfach weggewischt werden.

Drittens wiegt der Umstand, dass sich oberste Richter pensionsrechtlich im selben Statusboot befinden wie beamtete Professoren, sehr schwer. VGH-Richter sind zusätzlich noch in der besonders schwierigen, extrem schmerzlichen oder glücklichen Lage, hier wortwörtlich "in eigener Sache" nicht nur argumentieren zu dürfen, sondern tatsächlich entscheiden und sogar letztinstanzlich richten zu müssen.

Praktisch müssten sich die Höchstrichter selbst sehr schmerzvolle (über die Pensionsdauer bis zu mehrere tausend Euro monatlich) "Einkommensverluste" gegenüber haltlosen Politikerversprechen als "sachlich gerechtfertigt" und "angemessen" bescheinigen. So viel Mut zu selbstloser Wahrheitsliebe und Gerechtigkeit von Vornherein auszuschließen bedeutete eine Pauschalverdächtigung gegen den Richterstand oder die Höchstgerichte und eine Ehrenbeleidigung unserer obersten Rechtssprechungsorgane.

Immerhin ist die Situation der VGH-Richter vergleichbar mit der delikaten Lage von Politikern und Beamten, die in eigener Sache Gesetze zu Politikereinkommen und Beamtenpensionen beschließen müssen - außer dass sie im Gegensatz zu Politikern nicht abgewählt, ja kaum öffentlich kritisiert werden. Wir können nur hoffen, dass sie diese entscheidende Funktions- und Charakterprobe der Würde und Bedeutung ihres Amtes entsprechend bestehen und ständische Eigeninteressen und kurzsichtige Erwartungen der eigenen Kollegenschaft und Standesvertretung souverän beiseite lassen. (Bernd Marin/DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2009)