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Laut Ministerin Maria Fekter hat die tschetschenische Flüchtlingsfamilie Personenschutz der Polizei abgelehnt

Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

"Chechenpress" veröffentlichte eine Todesliste

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Im Fall des erschossenen Politflüchtlings bringt die Innenministerin ihr eigenes Ressort unter Druck. Ihre Behauptung, dass die tschetschenische Familie Polizeischutz abgelehnt habe, kann niemand bestätigen - Von Michael Möseneder und Michael Simoner

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Wien - Die Hintergründe der Ermordung des tschetschenischen Flüchtlings Umar I. (27) werden immer verworrener. Die Staatsanwaltschaft will die teilweise widersprüchlichen Angaben aus dem Innenministerium nicht kommentieren. Nur eines sei sicher: Nicht alles, was in den vergangenen Tagen kolportiert worden sei, könne stimmen. Was wirklich wahr sei, stehe aber noch nicht fest.

Mögliche Klage

Vor allem auf die Frage im Zusammenhang mit polizeilichem Personenschutz für das spätere Mordopfer gibt es derzeit divergierende Angaben. Unmittelbar damit hängt die heikle Bewertung zusammen, ob der Staatsschutz das Bedrohungsszenario unterschätzt habe. Daran ist wiederum die Möglichkeit der Hinterbliebenen geknüpft, die Republik auf Schmerzensgeld zu klagen.

Überraschende Fekter-Aussage

Zur Erinnerung: Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) deutete am Dienstag vor dem Ministerrat überraschend an, dass Umar I. Polizeischutz abgelehnt habe. Bis dahin hatte es geheißen, dass der junge Mann, der im Herbst 2004 mit seiner Familie vor dem Regime des tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow geflüchtet war, zwar mitgeteilt habe, dass er sich fürchte. Die Angaben seien aber zu wenig konkret gewesen, um Polizeischutz zu gewähren.

Todesliste Propaganda

E-Mails von I.s Flüchtlingsbetreuer beweisen immerhin, dass sich der junge Tschetschene beobachtet gefühlt hat. Und der Vater des Ermordeten erklärte öffentlich, dass sein Sohn direkt in Österreich von tschetschenischen Staatsbürgern bedroht worden sei. „Die Hinweise auf eine mögliche Bedrohung waren einfach zu dünn", wiederholte Ministeriumssprecher Rudolf Gollia am Mittwoch auf Anfrage des Standard. Dass die Familie Polizeischutz abgelehnt habe, konnte er nicht bestätigen.

"Todeslisten"

Umar I. wurde am 13. Jänner um die Mittagszeit in Wien-Floridsdorf auf offener Straße erschossen. Dass sich sein Name auf zwei ominösen "Todeslisten" befand, gilt mittlerweile als gesichert. Doch auch die genaue Herkunft der Listen ist nach wie vor unklar: Die erste soll angeblich rund 300 Namen beinhalten, sagte ein tschetschenischer Staatsbürger, der im Vorjahr Umar I. zur Rückkehr in die russische Teilrepublik bewegen wollte und später wieder verschwunden ist.

Die zweite Liste mit 2500 angeblichen "Todeskandidaten" befindet sich auf der Internetseite von chechenpress.org. Umar I. ist dort unter der Nummer 499 eingetragen. Das Innenministeriums schätzt diese Liste als Propagandamaterial der tschetschenischen Exilregierung in London ein.

Das Magazin News berichtet, dass Umar I. im Oktober 2007 unter Schlepperverdacht geraten sei. Das Verfahren wurde aber laut Staatsanwaltschaft Korneuburg ein halbes Jahr später eingestellt. (Michael Möseneder und Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe 22.1.2009)