Als hätte man als radfahrender Stadtmensch nicht schon genug zu leiden: Taxilenker, die auf den Sicherheitsabstand pfeifen, Lkw-Fahrer, die nicht schauen, ob ein Radfahrer hinter ihnen herfährt, bevor sie abbiegen, Fußgänger, die mitten auf dem Radweg spazieren gehen - das tägliche Wadeltraining an der frischen Luft wird in Wien oft genug zur Nervenprobe. Und jetzt will die Wiener ÖVP jenem Teil der Bevölkerung, der gern platz- und umweltschonend unterwegs ist, auch noch unpraktische Warnwesten aufnötigen. Weder Politiker anderer Couleurs noch Verkehrsexperten halten das für eine gute Idee.

Das ändert aber nichts am Umstand, dass in Wien das Thema Radeln tendenziell noch immer diskutiert wird, als müssten Radfahrer froh sein, dass sie überhaupt am Verkehr teilnehmen dürfen. Obwohl es zuletzt einige Unfälle gab, bei denen Radfahrer von Autos über den Haufen gefahren wurden, ohne dass die Radler eine Verkehrsregel missachtet hätten, sind Politiker und Verkehrsexperten sofort mit guten Tipps für sicheres Radfahren zur Stelle. Warum fordert nach einem solchen Unfall kaum jemand mehr Rücksicht von Kfz-Lenkern?

Natürlich gibt es auch Radfahrer, die sich nicht um die Sicherheit anderer scheren. Doch keinem anderen Verkehrsteilnehmer wird ein Vergehen so übelgenommen.
In regelmäßigen Abständen liefern Stadtpolitiker neue Vorschläge für Verhaltensregeln. Für Lkw-Fahrer oder Taxilenker denkt sich nie jemand einen Benimmkodex aus. Da reicht die herkömmliche Verkehrsordnung offenbar aus -, obwohl diese Straßenbenützer anderen schneller gefährlich werden können als Radfahrer. (Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe 20.1.2008)