User Michael K. (links) als running mate für Rainer Schüller. Das dazugehörige Laufprotokoll befindet sich rechts auf dieser Seite.

Die Investor-Chefin: bis zum Schluss federleicht. Reginas Laufprotokoll >>>

Nur 54 Minuten! Die schnellste Schreibmaschine hier in der Bildmitte mit Sonnenbrille. Martins Laufprotokoll >>>

Nicole hat sich ein Eis verdient. Ihr Laufprotokoll >>>

So sehen SiegerInnen aus: Das Team Schreibmaschine in München (Der Streber Putschögl war schon unter der Dusche).

Beim Human Race in München ging auch eine Abordnung von derStandard.at an den Start. Mit dabei waren: Rainer Schüller (Erfolgreicher Chef vom Team Schreibmaschine und Gewinner der derStandard.at-Challenge), Regina Bruckner (Investor-Ressortleiterin), Martin Putschögl (Investor-Redakteur), Nicole Bojar (Leichtsinn-Redakteurin), Klaus Weinmaier (Content Solutions) und drei UserInnen (von denen nur Michael K. nicht gänzlich anonym bleiben wollte). Die Laufprotokolle von vier Team-Mitgliedern:

Rainer Schüller

Kilometer 1:

Ich starte ungedehnt in das Rennen, um meine Muskeln zu schockieren und sie damit schneller zu machen. Ein aus Österreich mit eingeschlepptes Schlafmanko bereitet mir Sorgen. Ich gehe es deshalb locker an und versuche das Feld von hinten aufzurollen. Was ein wenig schwierig ist, weil mir die Roten und Rotinnen den Weg versperren.

Kilometer 2:

User Michael steigert das Tempo. Da muss ich mit. Einfach die Schrittfrequenz erhöhen und vor allem: Ruhe bewahren. Mein ganzer Lauf spielt sich im Kopf ab. Für meinen Körper kenne ich keine Gnade.

Kilometer 3:

Michael, sollten wir nicht ein wenig langsamer machen? Nein? Na gut. Meine Haare beginnen den Schweiß der Kopfhaut aufzusaugen, was Vor- und Nachteile hat. Vorteil: Sie fallen mir nicht mehr bei jedem Schritt ins Gesicht und behindern so meine Sicht beim Überholen. Nachteil: Ich fühle mich schwerer und schwerer.

Kilometer 4:

Ich habe mich mental in Michael hinein versetzt. Was nicht schwer war, weil ich unsere User kenne. Wir sind nun eine Person. Links, Rechts, Links, Rechts, Atmen, Links, Rechts, Links, Rechts, Atmen. Eine einzige Laufmaschine, die durch Münchens Vorstadt dampft. Wir kämpfen uns stetig nach vor, ich spiele mit dem Gedanken, die Führung zu übernehmen. Das Publikum jubelt nur mir zu.

Kilometer 5:

Mir geht es gut! Ich bin in Sicherheit! Mir geht es gut! Mrr gt ss gtt! Mrrgttt! „%$tt!! Verdammt, Michl – ich derblas das nimmer! Zwei Viertel Wasser retten mir beim Siegestor das Leben. Ein drittes schütte ich mir ins Gesicht und über den Kopf. Weil das die anderen auch so machen. Nachteil: Ich fühle mich noch schwerer.

Kilometer 6:

Michael hat sich von mir getrennt. Ich lasse ihn ziehen und zieh ab sofort mein eigenes Ding durch. Allein.

Kilometer 7:

Ich fühle mich so allein. Wo ist Michael bloß? Wie konnte er mir das antun? Mein Running-Mode-Mental-Laufprogramm stürzt plötzlich ab und der Körper meldet sich zurück. Dem Publikum, das vom Straßenrand "Ihr macht's das super – nur mehr ein paar Kilometer" reinschreit, glaub ich kein Wort. Ich stelle mir vor, dass einige davon Bayern-München-Fans sind und bekomme Panik-Attacken.

Kilometer 8:

Ich fixiere eine vor mir laufende Person, um das Running-Mode-Mental-Laufprogramm zu resetten. Es funktioniert aber nur kurz. Links passiere ich das Rote Kreuz und bin fest davon überzeugt, eine Herzmuskel-Störung zu spüren. Was, wenn ich jetzt einen Herzinfarkt habe? Was, wenn die Lunge den Geist aufgibt? Nur vollste Konzentration auf die vor mir laufende Person und regelmäßiges lautes Ausatmen verhindern eine Katastrophe.

Kilometer 9:

Noch zwei Kilometer. Langsam finde ich mich damit ab, dieses Rennen doch nicht als Sieger zu beenden. ScheißderHunddrauf! Ich reduziere das Tempo, soweit das bei diesem Tempo noch geht.

Kilometer 10:

Sehr geehrte Veranstalter und Veranstalterinnen. Das war kein Kilometer, das waren mindestens vier. Ich überlege eine Klage beim IOC oder mindestens beim Internationalen Strafgerichtshof. Nur diese mutmaßliche Regelwidrigkeit hat mich den Sieg gekostet. Trotzdem gab es ein Happy End: Der Michael war wieder da. Er war in der Zwischenzeit am Klo (und vermutlich auch im Kino und Essen) und hat vor dem Zieleinlauf auf mich gewartet. Es gibt auch noch gute Exemplare der menschlichen Rasse. Gemeinsam sind wir ins Olympia-Stadion eingelaufen und an der Ziel-Linie habe ich ihn überholt. Von einem User geschlagen zu werden, wäre schließlich das Allerletzte gewesen.

Fazit

Laufzeit: Abgerundet eine Stunde.

Erkenntnis: Wenn alle Menschen äußerlich gleich ausschauen, dann zählen nur mehr die inneren Werte (Eingebung bei Kilometer 4.7).

Regina Bruckner

Kilometer 1:

So haben wir uns das nicht vorgestellt: Gestartet wird im Gehen. Zeit, um sich eine Strategie zu überlegen – spät, aber doch. Durchhalten bis zum Ende? Angesichts der Herausforderung nicht eben beeindruckend, also gute Figur machen. Darauf kann sich die Damenrunde, die sich tempomäßig eins fühlt, schnell einigen. Unser Ziel: Ebendort ästhetisch einzulaufen.

Kilometer 2:

Schön langsam kommen die Vordermänner und –frauen ins Laufen. Wir auch. Elegant wie die Antilopen – wenn auch in Zeitlupe – bewegen wir uns vorwärts. Der Applaus des Publikums, das den Straßenrand säumt, kann nur uns gelten. Kein Zweifel, wir haben uns für die richtige Strategie entschieden. In einer Welt, in der es um Rekorde geht, haben wir etwas beizusteuern.

Kilometer 3:

Schön langsam laufen wir uns ein. Die Bewegungen werden geschmeidiger – wir bewegen uns in einem Tempo, das gerade noch als Laufen durchgehen darf. Aber man weiß ja nie. Das Ziel ist noch weit entfernt, die erste Labestelle noch lange nicht in Reichweite. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hecheln die ersten bereits dem Ziel entgegen. Mit Schweißperlen auf der Stirn und vor Anstrengung verzerrten Gesichtern. Kein Zweifel, wir haben uns für die richtige Strategie entschieden.

Kilometer 4:

Es geht auf die Halbzeit zu. Kurioserweise gilt es an diesem Streckenabschnitt das Siegestor zu passieren. Na, wenn das kein Zeichen ist! Der Schuh fängt an zu drücken. Humpeln kommt nicht in Frage. Zähne zusammenbeißen auch nicht. Sein Ziel darf man eben auch in Extremsituationen nicht aus den Augen verlieren. Würdevoll strecke ich den Kopf nach vorne und bewahre Haltung.

Kilometer 5:

Siegestor umrundet. Der Blick zurück ergibt ein zufrieden stellendes Bild. Rund 9.860 Läufer und Läuferinnen vor – etwa 40 hinter uns. Ein Triumphgefühl stellt sich ein. Das Druckgefühl im Schuh: Vergessen. Meine Mitläuferinnen atmen gleichmäßig. Kaum wahrnehmbar heben und senken sich unsere Brustkörbe. Ebenso gleichmäßig berühren die Füße den Schwabinger Asphalt. Die Gesichtsfarbe unverändert, keine Schweißperle auf der Stirn.

Kilometer 6:

Verführerische Düfte umschmeicheln die Nase. Das eine oder andere Restaurant am Wegrand sieht mehr als verlockend aus. Freundliche Menschen wissen unsere Bemühungen zu schätzen. Applaus, Applaus, aufmunternde Rufe. "Es ist nicht mehr weit zum Ziel", feuern sie uns an. Wenn die wüssten.

Kilometer 7:

Immer noch laufen wir ohne jegliche Anstrengung, beraten die neuen Herbstmodelle in den Schaufenstern der Couturiers. Laufen ist so leicht. Die ersten Mitläufer haben bereits ein bis mehrere Gänge zurückgeschaltet. Wohl oder übel setzen wir zu den ersten Überholmanövern an. Immer bedacht auf die richtige Linie, die ideale Haltung und Contenance.

Kilometer 8:

Schon lange haben wir zwei Drittel des Weges hinter uns gebracht. Nun lässt sich schon einmal ein größeres Projekt ins Auge fassen: Den Halbmarathon in Schönheit und Würde zu absolvieren. Vor unseren Augen taucht bereits die pompöse BMW-Welt auf. Elegant und von bestechender Überheblichkeit. So muss es sein. Vergesst die tradierten sportlichen Werte: Geschwindigkeitsrekorde, Kraftanstrengungen, hässlich verzerrte Gesichter sind passé. Es kann nur um eins gehen: In Anmut die Ziellinie zu überschreiten.

Kilometer 9:

Das Ende naht. Wir werden unmerklich schneller. "Es ist nicht mehr weit", werden wir angespornt. "Nicht aufgeben", ruft man uns zu. Wir werden merklich schneller. Unsere Brustkörbe heben und senken sich deutlich. Der Schweiß tritt uns auf die Stirn. Die federnden Schritte werden ausgreifend. Das weit gespannte Zelt des Olympiastadions breitet sich vor uns aus. Für seine Eleganz haben wir keinen Blick.

Kilometer 10:

Das Ziel vor Augen und doch so fern. Mit vor Anstrengung verzerrten Gesichtern traben wir durch das Marathontor. Gierig Zielluft schnuppernd, lassen wir alle guten Vorsätze weit hinter uns. Die letzten Meter hecheln wir durch das Stadion. Hechten uns ungestüm und unbeherrscht über den Zieleinlauf. Mit hängender Zunge, schweißgebadet und vor Anstrengung verzerrten Gesichtern holen wir unsere Niederlage ein. Besiegt.

Martin Putschögl


Kilometer 1:

Die erste Startkette am gegenüberliegenden Ufer des Olympiasees bilden die (wenigen) Rollstuhlfahrer. Als sie gestartet sind, rückt die ganze erste "Welle" – die Läufer mit einer angepeilten Zeit von unter 45 Minuten – nach vorne. Wegen der vielen Werbebanner sieht man ihre Beine nicht, ihre roten Leiberln tun das ihre dazu, dass die ganze Szenerie der Vorwärtsbewegung eines Regenwurms recht nahe kommt. Zehn Minuten nach dem ersten Startschuss um 18 Uhr überqueren wir die Startlinie. Wir, das sind Romana aus Kasern (Salzburg) und ich, die sich eine Zeit von unter 55 Minuten vornehmen.

Kilometer 2:

"Einen haben wir schon", sage ich zu Romana. Sie hat die Aufschrift "KM 1" auf dem Asphalt nicht gesehen, freut sich aber trotzdem. Wie ein Häschen zischt sie dann durch die Reihen der vielen roten Läufer nach vorne. Ich versuche, ihr dicht auf den Fersen zu bleiben, was oft gar nicht so leicht ist. Mehrere Male ist ein kurzer Sprint nötig, wenn ich von langsameren Läufern aufgehalten werde, sie aber bereits eine Lücke gefunden und geschmeidig durch dieselbe hindurchgeschlüpft ist. Ich überlege kurz, ob mir diese Zwischenspurts nicht über kurz oder lang konditionsmäßig das Genick brechen können.

Kilometer 3:

"An der Strecke befinden sich alle 2,5 Kilometer Verpflegungsstellen mit Wasser", hieß es in der Starterinfo. Etliche Plastikbecher liegen hier auf dem Boden, aber Wasser sehe ich keines. Eine Minute später spricht auch Romana die traurige Wahrheit an: Es gab hier kein Wasser. Erste erlangte Münchener Weisheit: In Fällen wie diesen tritt sofort das Beckett'sche Motto in Kraft – "Weitermachen!"

Kilometer 4:

Langsam spüre ich das im Vergleich zu meinen Trainingsläufen doch recht hohe Tempo, das Romana vorgibt und dem ich mehr oder weniger würdevoll zu folgen versuche.

Kilometer 5:

Endlich etwas zu trinken, allerdings nur Wasser und nicht die erhofften isotonischen Getränke. Bananen gibt es auch keine, dabei hätten die gelben Bananenschalen auf dem Asphalt unter den vielen roten Leiberln sicher ein schönes Schüttbild abgegeben. Wir bleiben kurz stehen, um zu trinken. Dann nehmen wir das Tempo wieder auf.

Kilometer 6:

Das Wasser hat gut getan, ich halte Romanas Tempo jetzt wieder mühelos mit, und es scheint nicht so, dass sie es gedrosselt hätte. Jetzt geht es den ganzen Weg, den wir bisher gelaufen sind, wieder retour. Hinter der Absperrung in der Fahrbahnmitte die vielen tausend Läuferinnen und Läufer zu sehen, die hinter uns liegen, spornt an, das soll hier nicht verheimlicht werden.

Kilometer 7:

Langsam fange ich an zu begreifen, was hier abgeht: Eine Zeit von unter einer Stunde scheint locker möglich, sogar die 55-Minuten-Hürde schickt sich an, übersprungen – oder in diesem Fall wohl besser: regelrecht untergraben zu werden. Souverän setzen Romana und ich nach wie vor einen Fuß vor den anderen. Gelernt ist halt gelernt.

Kilometer 8:

"Wir wolln euch rennen sehn", singen ein paar Scherzbolde am Straßenrand zu jener Melodie, zu der man in der Alpenrepublik üblicherweise "Immer wieder, immer wieder, immer wieder Österreich" jault. Ein Mitlaufender hat noch die Reserven, eine Retourkutsche loszupeitschen, auch wenn seine Schlagfertigkeit selbst schon etwas angezählt ist: "Wir wolln EUCH laufen sehn!" Kurz verirrt sich ein Lächeln auf meine Lippen. Schon konzentriere ich mich wieder darauf, die Straßenbahnschienen unter mir so zu fußhaben, dass ich nicht umböckle, wie man in Wien sagen würde. Meine Knöchel danken es mir still.

Kilometer 9:

Ich fühle mich sensationell gut, auch wenn die Beine schon recht schwer sind. In meinem Kopf schon der Zieleinlauf im Olympiastadion und in meinen Ohren der dazupassende Song, "Bis wir uns wiedersehn" von der Münchner Freiheit. Von der gibt es zwar auch einen Song mit dem Titel "Ihr kommt zu spät", aber… nicht mal dran denken!

Kilometer 10:

Ein kurzer Endspurt geht sich noch aus, dann ist Sense. Romana und ich liegen uns in den Armen. Wir sind beide davon überzeugt, nein: wir wissen, dass wir das alleine nicht geschafft hätten. Den größten Teil des Rennens hat sie mich "gezogen", auf dem letzten Kilometer durfte ich mich dafür revanchieren. Ein großes Rennen, fürwahr! Wir genießen diesen Augenblick. "Bitte weitergehen", sagt dann die gute Seele des Veranstalters am Rand der Laufbahn. München, mon amour!

Fazit

Laufzeit: 54 Minuten 22 Sekunden. Formel zum Erfolg: Ziel ist gleich Dabeisein plus Ehrgeiz zum Quadrat. Zweite erlangte Münchener Weisheit: Nur ein Per Pedes ist ein Per Pedes.

Nicole Bojar

Kilometer 1:

Auf der Gegenfahrbahn sprinten die ersten Läufer Richtung Ziel vorbei. Na super.

Kilometer 2:

Zumindest eine Taktik geht gleich auf: Wer ganz hinten beginnt, wird nicht überholt. Ein gutes Gefühl.

Kilometer 3:

Das Geschäft am linken Straßenrand sieht aus wie eine…Eisdiele. Eine Eisdiele!! Ich will ein Eis! Ich will ein Eis!! Aber meine Kraft reicht nicht aus, um die Straßensperre elegant zu überwinden. Also weiterlaufen. Wie gemein.

Kilometer 4:

Eine lange Gerade führt zur Streckenhälfte. Lange Geraden haben zwei Mankos. Punkt eins, sie sind lange. Punkt zwei, sie sind gerade. Das hebt die Laufmoral nicht unbedingt.

Kilometer 5:

Die erfolgreiche Anfangstaktik (wer ganz hinten beginnt…) erweist sich als Geniestreich: Locker dribbeln wir an den Leuten, die gerade mit Leistungseinbrüchen zu kämpfen haben, vorbei. Selbstzufriedenheit.

Kilometer 6:

Unsere dynamische Lauftrio-Konstellation setzt ihren Siegeszug fort: Auch olfaktorische Ablenkungsmanöver aus Grillstuben und China-Restaurants können uns nicht aufhalten.

Kilometer 7:

Die Frisur hält.

Kilometer 8:

Das Geschäft am rechten Straßenrand sieht aus wie eine…Eisdiele. Eine Eisdiele!! Ich will ein Eis! Ich will ein Eis!! Rügende Blicke meiner Kolleginnen. Also kein Eis. Wie gemein. Weiterlaufen.

Kilometer 9:

Das Olympiastadion ist schon in Sicht. Super! Gefühlte fünf Kilometer später die Einsicht: Verdammt, das Olympiastadion ist ganz schön groß. Zieleinlauf noch nicht in Sichtweite.

Kilometer 10:

Mission erfüllt. So fühlen sich also zehn gelaufene Kilometer an. Super. Krieg ich jetzt ein Eis?

(derStandard.at, 2.9.2008)