Zur Person

Elfriede Kastenberger (61) ist Psychotherapeutin und Ärztin mit Schwerpunkt Psychosomatik, chronischer Schmerz, ärztliche Leiterin der "Interdisziplinären Praxis für Fibromyalgie" und Vorsitzende der AABP (Austrian Association for Body Psychotherapy). 

Foto: Sophie Lesch

STANDARD: Wie unterscheidet sich Körperpsychotherapie von anderen psychotherapeutischen Methoden?

Kastenberger: Wie bei fast jeder psychotherapeutischen Methode ist die therapeutische Beziehung die Grundlage. Im Unterschied zu anderen tiefenpsychologischen, erlebnisaktivierenden Therapieformen geht die KPT aber davon aus, dass Körper und Psyche eine Einheit sind. Wir wissen, dass Körper und Seele in einer ständigen Wechselbeziehung sind, sich beeinflussen.

STANDARD: Was kann der Körper über psychische Störungen oder Erkrankungen aussagen?

Kastenberger: Für die Körperpsychotherapie ist der Organismus die Verkörperung des mentalen, emotionalen, sozialen Lebens. Emotionale Konflikte, verdrängte Gefühle und Bedürfnisse können sich in Körperhaltung, Atmung, Verspannungen, auch in körperlichen Erkrankungen manifestieren.

STANDARD: Wie arbeitet die KPT mit diesen Botschaften?

Kastenberger: In der Therapie ist nicht nur wichtig, was gesagt wird, sondern auch ob Gesagtes, Mimik, Gestik und Stimme zusammenpassen. Unsere Wahrnehmung wird sehr lange geschult, auch durch Selbsterfahrung. Wesentlich ist aber nicht nur, dass ich als Therapeutin etwas erkenne, sondern dass ich Klienten ermögliche, selbst wahrzunehmen, was im Körper vorgeht. Dass sich da eventuell andere Impulse zeigen, als bewusst wahrgenommen werden.

STANDARD: Können Sie das an einem Fallbeispiel skizzieren?

Kastenberger: Jemand erzählt von einer Unterredung mit dem Chef und ballt dabei unbewusst die Faust. Wenn ich darauf hinweise, ist die erste Reaktion meist, dass man die Faust aufmacht und so tut, als wäre nichts gewesen. Es geht aber darum, dass dieser Mensch Zugang dazu bekommt, dass hinter dem neutralen Bericht Gefühle stecken. Um das wahrnehmbar zu machen, lade ich ein, in sich zu schauen, zu spüren, wo dieses Gefühl ist. Wenn ein Druckgefühl im Bereich des Magens ist, geht es darum, dort hinzuspüren, dann werden zu diesem Druck im Magen Gefühle oder Erinnerungen auftauchen. Damit gibt es oft einen Zugang zu verbotenen Gefühlen und verdrängten Konflikten.

STANDARD: In der Körperpsychotherapie ist auch die körperliche Berührung erlaubt.

Kastenberger: Das ist etwas Entscheidendes. Die Spannweite ist aber bei den verschiedenen Richtungen groß. Ob Berührungen eingesetzt werden, hängt von den Klienten ab und auch von der jeweiligen Schule.

STANDARD: Die körperliche Berührung von Klienten ist umstritten ...

Kastenberger: In manchen Psychotherapierichtungen ist taktile Berührung eine Verletzung der Abstinenz, andererseits gibt es anerkannte Richtungen, in denen Berührung zum normalen Setting gehören, wie beispielsweise die Gestalttherapie. Manchmal werden trotzdem bei dem Wort Berührung, taktile, physische Berührung, Fantasien, Ängste frei.

STANDARD: Sie sprechen das Argument der Sexualisierung an?

Kastenberger: Sexualisierung und Invasivität. Man kann aber auch mit Worten berühren, sexualisieren, übergriffig sein. Bei der therapeutischen Berührung geht es um den sehr bewussten und achtsamen Umgang mit Berührung. Klienten erfahren, was Berührung für sie bedeutet: Sie können Spannung im Körper entdecken, ihre körperlichen Grenzen, Kontakt, Nähe, Halt wahrnehmen oder den Wunsch, sich abzugrenzen.

STANDARD: Wie unterscheidet sich die Körperpsychotherapie von Körpertherapien wie Feldenkrais, Cranio-Sacral-Therapie ?

Kastenberger: Bei der KPT geht es um Bewusstwerden und um Integration von Erfahrungen, um Bearbeiten von Übertragungsbeziehung. Die Körpertherapien hingegen wollen Veränderung am Körper über den Körper durch eine Therapeutin erwirken. Im Gegensatz dazu sind es bei der Körperpsychotherapie die Klienten, die ihren Weg zu mehr Gesundheit, Wohlbefinden und Lebendigkeit suchen. Die Therapeutin unterstützt das. (Jutta Berger, DER STANDARD, Printausgabe, 18.8.2008)