Ein junger Vater (Sebastian Thiers), traumatisiert durch den plötzlichen Tod der Kindsmutter, wird in Dennis Kellys Stück
Ein junger Vater (Sebastian Thiers), traumatisiert durch den plötzlichen Tod der Kindsmutter, wird in Dennis Kellys Stück "Der Weg zurück" zum Gründer einer fortschrittfeindliche Bewegung namens Regression.
Nela Pichl

Keine Frage, nicht alle Erfindungen haben ausschließlich Gutes gebracht. Siehe Atombombe, Plastikprodukte, Gentechnik und vieles andere. Es gibt also genug Gründe, sich einem Gedankenexperiment zu widmen, das den Fortschritt rückgängig zu machen versucht. Der britische Autor Dennis Kelly hat es im Auftrag des Berliner Ensembles getan. Im Stück Der Weg zurück stellt sich eine zivilgesellschaftliche Bewegung namens Regression (es bedeutet so viel wie Rückbildung oder Zurückfallen) mit Gewalt gegen alle Fortschrittlichkeit und predigt: "Wissen ist Qual. Nichtwissen ein Segen." Ein etwas simples Motto für eine angestrebte gesellschaftspolitische Wende.

Und darin liegt auch das Problem des Stücks: Die dystopische Erzählung bleibt einseitig und schwer nachvollziehbar. Die Protagonisten buhlen nicht um Verständnis, man entwickelt kaum ein Verhältnis zu ihnen. Von Generation zu Generation wird hier der Fortschrittshass weitergegeben, die Angriffe auf Wissenschaft und Forschung nehmen immer radikalere Züge an. Anschläge auf Genlabore oder Fernsehstudios gehören zum Kampf der Regressionisten.

Die Inszenierung im Theater Drachengasse (Regie: Sandra Schüddekopf) kann diesen leeren Motor nicht verhehlen. Die Bühne von Sophie Baumgartner (auch Kostüme) stellt ein loses Agitationsfeld dar – mit Podest-Elementen samt Baum, einer Hängevorrichtung zum Schaukeln, einer Schreibtafel und zwei Wandleitern. Hierin bewegen sich die vier Darstellenden in wechselnden Rollen mit Schwung: Alicia Peckelsen, Karoline-Anni Reingraber, Lukas David Schmidt und Sebastian Thiers.

Heruntergewirtschaftete Komplexität

Besonders aufregend ist ein hoch oben an der Decke herausragendes kleines Plateau, das mehrfach beklettert und von dem leidenschaftlich heruntergeschmettert wird. Schließlich geht um enervierende Bekenntnisse und Kampfesansagen, die es zu predigen gilt. Weg mit dem WLAN! Ultraschall ist böse! Handy sowieso! Am Ende – schon weit in der Zukunft, in einem Stadium heruntergewirtschafteter Komplexität – will man gar Worte verbieten, die länger als zwei Silben lang sind. Der Weg bis dahin ist zäh und mühsam. Einerseits, weil die Thesen der Regressionsanhänger grotesk sind und kaum Diskussionsstoff hergeben. Aber auch weil die Figuren in ihren erdfarbigen Trikots als Menschen in die Ferne rücken und zu Thesenträgern werden, die kaum unterscheidbar sind. Die satirische Intention des Autors geht leider nicht auf.

Dieses mit vielen Längen geschriebene Drama eines auf die Spitze getriebenen Kulturpessimismus eignet sich wenig als Diskussionsbeitrag zum Thema "böser Fortschritt". Künstliche Intelligenz wird übrigens gänzlich ausklammert. Das Ensemble müht sich redlich um lebendige Stimmung unter den Freundinnen und Freunden des Rückschritts, allein, was hilft's: Sie bleiben mit ihrer Aufregung allein auf weiter Flur. (Margarete Affenzeller, 2.5.2024)