John Zorn dirigiert die Improvisationen seiner Musiker
John Zorn dirigiert die Improvisationen seiner Musiker.
Wolfgang Gonaus

Er macht sich rar, spielt nicht überall. Weil in dieser Saison aber der 30. Geburtstag des Porgy & Bess gefeiert wird, kam Saxofonist John Zorn vorbei, um einen Abend der gelenkten Improvisation zu gestalten. Dass er dem Publikum fast durchgehend den Rücken zukehrt und in einer Art Lagerfeuersituation mit seinen Musikern kommuniziert, sollte nicht als Arroganz gedeutet werden. Es hat inhaltliche Gründe.

Der einst mit wilden Collagestücken frappierende New Yorker Komponist, der mittlerweile auch im klassischen Modernebereich seine Ideen umsetzt, organisiert mitspielend die Intensität und den Charakter der Musik, nimmt quasi die Doppelrolle Dirigent/Saxofonist ein. Stilistisch ist alles dabei: Balladen, wilde Wechsel zwischen freiem Spiel und schnittigen Themen wie auch souljazzige Grooves, denen Klezmer-Melancholie beigemischt wird.

Altes Schema tot

Immer geht es Zorn um unmittelbare Kommunikation. Er wirkt wie der motivierende Amigo, der den Kollegen des New Masada Quartets einerseits reichlich Platz überlässt. Gitarrist Julian Lage, Bassist Jorge Roeder und Schlagzeuger Kenny Wollesen werden aber eingebunden in eine kontrollierte Situation. Alles wirkt, als würde Zorn live mit den Improvisationen der Kollegen in Echtzeit Kompositionen entstehen lassen.

Er entscheidet situativ, wer mit wem gerade ins Duo geht, oder Zorn beendet für Pausen die Musik mit einer Handbewegung. Das alte Jazzschema Thema-Solos-Thema findet sich aufgehoben, was zu formal interessanten Gebilden führt, zu Unerwartetem, geboren aus einem neuen Regelwerk.

Wer ihn wieder hören will, pilgert nach St. Pölten zum Festival Tangente. Dort ist (4. 7.) das New Masada Quartet zu hören, aber auch John Zorn ganz einsam an der Orgel des Domes. (Ljubiša Tošić, 2.5.2024)