Sturm jubelt.
Nach dem Spiel schrie Sturm vor Freude, in der Pause vor Wut.
REUTERS/Leonhard Foeger

Graz – Christian Ilzer wusste es schon eine Stunde vor dem Rest von Österreich. "In der Pause habe ich in den Gesichtern meiner Jungs gesehen, dass wir uns diesen Titel nicht nehmen lassen", sagte der Trainer von Sturm Graz nach dem 2:1-Cupsieg gegen Rapid – und das war insofern bemerkenswert, als seine Elf nach der ersten Halbzeit verdient 0:1 zurücklag. "Da ist etwas passiert in der Kabine", erzählte Ilzer. "Ich gehe rein, und die Spieler brüllen sich an mit einer Energie, dass ich gewusst habe: Wenn sie mit dieser Entschlossenheit die zweite Halbzeit in Angriff nehmen, brauche ich als Trainer nichts mehr beizutragen."

"Es hat gekracht", bestätigte Innenverteidiger David Affengruber. Sogar der sonst in sich gekehrte Otar Kiteishvili sei laut geworden. "Das gehört dazu und hat geholfen", sagte Rechtsverteidiger Jusuf Gazibegovic, der das Gegentor mitverschuldet hatte. "Wir sind ja keine Weicheier. Wir wussten, dass das nicht reicht. Wir waren in den Zweikämpfen zu lasch, haben nicht voll dagegengehalten." Auch David Schnegg sah das gegenseitige Anschreien als positiven Faktor: "Da ist keiner eingeschnappt wie ein kleines Kind, jeder hat die Kritik angenommen. Wir kennen das, haben schon genug Spiele miteinander gemacht, wir sind zurzeit mehr gemeinsam unterwegs als mit der Freundin."

Match gedreht

Ilzer selbst, dem nach schlechten ersten Halbzeiten gewöhnlich das Chilipulver aus den Ohren staubt, hielt sich laut Affengruber im Gegensatz zu den Spielern zurück und gab eher sachlichen Input. Der 46-Jährige hatte auch leicht schweigen, er wusste ja schon, was kommen würde. Und tatsächlich: Sturm kam wie die Feuerwehr aus der Kabine, glich per Querfeld-Eigentor (49.) aus und kam durch Tomi Horvat spät zum Sieg (81.). "Das zeichnet eine Mannschaft aus, die sich gefunden hat, wo jeder Einzelne ein Winnertyp ist", sagte Ilzer.

Im Vorfeld hatten neutrale Beobachter eher damit gerechnet, dass den Grazern im Finish der Saft ausgehen würde, hatte Tabellenführer Sturm doch eine immens wichtige Partie gegen Salzburg 2:2 remisiert, während Rapid beim 0:5 gegen den LASK fleißig rotierte. Es kam anders: Sturm wirkte frischer, aktiver, druckvoller. "Das ist viel Kopfsache", sagte Ilzer nach dem Match auf STANDARD-Nachfrage. "Wir wissen, wie es sich anfühlt, jeden dritten Tag zu spielen. Du musst schauen, dass du eine emotionale Balance, einen Rhythmus findest, alle Nebenschauplätze von den Jungs fernhältst."

Klauß grantig

Ilzers Gegenüber Klauß sprach nach dem ausgeglichenen Spiel vor allem über Sturms Siegtreffer, vor dem Mika Biereth gegen Leopold Querfeld mindestens grenzwertig zu Werke gegangen war. "Wenn ich die 20 Prozent Rapid-Brille abziehe, ist es immer noch 100 Prozent Foul. Es ist Wahnsinn, dass das Spiel so entschieden wird." Für Ilzer war es fifty-fifty. Einig werden konnten sich die Trainer nur darüber, dass es in Summe ein Spiel auf Augenhöhe war – und über die Atmosphäre. "Beide Fanlager sorgen für unglaubliche Energie", sagte Ilzer. Sturms Fans verzichteten heuer auf eine ausufernde Pyro-Show, Rapids Ultras riefen zum Start der zweiten Halbzeit Silvester aus. Laut waren sie alle.

Während Rapid nun in den letzten drei Spieltagen den Super-GAU Platz sechs verhindern muss und am Sonntag Besuch von Sturm-Verfolger Salzburg bekommt, winkt dem steirischen Tabellenführer das erste Double seit 1999. Sieben Punkte aus drei Spielen gegen Hartberg, den LASK und Austria Klagenfurt bräuchte Sturm, sofern die Bullen ihr Restprogramm makellos absolvieren. Auch deshalb musste die Cup-Feier warten, am Sonntag steigt schon um 14.30 Uhr das steirische Derby gegen Hartberg. (Martin Schauhuber, 2.5.2024)