Frau steht in der Küche und greift sich auf den Kopf, weil sie vergessen hat, eine Zutat für das Gericht einzukaufen
Nicht jede Form von Vergesslichkeit ist ein Anzeichen für Demenz, sagt eine Expertin. Wenn man etwa beim Einkauf etwas übersieht, hat das mehr mit der Aufmerksamkeitsleistung und weniger mit dem Gedächtnis zu tun.
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Sie kennen das bestimmt: Man geht in einen Raum, um etwas zu holen. Aber kaum ist man dort, dreht man sich verwirrt im Kreis. Was wollte man hier noch gleich? Oder fürs Abendessen fehlt noch eine bestimmte Zutat. Man geht noch rasch einkaufen – und vergisst ausgerechnet das eine Teil, weswegen man in den Supermarkt gegangen ist.

Solche Situationen sind zwar ärgerlich, aber noch lange nicht beunruhigend, sagt Elisabeth Stögmann, Leiterin der Ambulanz für Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen am AKH Wien. Wie viel Vergesslichkeit noch normal ist, lässt sich nicht so klar benennen, sagt Stögmann. Eine gewisse Alltagsvergesslichkeit hätten jedenfalls die meisten Menschen, je nach Tagesverfassung mal mehr, mal weniger. Im Alter wird das naturgemäß mehr. "Aber dem würde ich nicht immer gleich einen Krankheitswert beimessen", stellt Stögmann klar.

Gedächtnis versus Aufmerksamkeit

Denn dass man hin und wieder etwas vergesse, sei nicht nur normal, sondern absolut notwendig. Das Gehirn filtert Informationen, die wir langfristig nicht brauchen, heraus und legt sie nur kurzfristig im Arbeitsgedächtnis ab. Kurz eine Telefonnummer merken, schnell etwas im Kopf ausrechnen oder eben eine Einkaufsliste – das alles wird nicht auf Dauer abgespeichert.

Vergisst man solche Dinge wieder, deutet das also nicht auf mangelnde Gedächtnisleistung hin, sondern viel eher darauf, dass man nicht so aufmerksam und konzentriert ist, sagt Stögmann. Eine verringerte Aufmerksamkeitsleistung könne auch stressbedingt sein, weil man zu viel um die Ohren habe. "Das ist nicht unbedingt suspekt. Die Aufmerksamkeit sitzt nämlich im Stirnlappen, und bei einer Alzheimer-Erkrankung ist dieses Hirnareal üblicherweise nicht früh betroffen", erklärt sie.

Erste Anzeichen

Bei einer Demenz ist in der Regel als Erstes das Kurzzeit- oder auch das episodische Gedächtnis im Schläfenlappen betroffen. Häufige Symptome, die auf eine beginnende Demenz hinweisen, sind etwa, dass Betroffene immer wieder dieselben Fragen stellen, weil sie gerade besprochene Inhalte gleich wieder vergessen. Sie fragen dann Dinge wie: Wann ist der nächste Termin? Was passiert als Nächstes? Wo gehen wir jetzt hin? "Es kann auch einmal sein, dass man nicht zugehört hat, gestresst ist oder sich manches auch ganz einfach nicht merken will. Aber wenn man sich Dinge, die man sich grundsätzlich merken will, trotzdem nicht merkt, ist das suspekt", sagt Stögmann.

Ein weiteres Anzeichen ist, dass Geschichten während eines Telefonats zwei- oder dreimal erzählt werden. Und möglicherweise kommt es zu langen Suchzeiten, weil Betroffene Dinge wie das Handy oder den Schlüsselbund verlegen. Bei beginnender Demenz kommt es zudem meist auch zu Wortfindungsstörungen. Aber das ist schwierig zu erkennen, sagt Stögmann. "Beim Small Talk im Alltag fällt das nämlich oft nicht auf, sondern erst, wenn es um komplexere Themen geht."

Weltwissen bleibt

Grundsätzlich werden im Alter, was das Gedächtnis, aber auch die Aufmerksamkeit angeht, alle Menschen weniger leistungsfähig. Im Schnitt bauen die meisten ab 50 Jahren etwas ab. "Das Einzige, das gut erhalten bleibt, ist das sogenannte semantische Gedächtnis. Das ist das Weltwissen, also erlernte Allgemeinbildung", erklärt die Expertin. Darum können Alzheimer-Betroffene auch in einem relativ fortgeschrittenen Stadium oft noch problemlos erzählen, was sie in der Kindheit erlebt oder gelernt haben. Aber die frisch gelernten Inhalte können sie nicht mehr abspeichern.

Aber ab wann soll man die Vergesslichkeit nun ernst nehmen? "Wenn es Außenstehende schon besorgt beobachten, man wiederholt wichtige Dinge vergisst und es im Alltag belastet. Wenn man also beispielsweise schon zum dritten Mal in einem halben Jahr ein neues Handy kaufen muss, weil man es immer verliert oder schon wieder der Schlüsseldienst kommen muss", sagt Stögmann. Dann ist es an der Zeit, zu einem Facharzt oder einer Fachärztin für Neurologie oder Psychiatrie zu gehen. (Magdalena Pötsch, 2.5.2024)