In der polnischen Gemeinde Stobnica in der Nähe von Posen steht eine Burg, die auf den ersten Blick aussieht, als wäre sie viele Hundert Jahre alt – in Wahrheit wird sie aber gerade erst fertiggestellt. Hinter dem mittelalterlichen Erscheinungsbild mit Erkern, Türmen, Zinnen und Steinmauern verbirgt sich nämlich ein modernes Wohngebäude. Eine Wohnburg gewissermaßen.

"Burg" Stobnica in der Nähe von Posen, mittlerweile fertiggestellt (Bild aus dem Jahr 2022).
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Laut dem Architekten der Anlage, Waldemar Szeszuła, sollte hier "eine mittelalterliche Burg so gut wie möglich imitiert oder nachgebildet werden", als eine "historische Stadt mit Straßen, Höfen und Gassen". Außerdem soll es ein Schwimmbad und ein Theater geben. Die Entwicklung dauerte insgesamt fünf Jahre, und zeitweise waren laut Medienberichten etwa 30 Planerinnen und Designer beteiligt.

Der höchste Turm ist 70 Meter hoch und enthält ebenso wie die meisten anderen Bauteile moderne Wohneinheiten, insgesamt laut jüngsten polnischen Medienberichten rund 100 Stück, die man angeblich mieten können soll. Ursprünglich soll der Bau aber als Hotel geplant worden sein.

Illegaler Bau erzürnt viele Polen

Warum um das Projekt auf einer 2,8 Hektar großen künstlichen Insel so ein großes Geheimnis gemacht wird, ist schnell erklärt: Es dürfte nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Erst aufgrund der Recherchen von Umweltaktivisten im Jahr 2018 erfuhr die polnische Öffentlichkeit von dem Projekt. Da lief der Bau schon seit drei Jahren. Die Aktivisten stellten damals Fotos der mysteriösen Baustelle im Notecka-Urwald mitten im Natura-2000-Gebiet online. Sie war von einem Stacheldrahtzaun umgeben, außerdem gab es Kameras und Wachpersonal rundherum.

Auf die schon 2015 begonnene Baustelle der "Burg" wurden Umweltaktivisten erst 2018 aufmerksam.
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Das Bauvorhaben wurde dann heftig diskutiert und kritisiert. Wie konnte es möglich sein, dass jemand eine Genehmigung bekommt für ein Bauwerk im Naturschutzgebiet, am Rand eines Vogelschutzgebiets, fragten sich viele Polinnen und Polen.

Verantwortlich für den Bau ist ein Posener Familienunternehmen. 2015 wurde ihm eine Baugenehmigung erteilt, deren Rechtmäßigkeit wurde im Jahr 2018 allerdings stark angezweifelt. Der polnische Umweltminister ließ die Entscheidungsprozesse sodann überprüfen. Im August 2021 wurde die Baugenehmigung von den Baubehörden zunächst aufgehoben, doch die Entwickler beriefen dagegen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Posen wurde die Baugenehmigung erteilt, obwohl die Einreichpläne weder dem örtlichen Bebauungsplan noch den technischen und baurechtlichen Vorschriften entsprachen. Außerdem dürften diverse Dokumente fehlen. Seit dem Vorjahr müssen sich drei Personen vor Gericht verantworten.

Was danach bzw. nach Ende der Rechtsstreitigkeiten mit dem Projekt passiert, ist offen. Außen ist jedenfalls alles so weit fertig, der Innenausbau soll bis zum kommenden Jahr ebenfalls abgeschlossen sein. Es wird in polnischen Medien aber auch gemunkelt, dass der Bau wohl am Ende von den Behörden abgebrochen werden dürfte. Man wird sehen.

Ritterfest am 11. und 12. Mai

Zunächst wird aber noch gefeiert: Am 11. und 12. Mai findet ein Ritterfest auf der Burg statt – Titel: "Die erste Belagerung von Stobnica". Dabei soll man "die Waffenkammern besichtigen, auf Holzpferden reiten, mit einer Armbrust schießen und mittelalterliche Gerichte probieren" können, heißt es.

Laut jüngsten Medienberichten wollen die Eigentümer aus der Burg nun generell eine Touristenattraktion machen. Seit dem Vorjahr führt schon ein 2,2 Kilometer langer, gebührenpflichtiger Waldlehrpfad mit zwölf Lehrtafeln rund um die Burg und den See herum. Und auch auf der dazugehörigen Website lässt sich das Ganze erkunden. (Martin Putschögl, 30.4.2024)