Ein silberner Helikopter fliegt über Sanddünen
Eine künstlerische Darstellung des neuen Fluggeräts, das Titan 2034 erreichen soll.
NASA/Johns Hopkins APL/Steve Gribben

Der Titan ist eines der interessantesten Objekte unseres Sonnensystems. Es handelt sich nicht nur um den zweitgrößten Mond in unserem System, er besitzt außerdem eine dichte Atmosphäre sowie Flüsse, Wolken und Niederschlag und gilt deshalb als besonders erdähnlich. Einziger Schönheitsfehler: Es ist dort extrem kalt, die Ozeane bestehen aus flüssigem Methan. Auf der frühen Erde könnte die Atmosphäre aber eine ähnliche Zusammensetzung gehabt haben.

Nach den Erfolgen der Cassini-Huygens-Sonde in den Nullerjahren wurde es still um die Erforschung von Titan. Mehrere Missionen kamen nicht zustande, den Zuschlag bekamen Mars-Projekte.

Nun bringt die US-Weltraumagentur Nasa aber ein spektakuläres neues Forschungsprojekt auf Schiene. Die Behörde gab ihr Okay für die Entwicklung eines Fluggeräts, das Titan erkunden soll. Veranschlagt sind für die gesamte Mission 3,35 Milliarden Dollar, mit geplantem Starttermin im Jahr 2028. Das Fluggerät heißt ebenso wie die Mission, Dragonfly, zu Deutsch: Libelle.

Der Saturnmond Titan, wie ihn die Sonde Cassini im Jahr 2012 sah.
IMAGO/ZUMA Wire

Dicke Atmosphäre

Titan eignet sich besonders für die Erkundung durch ein Fluggerät: Die Atmosphäre ist viermal dichter als jene der Erde und ruhig, die Schwerkraft gering. Schon seit den 1990er-Jahren wurden deshalb immer wieder Flugzeuge, Ballone oder eben Helikopter als Möglichkeit zu seiner Erkundung in Betracht gezogen.

Die Auswahl des Projekts erfolgte bereits 2019, doch aufgrund fehlender Mittel verzögerte sich die Mission. Hinzu kamen zusätzliche Kosten im Zuge der Corona-Pandemie. Nun machte die Nasa aber zusätzliche Mittel bereit, um die Flugphase zum Titan zu verkürzen. Mit der Bestätigung des Projekts kann das finale Missionsdesign erarbeitet werden. Organisiert wird die Mission vom Johns Hopkins Applied Physics Laboratory im US-amerikanischen Maryland.

Auf Titan angekommen, wird die Drohne innerhalb einer zwei Jahre dauernden Mission dutzende Flüge absolvieren, um besonders interessante Orte zu erreichen. Die Eckdaten des Fluggeräts sind beeindruckend: Es soll etwa so groß wie ein Kleinwagen sein, 400 Kilogramm wiegen und sich mithilfe von vier Doppelrotoren mit einem Meter Durchmesser in die Lüfte erheben. Die Energie soll aus radioaktivem Zerfall in einer mitgeführten Nuklearbatterie gewonnen werden.

Die wissenschaftlichen Ziele der Dragonfly-Drohne werden in diesem Video erklärt.
NASA Goddard

"Seriöse" Wissenschaftsmission

Es wäre das erste Mal, dass ein Fluggerät auf einer Planeten- oder Mondoberfläche wichtige Wissenschaftsmissionen übertragen bekommt. Beim Mars-Helikopter Ingenuity waren die Zweifel im Vorfeld groß gewesen, ob es sich um eine lohnende Mission handelte. Immerhin war das wissenschaftliche Hauptprojekt der Rover Perseverance, die Drohne galt als reine Technikdemonstration.

Ihren Auftrag absolvierte die Mars-Drohne mit Bravour, bei deutlich schwierigeren Bedingungen als auf Titan. Die Atmosphäre des Mars ist um ein Vielfaches dünner und stürmischer.

Anders als Ingenuity wird Dragonfly selbst in der Lage sein, die Oberfläche anzubohren, und hat einen Massenspektrometer und einen Gaschromatografen mit an Bord, um die genaue Zusammensetzung des Bodens zu analysieren.

Große Fußstapfen

Die erste Landung auf dem Saturnmond Titan wäre ein erfolgreiches Aufsetzen von Dragonfly nicht. Das gelang bereits 2005 der Esa-Sonde Huygens, die dabei spektakuläre Bilder und wertvolle Informationen über die Oberflächenbeschaffenheit gewann. Es war die erste Landung auf einem Mond eines anderen Planeten.

Huygens zeigte, dass es auf der Oberfläche des Titan komplexe Moleküle gibt, die als Bausteine für Leben dienen könnten. Leben wird auf dem kalten Mond nicht erwartet, aber die Fachwelt ist gespannt zu sehen, wie weit sich Vorstufen davon auf Titan entwickeln können. Das wirft mehr Licht auf die Frage, wie sich einst Leben auf der Erde entwickelt hat.

Drei unscharfe Bilder von Felsformationen.
Diese Bilder machte die Sonde Huygens während des Landeanflugs auf den Saturnmond Titan.
ESA/NASA/JPL/University of Arizona

Community-Interesse

"Dragonfly ist eine spektakuläre Wissenschaftsmission mit breitem Community-Interesse, und wir freuen uns, die nächsten Schritte bei dieser Mission zu unternehmen", sagt Nicky Fox, stellvertretende Administratorin des Direktorats für Wissenschaftsmissionen im Nasa-Hauptquartier in Washington. "Die Erforschung des Titan wird die Grenzen dessen, was wir mit Rotorflugzeugen außerhalb der Erde tun können, verschieben."

Das öffentliche Interesse an dem Projekt ist der Nasa also durchaus bewusst. Wie gut Öffentlichkeitsarbeit mit Luftaufnahmen funktioniert, zeigte das Pionierprojekt Ingenuity. Auch vom Titan werden uns ab 2034, wenn die geplante Landung erfolgreich ist, spektakuläre Drohnenbilder erwarten.

Sein Wegbereiter Ingenuity schickte am 17. April 2024 nach einer ungewöhnlich langen Missionszeit von fast drei Jahren seine endgültige Abschiedsbotschaft. (Reinhard Kleindl, 17.4.2024)