Fallout
Die Serie spielt im Jahr 2077, viele Jahre nach einem Atomkrieg.
Bethesda/Amazon

Entspannt winkt Todd Howard aus seinem Ohrensessel in die Kamera des gemeinsamen Videochats. "Hi there", hört man es deutlich aus meinen Laptop-Lautsprechern. Meine schwitzigen Hände sieht er nicht, aber ich lasse mir wohl dennoch anmerken, dass mich das Treffen sehr freut. Todd Howard ist eine Legende. Mit den zwei Spieleserien "Fallout" und "The Elder Scrolls" hat er die letzten 20 Jahre der ständig wachsenden Games-Branche aktiv mitgeformt. Sein letztes Projekt aus dem Vorjahr, die ambitionierte Space-Opera "Starfield", wurde allerdings aufgrund diverser Probleme von den Spielerinnen und Spielern abgestraft.

Wohl auch deshalb spricht Howard heute lieber über seine aktuelle Kooperation mit Amazon. Die Serie "Fallout", basierend auf den gleichnamigen Spielen, erscheint am 11. April auf Amazon Prime Video. Howard befindet sich gerade auf der Promo-Tour, um das gemeinsame Projekt vorzustellen, dem er als ausführender Produzent beigewohnt und das er sogar eigenhändig initiiert hat.

Das verbindende Element zwischen Serie und Spielen ist allen voran das Setting. In den 1950er-Jahren fallen zahlreiche Atombomben auf die Welt und löschen das meiste Leben auf dem Planeten aus. Während ein Großteil der Menschen mit den Folgen der Strahlung umgehen muss, flüchten die Privilegierten in Schutzbunker, wo sie mit Wasser und Nahrung versorgt sind. Jedes Spiel der "Fallout"-Serie erzählt ein anderes Szenario rund 200 Jahre nach dem Fall der Bomben, und auch die Serie sucht sich in diesem Setting eine frische Geschichte, wohl auch, um Neueinsteiger in die Franchise nicht zu überfordern.

Liebe zum Detail

Schon länger weiß Howard, dass das Szenario auch für eine Serie taugen würde. Er selbst ist aber Spiele-Regisseur, kann Programmierer, Artists und Tester dirigieren, für die Produktion einer TV-Serie fehlt ihm allerdings das Fachwissen. Deshalb kontaktiert er vor fünf Jahren einen von ihm sehr geschätzten Kollegen aus eben dieser Branche: Jonathan Nolan. Mit Drehbüchern zu "Memento", "The Dark Knight" oder "Interstellar" hat sich Nolan schon lange einen Ruf in Hollywood erarbeitet, mit der Serie "Westworld", die er als als ausführender Produzent, aber auch gelegentlich als Regisseur begleitet, festigt er diesen Status.

Nolan sagt sofort zu, gibt er doch in mehreren Interviews selbst zu, die "Fallout"-Spiele "gespielt und geliebt" zu haben. Erste Konzepte zu "Fallout" entstehen, Amazon wird als Partner gefunden. Als größten Unterschied zwischen der Spiel- und Serien-Produktion empfindet Howard, dass er bei der Serie weit weniger eingebunden war, während er bei den Spielen jeden noch so kleinen Handgriff gern selbst überwacht. Gemeinsam sei aus seiner Sicht deshalb vor allem die Liebe zum Detail. Am Set der Serie sei er etwa in einem Büro über einen Stapel Zetteln gestolpert, der in der Kamera nie groß zu sehen war. Dennoch erzählte jeder dieser Zettel eine Geschichte, die in diesem Raum Sinn ergab. "Wir sagen im Team immer, wir schwitzen für jeden Pixel. Es war schön zu sehen, dass diese Detailverliebtheit auch in der Serie gelebt wird."

Angesprochen auf die Diversität der Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller, immer wieder ein Thema in aktuellen Serien und Filmen, muss Howard lächeln. "Wir arbeiten nicht mit Checkboxen." Auch in den Spielen hätte man sich nie Gedanken über die Hautfarben oder Geschlechter der handelnden Akteure groß Gedanken gemacht. Das Team sei "divers", die Charaktere würden sich ganz "natürlich" ergeben. Der Vorteil der Games-Serie sei zudem, dass sich jede und jeder seinen Charakter zu Beginn des Spiels selber basteln kann. Diese Möglichkeit hätten Serien nicht.

In der Games-Branche genießen Howard und seine Franchises weltweiten Ruhm. Seit bereits 30 Jahren arbeitet der US-Amerikaner an Videospielen.
AFP/FREDERIC J. BROWN

Ernste Thematik

Das erste "Fallout"-Spiel erschien 1997, damals noch nicht unter den Augen von Howard, allerdings bereits mit der apokalyptischen Welt als Szenario, die als Hintergrund Bestand haben sollte. Trotz des ernsten Settings hätte man allerdings immer primär ein Unterhaltungsprodukt schaffen wollen, das sich allerdings aufgrund der Geschichte auch mit größeren Fragen des Lebens beschäftigen musste. "Wenn du mit der Apokalypse arbeitest, dann hast du immer auch eine größere Verantwortung, weil sich jeder fragen wird: Was würden Menschen in dieser Situation tun? Welche schwierigen Entscheidungen würden sie treffen und welche dunklen Orte ihrer Seele finden?" In "Fallout" würde man diese Fragen allerdings immer mit einem "Augenzwinkern" beantworten, was laut Howard eine Stärke der Spiele und der Serie ist.

Ohne an dieser Stelle spoilern zu wollen, gibt es tatsächlich einige sehr schräge Szenen in den acht Folgen, die DER STANDARD bereits sehen durfte. Manche davon sieht man als internetaffiner Mensch sofort als Meme oder viral gehendes GIF in seinem Kopf. Ob das Absicht sei, um aus der Masse an Serien herauszustechen, frage ich Howard. Aus der Sicht eines Spiele-Entwicklers seien Memes nicht planbar, meint der Game Director. Was man allerdings tun könne, "ist die Schaffung von einzigartigen Momenten", die für den Rezipienten verstörend oder absurd wirken können. Howard nennt diese Momente in der Serie "sehr fallouty", und er möchte nicht ausschließen, dass manche von ihnen viral gehen könnten.

Videospiele als Basis

Warum Umsetzungen von Videospielen heute besser sind als früher, diese Frage kann Howard nur aufgrund seines Bauchgefühls beantworten. Früher hätte man oftmals versucht bestimmte Charaktere aus Spielen auch als Hauptdarsteller in den Filmumsetzungen zu verwenden. "Da prallten von Spielern gelebte Erlebnisse und die damit verbundenen Erinnerungen auf eine völlig andere Realität." Bei den "Fallout"-Spielen sei der Hauptcharakter vor allem die Welt, in der man sich bewegt. Damit würde sich dieses Problem in seinem Fall nicht ergeben. Mit Sicherheit würde aber auch helfen, dass heute mehr Kreative in der Filmbranche eine persönliche Vergangenheit mit Videospielen haben. Diese "Verbundenheit" zu digitalen Spielen würde man am Set spüren, sagt Howard.

Die Idee, Spiele und Serien künftig parallel zu entwickeln, um möglichst viele Menschen mit bestimmten Marken und Geschichten zu erreichen, findet der Produzent wenig reizvoll. "Wir sehen jedes Spiel und jetzt auch die Serie als eigenständige Zugänge zu der Marke", bastelt Howard während des Antwortens an seinen Sätzen und denkt sichtlich angestrengt über die Möglichkeiten nach. Er bleibt allerdings bei seiner generellen Ablehnung, mehrere Projekte gleichzeitig anzugehen. Wer die Serie sieht, könne ja jederzeit in das bestehende Mobile-Game oder das Online-Game springen, die seit vielen Jahren verfügbar sind. Das würde völlig reichen und so würde man auch nie den Fokus von aktuellen Projekten wegnehmen müssen.

Angesprochen auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), die sowohl in der Games- als auch in der Filmbranche zuletzt für Unruhe gesorgt hat, gibt Howard eine pragmatische Antwort. KI sei für ihn ein "Werkzeug wie jede andere Software in der Vergangenheit". KI bringe viele Möglichkeiten mit sich, und die werde man künftig wohl auch nutzen.

Feedback, ja bitte

Nach vielen Auszeichnungen und Lobpreisungen auf seinem Weg zu einem der bekanntesten Spiele-Schaffenden dieser Erde, musste sich Howard zuletzt mit einem Shitstorm auseinandersetzen. Die Meinungen der Seherinnen und Seher zur neuen Serie würde er aber in jedem fall "obsessiv lesen". Ihn würde interessieren, wie Fans auf das Projekt reagieren, was sie anders machen würden. "Wir lesen bei unseren Spielen auch sehr genau, was an User-Feedback geschrieben und gesagt wird", betont Howard, und man würde immer versuchen, gute Ideen in Überlegungen für künftige Projekte zu berücksichtigen. "Feedback ist essenziell", sagt Howard.

Das würden wir ihm auch gerne zu "The Elder Scrolls 6" geben, sage ich ihm in der letzten Minute des Interviews. Der Game-Director kündigte diesen Teil seiner noch populäreren Spiele-Serie im Jahr 2018 mit einem kurzen Teaser-Trailer an. Seitdem ist Funkstille. Auch an diesem Tag wird nichts Neues verraten. "Wir arbeiten daran", lässt sich Howard entlocken. Immerhin.

Die Serie "Fallout" startet am 11. April 2024 auf Amazon Prime Video. Die erste Staffel hat acht Folgen.

(Alexander Amon, 9.4.2024)