"Terminator Dark Fate – Defiance" ist ein Echtzeitstrategiespiel, das in die Tiefe geht.
Slitherine

Der Major brüllt Befehle ins Mikrofon, eine Plasmasalve schlägt im Panzer ein, das Fahrzeug brennt, die Besatzung muss aussteigen. Währenddessen meldet der Infanterietrupp, dass die Kugeln leider aus sind und sie jetzt nur noch ein paar Handgranaten übrig haben, während sie von Terminatoren angegriffen werden. Ach ja, übrigens warten die Zivilisten am anderen Ende der Map auch noch auf ihre Rettung. "Terminator Dark Fate – Defiance" schont den Spieler nicht und lässt die Pausentaste zum besten Verbündeten werden. Spaß macht das schon, wenn man unter Stress akribisch genau arbeiten kann.

Das Dark-Fate-Universum

Wie der Name schon andeutet, spielt der aktuelle Titel der Slitherine Studios in der "Dark Fate"-Timeline des Terminator-Franchise. Skynet gibt es hier nicht mehr, es wurde schließlich mehrfach in der Vergangenheit vernichtet. Stattdessen gibt es aber Legion, ebenfalls eine durchgeknallte künstliche Intelligenz, die die Menschheit als größte Bedrohung für ihre Existenz auserkoren hat und deshalb ihre Vernichtung als logische Konsequenz zieht. Dementsprechend kämpft man nicht gegen Terminatoren der T-800er-Serie, sondern gegen Rev-7- und Rev-9-Varianten, Roboterhunde, fliegende Hunter-Killer-Schwärme und schwere autonome Panzer. Na gut, so viele Unterschiede gibt es zur originalen Terminator-Timeline nicht.

Die Gefechte spielen sich ziemlich wuchtig.
Slitherine/Screenshot DER STANDARD

In "Terminator Dark Fate – Defiance" übernimmt man das Kommando über mehrere Trupps Infanterie oder einzelne Fahrzeuge. Jeder Trupp hat besondere Fähigkeiten: Pioniere können Minenfelder legen, Panzerbesatzungen, na ja, Panzer lenken, Fahrer übernehmen die oft herrenlos auf den Maps herumstehenden Fahrzeuge, während Anti-Panzer-Einheiten die schweren Geschütze gegen die Legion-Roboter auspacken. Anfangs wirkt das Gameplay sehr genretypisch für ein Echtzeitstrategiespiel: Infanterie in Häusern verschanzen, hoffen, dass ein ahnungsloser Trupp Terminatoren daherstapft, und sich anschließend über das Feuerwerk freuen. Doch der Unterschied zu den "Command and Conquers" oder "Company of Heroes" dieser Welt steckt im Detail. Und mit Details, da muss man sich im jüngsten "Terminator"-Spiel schon öfter herumschlagen.

Mikromanagement mit Anhänger

Denn so ein Infanterietrupp, der hat keine Hitpoints, sondern mehrere Mitglieder. Je öfter der Roboterwolf von ihnen abbeißt, umso weniger werden sie. So weit, so gängig. Aber: Die meisten Einheiten verfügen über mehrere Waffensysteme. So hat der besagte Trupp nicht nur Sturmgewehre im Gepäck, sondern auch ein leichtes Maschinengewehr, und einer der Anti-Robo-Rebellen trägt sogar einen Granatwerfer. Fallen diese aus, ist auch das Waffensystem futsch. Überflüssig zu erwähnen, dass das zu mehr oder weniger starken Nervenzusammenbrüchen führt, wenn man einen riesigen Roboterpanzer angreifen möchte und draufkommt, dass der Kollege mit dem Raketenwerfer es leider nicht geschafft hat. Noch dazu hat jedes Waffensystem einen eigenen Munitionsvorrat. Sind die .308-Geschoße aus, dann schweigt auch das Maschinengewehr. Sind die 5,56-mm-Kugeln alle, kann der Trupp nur noch Handgranaten schmeißen. Also muss man ständig darauf achten, dass die eigenen Einheiten immer genug Nachschub haben.

Bei Händlern können Fahrzeuge und Truppen neu ausgerüstet werden.
Slitherine/Screenshot DER STANDARD

Besonders wichtig ist das bei Fahrzeugen, denn die verbrauchen neben Unmengen an großkalibriger Munition auch hektoliterweise Treibstoff. So ein Abrams-Panzer ist eben eine mächtige Waffe, aber ziemlich nutzlos, wenn ihm der Sprit ausgeht. Also muss man den eigenen Truppen Versorgungs-Lkws mitgeben, die wiederum von einem eigenen Trupp aus Fahrern gesteuert werden müssen. Der Munitionsanhänger braucht dann wieder eine eigene Bedienmannschaft. Diesen Anhänger kann man auch an unterschiedliche Fahrzeuge hängen, denn natürlich verfügt "Terminator Dark Fate – Defiance" über ein System, das drei unterschiedlich schwere Anhänger kennt.

Upgrades, Level und mehr Details

Das Schadensmodell wirkt ähnlich komplex. Auch Fahrzeuge haben keine Hitpoints, sondern Trefferzonen. Das kann man sich ein wenig so vorstellen wie in "War Thunder": Ein großkalibriges Geschoß kann von der Panzerung abprallen, wird aber eine Schwachstelle getroffen, dann ist der Panzer schnell ein rauchendes Wrack. Das gilt natürlich auch für die Legion-Gegner: Manchmal löscht ein einzelner Abrams ganze Feindkolonnen aus, weil er die verwundbaren Teile trifft, manchmal braucht er aber drei bis vier Treffer, bis der Killerroboter in Rauch aufgeht. Das lässt das Spiel sehr realistisch wirken, macht es aber gleichzeitig unberechenbar.

Hat man eine der 15 Missionen der Kampagne absolviert, kommt noch eine Managementebene dazu. Während Besuchen in Widerstandsnestern der Menschheit kann man seine Truppen mit Munition aufstocken, Treibstoff nachfüllen oder sie mit zusätzlicher Panzerung ausstatten. Wenn man Glück hat, kann man während der Mission sogar fortschrittliche Plasmageschütze der Legion erbeuten und seine Soldaten mit den Waffen der Terminatoren ins Feld schicken. Die Jagd nach besserer Ausrüstung ist gemeinsam mit dem Aufleveln der eigenen Einheiten einer der großen Motivationsfaktoren des Spiels. Schließlich wächst einem die aus vier Frauen bestehende Panzerbesatzung mit Rufzeichen "Mother" in ihrem dicken Kampfpanzer schon ans Herz.

Fast wie ein Rollenspiel

Die Missionen spielen sich für ein Echtzeitstrategiespiel eher untypisch: Sie erinnern fast ein wenig an ein Rollenspiel. Ein Beispiel aus der ersten "richtigen" Mission: Ein Trupp Plünderer gibt den Hinweis, dass ein Gangsterboss über die Gegend herrscht. Es stellt sich heraus, dass er ein altes Schlachtfeld für sich beansprucht, auf dem noch wertvolles Militärmaterial liegt. Aber sind die Truppen des Oberstrizzis noch zu stark. Also kann man ein Bündnis mit einer Widerstandsgruppe eingehen, doch bevor gegen den Bösewicht vorgegangen werden kann, greift die Legion an, und man muss sich im Stellungskampf verteidigen. Hat man sich gegen die Legion gewehrt, schließen sich weitere Verbündete an.

Ungewöhnlich für ein RTS sind die vielen Dialoge.
Slitherine/Screenshot DER STANDARD

Der Gangsterboss flieht vor der plötzlichen Übermacht, und plötzlich gehört sämtlicher Nachschub dem Spieler. Ein solch abwechslungsreiches Missionsdesign könnte gerne Schule für andere Strategiespiele machen. Hier trifft "Terminator Dark Fate – Defiance" leider nicht immer das richtige Tempo, denn die neuen Missionsziele, Funksprüche und Hinweise von Zivilisten prasseln im Sekundentakt auf einen ein, während man noch dabei ist, die richtige Einheit für den Kampf gegen die Roboterspinne am anderen Ende des Hügels auszuwählen. Das kann schon einmal in puren Stress ausarten. Zum Glück gibt es die Pause-Taste.

Erstaunlich hübsch

Grafisch ist das jüngste Werk des Studios aus England durchaus ansehnlich geraten. Obwohl die Kamera immer relativ weit von Geschehen herausgezoomt ist, wirken die Gefechte wuchtig und fackeln ein schönes Effektgewitter ab. Plasmabolzen schmelzen Panzerungen, Granaten wirbeln Staub auf, Panzergeschoße lassen die Luft im Flug flimmern. Die größeren Einheitenmodelle wie die Abrams- oder Bradley-Panzer sind den real existierenden Originalen sehr detailgetreu nachempfunden. Ähnliches kann man von der Infanterie und insbesondere den Terminatoren nicht behaupten, die ein wenig wie polygonarme Streichholzmännchen durch die Landschaft marschieren. Aber in dieser extrem nahen Zoomstufe spielt man dieses Spiel ohnehin nicht. Auch die Landschaften überzeugen nicht immer, wobei zerstörte Städte ein düsteres Flair verströmen. Die Objektphysik arbeitet ebenfalls solide: Hauswände bröckeln unter Beschuss, und nach und nach löst sich die Deckung physikalisch einigermaßen überzeugend in ihre Bestandteile auf. Sehr schön.

Fazit: Konzentration und Akribie sind gefragt

Als großer Fan der Terminator-Serie bin ich ja Kummer gewöhnt (aber "Dark Fate", den Film, fand ich jetzt auch nicht so schlecht). "Terminator Dark Fate – Defiance" fordert mir einiges ab: Konzentration, vollste Aufmerksamkeit und akribisches Arbeiten sind das Mittel zum Sieg. Wer meint, er könne mit all seinen Einheiten über die finsteren Blechschädel der Legion rushen, der täuscht sich. Jede Einheit will gewissenhaft platziert werden, jede Spezialfähigkeit will zum richtigen Zeitpunkt ausgelöst werden, und wehe dem, der eine Stinger-Rakete nicht von einer ATGM unterscheiden kann.

Ich persönlich bin kein großer Fan von stressigen RTS-Spielen, aber "Terminator Dark Fate – Defiance" zieht mich dann doch in seinen Bann. Das liegt aber weniger am Mikromanagement als an den clever designten Missionen und dem sehr motivierenden Truppenmanagement. Dazu kommt noch die hervorragend eingefangene Düsternis des Terminator-Universums. Kleiner Tipp zum Schluss: Wer einen etwas weniger fordernden Titel für den Feierabend sucht, der kann auch zu "Starship Troopers: Terran Command" ebenfalls von Slitherine greifen. (Peter Zellinger, 30.3.2024)