Als Videospieler kann man nur abwarten, was die Games-Branche mit den neuen KI-Möglichkeiten fabriziert. Nach Service-Games und Mikrotransaktionen traut man sich kaum, Vorfreude auf die Möglichkeiten zu empfinden.
IMAGO/Eric Panades

Zwei getrennte Welten gab es auf der diesjährigen Game Developer Conference (GDC) in San Francisco zu bestaunen. Auf der einen Seite die sichtlich frustrierte kreative Belegschaft, die sich in einem Frustschrei-Happening draußen die Seele aus den Leibern brüllte und in namhaften Panel-Wortmeldungen der Managementkaste der Branche ein vernichtendes Zeugnis ausstellte. Auf der anderen Seite aufgeregte Tech-Evangelisten, die von der wunderbaren Metamorphose der Games-Branche durch revolutionäre KI-Anwendungen schwärmten.

Anfang des Monats hatte schon EA-CEO Andrew Wilson beim Schwadronieren von der glorreichen KI-Zukunft anklingen lassen, dass er sich diese idealerweise fast ganz ohne lästig zu zahlende Angestellte ausmale. KI solle, so Wilson, kurzfristig natürlich im Einsatz diverser Tools die Entwicklungskosten und -zeiten reduzieren; die mittel- und langfristigen Perspektiven lägen aber in der Nutzung fortgeschrittener KI-Entwicklungsumgebungen, in denen, in seinen Worten, "drei Milliarden EA-Spieler auf der ganzen Welt" ihren eigenen Content für EA-Spiele produzieren. KI als endlose Content-Mühle, die den Entwicklungsaufwand minimiert – schöne neue Games-Welt?

Mit KI-NPCs reden …

Im Rahmen der GDC selbst präsentierte auch Ubisoft voller Stolz sein Project NEO NPC, ein Schritt hin zu Spielwelten, in denen man sich mit NPCs "auf natürliche Art und Weise" unterhalten könne. "Haben Sie jemals davon geträumt, mit einem NPC in einem Spiel eine richtige Unterhaltung zu führen?" Mit dieser Frage beginnt die Präsentation; auf eine diesbezügliche Antwort des Publikums wurde nicht gewartet. Man könnte sagen: Genau darin liegt das Problem.

Was von Ubisoft stolz an Prototypen gezeigt wurde, erfüllt so manche mulmige Vorahnung voll und ganz. Narrative Director Virginie Mosser erklärt, wie sich die Aufgabe von Autorenteams in Zeiten von KI-NPCs verändern werde. Früher habe sie sich die Hintergrundgeschichte eines Charakters, seine Hoffnungen und Träume, seine Erfahrungen und seine Persönlichkeit ausgemalt, um dann einen Dialog zu schreiben. In Zukunft werde sie all diese Informationen einfach in ein KI-Modell füttern – der Output komme dann von selbst.

… nur: wieso?

"Star Trek"-Enthusiasten beginnen schon von unmittelbar bevorstehenden Holodeck-Visionen voller realistischer KI-Mitspielerinnen zu träumen – die KI-Realität ernüchtert dann aber doch. Die Dialogzeilen, die Ubisofts NEO NPCs bislang zum Besten geben, wirken gestelzt, uninspiriert und ziemlich künstlich; wenn es ums Vorantreiben einer Geschichte in Spielen geht, ist vermutlich noch für längere Zeit von menschlichen Autoren geschriebener Text emotionaler, stimmiger und schlicht: besser. Nicht einmal die flammendsten KI-Evangelisten trauen sich, das Gegenteil zu behaupten.

In den Bereichen, wo es nicht so sehr drauf ankommt, also: bei den NPCs, die sich uns als Kanonenfutter anschließen oder uns als Shopkeeper alle möglichen Dinge verkaufen, stellt sich wiederum eine andere Frage: Was ist der Sinn daran, mit meinen NPC-Auftraggebern über den Missionsverlauf "natürlich" zu konversieren, warum soll ich meine Spielzeit mit mühsamen freien Dialogen über dies und das verbringen, wenn die spielmechanischen Interaktionsmöglichkeiten sowieso begrenzt sind und diese "Konversationen" keinen spielerischen Mehrwert bieten? Was hat es für einen spielerischen Wert, beim Kauf neuer Heiltränke einen Tratsch über das Wetter führen zu können?

Zynisch gesagt: In der Realität beruht der Erfolg der Self-Checkout-Kassen nicht zufällig auch darauf, genau das nicht tun zu müssen.

Jeder Pixel KI-generiert

Die noch kurze Geschichte der KI in der Gamesbranche ist, so könnte man kalauern, schon jetzt eine Geschichte voller Missverständnisse, denn was genau mit KI in der Entwicklung gemeint ist, ist oft unklar. Unstrittig ist, dass Algorithmen und prozedurale Generationsmethoden zunehmend und schon längst eine Rolle in der Entwicklung von Games spielen. Dass KI-Bild- und Videogeneratoren aber schon in Kürze vollständige Videospiele quasi aus sich selbst heraus generieren, und das für jeden einzelnen KI-Nutzer, wie es Midjourney-CEO David Holz schon vor zwei Jahren vollmundig herbeifantasiert hat, ist eindeutig als verkaufsfördernder Hype zu klassifizieren.

Kein Zufall, dass derartige Ideen hauptsächlich von jenen zu hören sind, die an exakt dieser Aufregung am meisten verdienen. Auch Nvidia-CEO Jensen Huang stößt ins selbe Horn. In fünf bis zehn Jahren, so tönte er kürzlich, würde "jeder einzelne Pixel" von Spielen von KI "in Echtzeit" erzeugt. Ganz unabhängig davon, ob diese Voraussagen realistisch sind oder nicht – und es häufen sich Stimmen, die vor "Peak AI" und dem drohenden Platzen einer epischen KI-Blase warnen –, stellt sich noch eine andere Frage: Und was gibt's dann für uns Spielerinnen und Spieler in diesen spontangenerierten KI-Spielwelten tatsächlich zu tun?

Wie wär's mit "made without AI" als Gütesiegel?

Um eine Antwort auf diese Frage zu erahnen, muss man kein Zyniker sein, sondern nur die seit Jahren zu beobachtenden Trends der Branche weiterdenken: Jede Wette, dass die Fantasie der Tech-Visionäre nicht über endlosen Nachschub an noch besser aussehenden, KI-generierten Live-Service-Games, Free-to-Play-Seelenfressern und Multiplayer-Shooter-Spektakeln mit KI-Aufputz hinausgeht? Wetten, dass sich keiner der jetzt auf bombastische Personaleinsparungen schielenden CEOs auch nur einmal gefragt hat, was den Charme, die Seele, das Herz erfolgreicher Spiele über ihre Oberflächen hinaus ausmacht?

Schade, dass der Beantwortung dieser Frage weitaus weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als dem Rummel um eine Technik, die vielleicht lieber als Werkzeug in der Hand von Kreativen denn als sich selbst genügender Selbstzweck und Einsparungsallheilmittel verstanden werden sollte. Gut, dass sich die Kreativen der Branche, wie beim eingangs erwähnten Schreikonzert auf der GDC, zunehmend weigern, dem weiteren Marschbefehl in die Selbstabschaffung Folge zu leisten.

Darum noch eine Wette zum Schluss: Noch lange vor dem Eintreten der herbeifabulierten großen KI-Zukunft in Videospielen wird es ein Gütesiegel geben, das uns Spielerinnen und Spielern verspricht, dass hier noch echte Handarbeit und menschliche Kreativität für gute Unterhaltung gesorgt haben. Ich zumindest finde: Die Zeit dafür ist reif. Wie schon einmal gesagt: Her mit dem Gütesiegel "Games aus Freilandhaltung"! (Rainer Sigl, 30.3.2024)