Immer wieder fordern Politiker einen Ausbau der Medizinstudienplätze als Mittel gegen den Ärztemangel in gewissen Regionen und Fächern. Allerdings ist man nach dem Studium der Humanmedizin noch kein Arzt: In Österreich müssen Absolventinnen und Absolventen als Nächstes noch neun Monate Basisausbildung in Spitälern durchlaufen (siehe Wissen unten). Doch da besteht, das sagen sowohl Rektoren als auch Studienabsolventinnen, ein Nadelöhr, denn es fehlt an Plätzen – DER STANDARD berichtete.

Besonders eng ist es in Wien: Allein an der Med-Uni Wien schlossen 617 Personen voriges Studienjahr das Studium ab. Bei den Spitälern des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) standen für sie aber nur 184 Basisausbildungsplätze zur Verfügung. Bei den Spitälern eines weiteren großen Trägers, der Vinzenz-Gruppe, kamen nur 139 Personen in Wien zum Zug.

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Bevor sie einen Basisausbildungplatz bekommen, müssen Medizinabsolventinnen und -absolventen mit Wartezeiten rechnen. Praxiserfahrungen sammeln sie auch beim klinisch-praktischen Jahr während des Studiums.
Heribert Corn

Laut dem Gesundheitsministerium waren 1.100 Personen im November 2023 in einer Basisausbildung. Wie viele Plätze es genau gab, ist dort nicht bekannt. Im gleichen Jahr fingen aber jedenfalls weit mehr – 1.850 Personen – ein Studium der Humanmedizin an, bei sehr geringen Drop-out-Quoten.

Rund 18 Monate Wartezeit

Beim Wigev wird die Wartezeit derzeit mit rund 18 Monaten angegeben. Vor einem Jahr seien es noch zwölf bis 15 Monate gewesen, sagen Betroffene. Da sich Medizinstudierende schon rund ein Jahr vor ihrem Abschluss bewerben können, müssen sie, so sie das rechtzeitig tun, nachher noch zirka ein halbes Jahr auf einen Ausbildungsplatz warten; die Warteliste werde chronologisch abgebaut. Bei der Vinzenz-Gruppe heißt es, dass im Schnitt von etwa einem halben Jahr Wartezeit auszugehen sei.

Allerdings ist unklar, wann genau wer wirklich drankommt, die Zeitangaben werden stets als unverbindlich bezeichnet. Diese Warterei und Ungewissheit sorgt bei Bewerberinnen und Bewerbern für Unmut. Der Wigev gibt dazu an, dass seine Beliebtheit gestiegen sei und dadurch zuletzt längere Wartezeiten entstanden seien. Es gebe also mehr Bewerbungen – zum einen, weil es mehr Privatuniversitäten gebe, und zweitens, weil der Wigev an Messen wie Austrodoc teilgenommen habe.

"Stehzeiten" vorbeugen

Zusätzlich weist man beim Wigev darauf hin, dass die Ausbildungsstellen ausgebaut würden und dass ja auch bei anderen Trägern und in anderen Bundesländern die Basisausbildung absolviert werden könne. Die Begrenzung der Plätze ergebe sich auch daraus, dass man "Stehzeiten" vor der dann folgenden Allgemeinmediziner- oder Facharztausbildung vorbeugen wolle.

Bei der Vinzenz-Gruppe ist keine weitere Erhöhung der Plätze geplant, ein Ausbau sei in den letzten Jahren bereits erfolgt. Ein möglicher limitierender Faktor für die Plätze seien auch "personelle Ressourcen" aufseiten der Ausbildnerinnen und Ausbildner, heißt es dort.

In Deutschland oder in der Schweiz gibt es die Basisausbildung im Anschluss ans Studium schlicht nicht. Daher zieht es Studierende zu diesem Zeitpunkt oft ins Ausland, um dort gleich direkt eine Facharztausbildung zu beginnen. Die Ärztekammer fordert daher die Stadt Wien auf, aktiv zu werden. "Die Stadt Wien muss endlich Verantwortung übernehmen", findet Severin Ehrengruber, Vorsitzender des Ausbildungsausschusses der Ärztekammer für Wien. Die Situation sei "pervers": Medizin-Unis würden für ausreichend Absolventinnen und Absolventen sorgen, Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) jedoch für zu wenige Ausbildungsstellen.

"Bekannter Flaschenhals"

Aus Hackers Büro heißt es dazu, dass das Basisjahr "ein bekannter Flaschenhals" sei, besondere Faktoren die Konzentration in Wien jedoch verstärken würden: etwa, weil Wien die größte Med-Uni des Landes habe. Gleichzeitig biete der Wigev besonders attraktive Berufsbilder, daher würden viele dorthin drängen, um dann auch später an der Klinik bleiben zu können. Eine überregionale Verteilung wäre sinnvoll, sei aber schwierig umzusetzen.

Einen anderen Hebel würde der Rektor der Med-Uni Wien, Markus Müller, betätigen: Er fordert, die Basisausbildung zu streichen – es gebe ja bereits das klinisch-praktische Jahr (KPJ). Auch die Ärztekammer will darüber diskutieren.

Aus dem Gesundheitsministerium wird zurückhaltend reagiert: Einerseits wird betont, dass die Basisausbildung ein essenzieller Teil der Ausbildung und nicht deckungsgleich mit den Inhalten des KPJ sei. Auf der anderen Seite heißt es aus dem Büro von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) aber auch, dass man laufend an Maßnahmen arbeite, "um den ärztlichen Beruf zu attraktivieren und Jungmediziner:innen in Österreich zu halten".

Reformgespräche laufen

Demnach würden im Zuge der Einführung der Facharztausbildung für Allgemein- und Familienmedizin (die 2026 starten soll) Anrechnungsmöglichkeiten vom KPJ auf die Basisausbildung ermöglicht. Eine Reform der Basisausbildung werde derzeit von der Kommission für ärztliche Ausbildung mit allen Beteiligten (Ärztekammer, Länder, Universitäten sowie Sozialversicherung) besprochen.

Absolventin C., die sich im Jänner an den STANDARD wandte, weil sie derzeit auf einen Ausbildungsplatz wartet, bringt die politische Diskussion aktuell nichts. Sie musste erst kürzlich wieder Verwandten erklären, dass sie zwar ihr Studium erfolgreich abgeschlossen hätte und überall von Ärztemangel zu hören sei, sie aber trotzdem jetzt auf eine Stelle warten müsse. (Gudrun Springer, 9.2.2024)