In der Mensa der Wiener Boku gibt es immer eine vegane Alternative.
Regine Hendrich

Es war ein kleiner Shitstorm, der in Graz seinen Ausgang nahm, aber selbst in Wien wütete. Im Dezember des Vorjahrs forderte die Hochschülerschaft (ÖH) der Universität Graz, die Verpflegung an der Universität auf rein pflanzliche Kost umzustellen. Die internationale Initiative Plant-Based Universities jubelte. Die Bewegung setzt sich für 100 Prozent vegane Speisen und Getränke an Hochschulen ein. Die Aktivistinnen und Aktivisten sprachen von einem "Meilenstein" und von "über 1000 schriftlichen Unterstützungserklärungen".

Die Uni Graz betreibt selbst keine Gastronomiebetriebe. Vonseiten des Presseteams heißt es, dass "bei externen Partner:innen aktiv Überzeugungsarbeit" geleistet werde: Man "begrüße sehr", dass im Uni-Viertel die Speisekarten zunehmend an vegane Ernährungsformen angepasst werden. Die Uni verweist auch auf Maßnahmen wie neue Testautomaten mit Heißgetränken aus Milchersatz oder die Vereinbarung, 20 Prozent der Produkte in Snackautomaten vegan anzubieten.

Der Grazer Vorstoß stieß aber nicht nur auf Zustimmung. In Foren und auf Social Media war mitunter von einer "Sekte" oder "Nötigung" die Rede. Veganismus ist ein oft emotional aufgeladenes Thema. Ernährungskonflikte werden auch politisch ausgetragen, das zeigte zuletzt die Debatte über eine vegane Kochlehre. Wie heftig darüber diskutiert werden kann, bekam auch Friedrich Schober in Wien mit. Er ist bei der Österreichischen Mensen Betriebsgesellschaft (ÖMBG) für den Einkauf für 50 Mensenunter dem Dach des Bundes zuständig, darunter jene an der Uni Graz. Kurz nach der Forderung der dortigen ÖH beklagte eine Frau bereits die "Zwangsbeglückung" aus Graz. Die Geschäftsleitung hielt daraufhin fest, dass die ÖMBG "für alle da ist", so stehe es auch klar im Versorgungsauftrag.

Verkaufsschlager Schnitzel

Ein paar Wochen später betont Schober wieder: "Manche Menschen glauben, man ist nur für sie da. Aber wir bedienen keine Nische." Er betont, dass die ÖMBG auf Bioproduktion achte, auf nachhaltige Beschaffung, auf Regionalität und das Tierwohl.

Eine Option ist immer vegan, eine vegetarisch und eine mit Fleisch.
Regine Hendrich

Das Fleisch stamme zu hundert Prozent aus Österreich, die Molkereiprodukte bis auf wenige Ausnahmen wie italienischen Parmesan ebenfalls. Der Trend zum Verzicht auf Fleisch- und Tierprodukte sei klar spürbar, sagt er. Deshalb haben die Mensen, für die er Speis und Trank beschafft, jeden Tag eine vegetarische und eine vegane Option im Angebot. Von allen Mensen an österreichischen Hochschulen, die die Vegane Gesellschaft Österreich 2023 auf ihr pflanzenfreies Angebot abgeklopft hat, bekocht die ÖMBG neun der ausgewählten Top Ten. Dennoch bleibe Fleisch die erste Wahl, sagt Schober: "Wenn Schnitzeltag ist oder Burgertag, dann wollen die meisten Schnitzel oder Burger. Auch wenn sie sich noch so gesund ernähren." Fleischgerichte ganz wegzulassen könne schon einmal regelrechte "Aufschreie" herbeiführen. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre es "ein Fiasko".

Die Nachfrage nach tierfreien Produkten sei standortabhängig und an der Universität für Bodenkultur besonders hoch, sagt Falk Auerbach, der die Mensa der Hochschule im 19. Wiener Bezirk leitet. Die Boku setzt auf Nachhaltigkeit, das Lehrangebot reicht von Lebensmitteltechnologie über Landschaftstechnik bis Abfallwirtschaft. Die Beliebtheit der veganen Speisen erklärt Auerbach auch damit, dass sie meist die günstigsten seien.

An einem Mittwochmittag im Jänner gibt es in der Boku-Mensa Bohnen-Gemüse-Schmortopf mit Pilzen und Polentaschnitte, Geschnetzeltes mit Putenfleisch und Rösti, vegetarische Frühlingsrollen auf Wokgemüse mit Reis, dazu diverse Suppen und Mehlspeisen. 5,90 Euro kosten die vegetarische und die vegane Option, die mit Fleisch kommt auf 9,50 Euro. Hier essen nicht nur Studierende und Lehrkräfte, sondern auch "Gäste von außen", sagt Auerbach, allen voran Pensionistinnen und Pensionisten.

Die Physikstudenten Daniel Dimov (25, hinten) und Valentin Bieringer (26) essen regelmäßig in der Mensa der Boku.
Regine Hendrich

Die Physikstudenten Daniel Dimov (25) und Valentin Bieringer (26) haben ihr Institut im neunten Bezirk, zwischen den Vorlesungen kommen sie aber regelmäßig hierher. Das Essen sei gut und günstig, die Mensa nett, man lerne hier auch gut. Vegan ernähren sich beide nicht, auch wenn keiner von ihnen heute zum Geschnetzelten greift.

Die links geführte Bundes-ÖH verfügte bisher über keinen Beschluss zum Ziel der Grazer ÖH. Nunerklärt Pressesprecherin Elisabeth Hammer auf STANDARD-Nachfrage, die Bundes-ÖH unterstütze die Forderung nach 100 Prozent veganen Hochschulen.

Hauptsächlich veganes Café

Die Uni Wien wiederum hält in einem Statement fest, sie versuche "die Entscheidung für pflanzenbasierte Ernährung zu erleichtern". Für Mensenstandorte, die neu verpachtet werden, werden deshalb rein vegane und vegetarische Anbieter gesucht. In dem im November eröffneten Café an den Wiener Fakultäten für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften werden bereits täglich drei vegane und ein vegetarisches Gericht feilgeboten.

Der Beerenkuchen ist vegan.
Regine Hendrich

Plant-Based-Universities-Aktivistin Laura Wenzel nennt es ein "Leuchtturmbeispiel": Es zeige, dass die Nachfrage bestehe. Um Klimaziele einzuhalten, müsse Ernährung pflanzlicher ausfallen. Großbritanniens Unis seien hier federführend, die Uni Rotterdam will bis 2040 ganz auf vegan umstellen. Deutschland sei ebenfalls weiter als Österreich. Der Anteil von Veganerinnen und Veganern wächst zwar auch hierzulande, er liegt im Land des Schnitzels aber immer noch – je nach Schätzung – bei zwischen 0,5 und fünf Prozent. (Anna Giulia Fink, 31.1.2024)

Video: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD