Die Psychotherapieausbildung soll künftig an den öffentlichen Unis stattfinden, ab 2026 sollen jährlich regional auf Österreich verteilt bis zu 500 Masterstudienplätze angeboten werden. Das sieht eine Novelle des Psychotherapiegesetzes vor, die am Donnerstag in Begutachtung gegangen ist. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) und Barbara Haid, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, präsentierten im Viktor-Frankl-Zentrum in Wien-Alsergrund die Eckpunkte der Reform. Eines der Ziele ist es, den Zugang zur Ausbildung leistbarer zu machen. Aktuell kostet diese zwischen 25.000 und 50.000 Euro.

Sitzung Psychotherapie
Praxis und Selbsterfahrung sollen wichtige Bestandteile der Psychotherapieausbildung bleiben.
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"Der Mensch ist nicht Opfer, sondern Mitgestalter seines Lebens", zitierte Gesundheitsminister Rauch eingangs den Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, Frankl. In den aktuellen Krisenzeiten sei der Bedarf an Psychotherapie groß, sagte Rauch.

Video: Psychotherapieausbildung wandert an öffentliche Unis.
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Mehr Fachkräfte als Ziel

Jährlich sei etwa ein Viertel der österreichischen Bevölkerung von psychischen Erkrankungen betroffen. Von jenen, die bereit seien, eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen, könne aber nur die Hälfte behandelt werden. "Das ist inakzeptabel", sagte Rauch. Durch die geplante Reform sollen nun mehr Fachkräfte in diesem Bereich ausgebildet und damit die psychosoziale Versorgung in Österreich verbessert werden. Die Psychotherapie sei der mittlerweile letzte hochrangig und eigenverantwortlich tätige Gesundheitsberuf in Österreich, der nun akademisiert werde, führte Rauch aus.

Derzeit würden etwas weniger als 500 Personen im Jahr die Ausbildung zur Psychotherapeutin bzw. zum Psychotherapeuten abschließen, erläuterte Barbara Haid, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie. Mit 500 Master-Absolventinnen und -Absolventen im Jahr sei der Bedarf also nach aktuellen Stand gut gedeckt.

Praxisanteil soll hoch bleiben

Derzeit findet die Ausbildung an privaten außeruniversitären Ausbildungseinrichtungen oder Privatunis statt und besteht aus einem zweijährigen Propädeutikum und dem – je nach Fachrichtung – drei- bis sechsjährigen Fachspezifikum. Dabei gibt es von Beginn eine enge Verschränkung von Theorie und Praxis. "Ein hoher Praxisanteil, aber auch gleichzeitig eine möglichst breite wissenschaftliche Ausbildung" sei bei der Überführung der Ausbildung an die öffentlichen Unis sicherzustellen, führte Bildungsminister Polaschek aus.

Konkret soll künftig an den öffentlichen Unis ein zweijähriges Masterstudium für Psychotherapie angeboten werden, die genaue Ausgestaltung liegt in der Autonomie der Unis. Daher könne man noch nicht sagen, an welchen Standorten wieviele Masterplätze zur Verfügung stehen werden. Für die Ausweitung ihres Angebots stelle der Bund dann im Jahr 15 Millionen Euro bereit, sagte Polaschek. Ein Teil der öffentlichen Unis bietet bereits jetzt eine Psychotherapie-Ausbildung in Form von Uni-Lehrgängen an. Schon jetzt kooperieren zwei Drittel der Fachgesellschaften mit öffentlichen Unis.

Einschlägiges Bachelorstudium

Voraussetzung für den Zugang zum Psychotherapiemaster an den Unis ist – ähnlich wie beim derzeitigen Propädeutikum – ein fachlich einschlägiges Studium wie Psychologie, Medizin oder Bildungswissenschaften. Die Novelle soll öffentlichen Unis auf Wunsch aber grundsätzlich auch eigene Bachelorstudien in Psychotherapie ermöglichen.

Als dritter Ausbildungsabschnitt ist analog zum derzeitigen Fachspezifikum eine methodenspezifische Fachausbildung mit praktischer Phase mit Patientenkontakt geplant. Den Abschluss bildet die staatliche Approbationsprüfung. Die Finanzierung des neuen Angebots soll im Universitätsgesetz geregelt werden.

Haid vom Bundesverband für Psychotherapie verglich die neue Ausbildung mit jener von Fachärzten. Auf Bachelor und Master folge der praktische Ausbildungsteil in Kliniken, Lehrpraxen und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Die Fachgesellschaften würden diese mit ihren Lehrtherapeutinnen und -therapeuten mit Theorie, praktischer Anleitung, Supervision und im Rahmen von Selbsterfahrung begleiten.

Kosten weniger hoch

Dafür fallen freilich auch künftig Kosten an, allerdings fließt laut Polaschek ein Teil des bisherigen Fachspezifikums in das öffentliche Studium ein, wodurch die Ausbildung also insgesamt günstiger werde. Außerdem sind die Psychotherapeutinnen zu diesem Zeitpunkt schon unter Supervision tätig und verdienen bereits Geld, ergänzte Haid.

Für die Umstellung des Systems sind in der Novelle lange Übergangsfristen vorgesehen: Das Propädeutikum aus einer bestehenden Ausbildung kann noch bis Ende September 2030 abgeschlossen werden, das Fachspezifikum bis spätestens 2038.

Neben der neuen Uni-Ausbildung sollen mit der Novelle auch Onlinetherapien rechtlich verankert werden, diese haben laut Rauch vor allem seit der Corona-Pandemie vielen Menschen geholfen.

"Lange überfällig" laut Opposition

Die FPÖ kritisierte in einer Aussendung, dass Rauch erst jetzt eine Reform des Psychotherapiegesetzes vorlege. Die FPÖ habe diese seit 2021 gefordert. Die Neos begrüßten in einer Pressemitteilung die Akademisierung der Psychotherapie "als lange überfälligen Schritt“. Wichtig sei aber, dass im Zuge dieser Reform nicht nur die Ausbildung überarbeitet, sondern endlich die Abgeltung von Psychotherapie als Kassenleistung sichergestellt wird.

Rauch selbst hatte bei der Pressekonferenz eingeräumt, dass es "unbestritten" mehr Angebot an Psychotherapie auf Kasse brauche, um die psychosoziale Versorgung sicherzustellen. Auch hier solle man die E-Card statt der Kreditkarte nutzen können. Ein Ausbau sei "Gegenstand der Verhandlungen zwischen der Sozialversicherung und dem Berufsverband". (APA, spri, 11.1.2024)