Man würde an dem Häuschen fast vorbeigehen und einsteigen in die Panoramabahn, die hinaufführt zur Festung Kufstein. Aber auf dem Platz sind konzertartig Bänke angeordnet. Jeden Tag, pünktlich um zwölf Uhr, setzt sich einer der Kufsteiner Organisten hinter den Spieltisch, der sich in dem Häuschen befindet. Dann spielen Hans Berger (Vater) oder Johannes (Sohn) etwa eine Viertelstunde ein buntes Repertoire, von Bach bis Mozart.

Die Festung Kufstein am Inn
Die Festung Kufstein am Inn.
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Jahrzehntelang wurde täglich das Stück "Der gute Kamerad" gespielt, passend zum Namen Heldenorgel, die eine der größten Freiluftorgeln der Welt ist. Aber das hat vielen Kufsteinern nicht mehr gefallen. Von Kriegs- und antiquierter Heldenverehrung war die Rede. Denn die Orgel war zwar in den 1930er-Jahren zum Gedenken der gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkriegs errichtet worden. Bald danach wurde das Instrument von den Nationalsozialisten für ihre Propaganda vereinnahmt, worüber man im Tourismusland Tirol lange schwieg.

Johannes Berger spielt auf der Heldenorgel in Kufstein
Johannes Berger spielt auf der Heldenorgel in Kufstein.
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Im vergangenen Herbst ist die Stadtverwaltung übereingekommen, den Namen Heldenorgel zu belassen, das Lied eine Zeitlang aber nicht zum Besten zu geben. Wobei Hans Berger bei seiner Aufführung gerne ein paar Takte einfließen lassen würde – "Es kommen halt viele Leute extra deswegen her." Hätte er gewusst, dass eine Wiener Journalistin zuhört, hätte er "An der schönen blauen Donau" gespielt.

Johannes Berger überprüft die Heldenorgel
Johannes Berger überprüft die Heldenorgel.
Tirol Werbung / Lisa Hörterer

Was bleibt, ist das Besondere an dem Instrument, das im Jahr 2009 einer Generalsanierung unterzogen wurde und fortan als tönendes Denkmal verstanden werden soll. Der Spieltisch der Orgel befindet sich unten im Festungsneuhof. Die weltrekordverdächtigen 4.948 Pfeifen stehen gut hundert Meter weiter oben unter dem Dach des Bürgerturms, der ein Teil der Festung ist.

Zuhören kann man hier wie dort. Der akustisch beste Platz mit der ausgewogensten Klangbalance ist aber der Zuhörerraum im Festungsneuhof. Auch in Teilen der Stadt ist das Zwölf-Uhr-Konzert zu vernehmen, ebenso wie in den Bergen bis ins nahe Bayern. "Diese tägliche Orgelei, manchmal nervt es", sagt ein Kufsteiner Händler lapidar. Trotzdem gibt es in den Sommermonaten auch eine 18-Uhr-Aufführung. (Johanna Ruzicka, 9.10.2023)