Die Klangwolke gehört zur Ars Electronica. Auch die Digital-Uni integriert die Expertise des AEC.

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Es ist schon das dritte Gutachten in der Causa: Jetzt kontert auch der Gründungskonvent der Digital-Uni Linz mit einem dem STANDARD vorliegenden Rechtsgutachten die diversen Behauptungen über angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl der Informatikerin Stefanie Lindstaedt zur Gründungspräsidentin des Institute of Digital Sciences Austria (IDSA).

Georg Eisenberger, Rechtsanwalt und Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Uni Graz, überprüfte das "Vorliegen von möglichen Befangenheiten im Rahmen der Bestellung der Gründungspräsidentin" und kommt zum Schluss: "Die Wahl war zulässig und gültig." Es liege kein Verfahrensfehler wegen Befangenheit von Konventsmitgliedern vor. Diese Einschätzung traf auch das Bildungsministerium, das die Wahl bereits am 11. April als rechtmäßig anerkannt hat. Minister Martin Polaschek (ÖVP) wies eine Aufsichtsbeschwerde, die Befangenheiten ins Treffen geführt hatte, ab.

Aufsichtsbeschwerde wurde abgewiesen

Mit der Beschwerde hatte der Linzer Softwareunternehmer Helmut Fallmann, der vom Land Oberösterreich in den Konvent entsandt wurde (und inzwischen zurückgetreten ist), eine seit der Wahl am 5. Jänner andauernde Auseinandersetzung zwischen Repräsentanten der oberösterreichischen Landespolitik und der lokalen Industriellenvereinigung (IV) mit dem Bildungsministerium und dem Konvent ausgelöst.

Der Fabasoft-Gründer hätte wie Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) und IV-Präsident Stefan Pierer den bisherigen Rektor der Uni Linz, Meinhard Lukas, für die IDSA-Spitze präferiert und kämpft seither für die Aufhebung der Wahl Lindstaedts. Nach der gescheiterten Aufsichtsbeschwerde legte er mit einem Privatgutachten nach, in dem der Verfassungsjurist Heinz Mayer laut "OÖ Nachrichten" die Ansicht vertrat, dass "erhebliche Befangenheiten" sichtbar geworden seien.

Akademisches Dreieck im Gründungskonvent

Im Kern geht es darum, dass die gewählte Unipräsidentin von der TU Graz kommt – so wie die Konventsvorsitzende Claudia von der Linden, die dort Vizerektorin ist, und Konventsmitglied Johanna Pirker. Die Informatikerin arbeitet an dem Institut, das Lindstaedt leitet. Mayer hat dieses akademische Dreieck mit Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs so interpretiert: "Von der Linden und Pirker haben sich zwar bei der Abstimmung enthalten, haben aber bei den Beratungen maßgeblich mitgewirkt. Die Bestellung von Stefanie Lindstaedt war daher wegen Mitwirkung befangener Organe rechtswidrig."

Dem widerspricht Eisenberger, basierend auf Sitzungs- und Workshop-Protokollen, die er einsehen konnte. Auch er betont, dass schon "der äußere Anschein einer Voreingenommenheit" genügen könne, "um eine Befangenheit zu begründen". Nur sieht er im vorliegenden Fall keine Beeinflussung der Entscheidungen durch die Personen, die sich für befangen erklärt haben.

Drei Phasen für potenzielle Befangenheiten

Im STANDARD-Gespräch erklärt er seine juristische Lesart der Vorgänge im Konvent mit drei Phasen, in denen das Befangenheitsthema akut werden hätte können – aber nicht wurde: "Der Beschluss zur Nachsuche ist im Unibereich durchaus üblich, wenn es zu wenige Bewerberinnen und Bewerber für eine Stelle gibt." Eine Befangenheit vor der Bewerbung Lindstaedts wegen einer Nahebeziehung zu ihr sei "von vorneherein ausgeschlossen". In der zweiten Phase, in der zu den Hearings eingeladen wurde, sei Befangenheit "denkbar, aber sie kann sich immer nur auf eine Nichteinladung zum darauf folgenden Hearing beziehen", sagt Eisenberger: "Nur damit würde man durch Befangenheit das nachfolgende Auswahlverfahren stören können."

Eine potenziell kritische Situation, nämlich die Beschlussfassung für die Einladung der Bewerberinnen und Bewerber zu den Hearings, bei der jene drei Mitglieder anwesend waren (ohne mitzustimmen), die sich bereits befangen erklärt hatten – neben von der Linden und Pirker auch der Vizerektor der Uni Linz, Christopher Lindinger, wegen des Kandidaten Lukas –, wurde insofern rechtssicher "saniert", als der Beschluss in Abwesenheit der drei Befangenen wiederholt wurde. In der dritten Phase, der Hearing- und Entscheidungsphase, waren die befangenen Mitglieder weder im nichtöffentlichen Teil des Hearings noch bei der folgenden Abstimmung anwesend.

Gutachten gegen Gutachten – und keines hat Einfluss

Eisenbergers Resümee: "Ich würde mir wünschen, dass Befangenheiten in Österreich immer so gehandhabt würden wie hier. Ich sehe kein Problem bei dieser Bestellung."

Anders Beschwerdeführer Fallmann, der mit einem zweiten Gutachten Polaschek selbst Versäumnisse bei der Wahl vorwarf. Sollte er die "Nichtausübung der Rechtsaufsicht" fortsetzen, sprächen "gewichtige Argumente" für "strafbaren Amtsmissbrauch", wurde der Salzburger Strafrechtsprofessor Kurt Schmoller in den "OÖN" zitiert.

Im Ministerbüro reagiert man auf die Fallmann-Gutachten mehr als reserviert: Mayers Rechtsmeinung teile man nicht, und Schmoller baue "dem Anschein nach auf dessen hypothetischen Annahmen auf, zieht daraus wiederum hypothetische Schlüsse und setzt damit eine Konjunktivkette fort", hieß es auf STANDARD-Anfrage. Die Rechtmäßigkeit der IDSA-Wahl sei eingehend geprüft und festgestellt worden, das Aufsichtsverfahren abgeschlossen. "Weder die Privatgutachten Fallmanns noch das Gutachten des Gründungskonvents können also einen Einfluss haben." Angesichts der "aufgebrachten Vorwürfe" sei es aber "legitim", dass der Konvent "die Abläufe nochmals juristisch aufbereiten und bewerten lässt".

Fünf bis sieben Module zum Start des IDSA

Konventsvorsitzende Claudia von der Linden hofft derweil, dass nun endlich ein ungestörter inhaltlicher Fokus auf die geplante "Universität mit Modellcharakter und internationaler Reichweite" möglich wird. Immerhin habe man durch die Debatten über die Wahl "vier bis fünf wertvolle Entwicklungsmonate verloren", die natürlich zu "Verschiebungen" führten. Aber die konzeptuelle Arbeit laufe "auf Hochtouren". Derzeit erarbeite der Konvent gemeinsam mit dem Linzer Ars Electronica Center (AEC) "ein Angebot für den Sommer und das Herbstsemester 2023/24". Im Juni erfolgt ein "internationaler Call for Students", im Sommer wird der Architekturwettbewerb für die neue Uni ausgelobt. Die Pläne des Konvents sehen einen Start mit fünf bis sieben Studienmodulen, die von internationalen Expertinnen geleitet werden, vor. (Lisa Nimmervoll, 11.5.2023)