Ein fulminanter Erfolg war Fucking Åmål , der Spielfilm-Erstling des Schweden Lukas Moodysson gewesen, bei Kritik wie bei Publikum. Bei seinem entsprechend mit Spannung erwarteten Zweitfilm vermied der 1969 geborene Regisseur eine Abwandlung des Erfolgrezeptes: War Åmål noch in einem thematisch abgesichert eingegrenzten Terrain angesiedelt - Gegenwart, Kleinstadt, Erwachen der Gefühlswelt von Teenagern rund um ein Coming-Out -, versucht er sich im jetzt in Österreich angelaufenen Tillsammans (dt.: Zusammen ) an einem Gruppenportrait, an einem Panorama eines Teils der schwedischen Gesellschaft der Siebziger Jahre. "Tillsammans" ("Zusammen") heißt eine hippieske Kommune in einem viel zu engen Einfamilienhaus im Jahre 1975. Gerade haben die Bewohner, die sich zumindest einmal als Speerspitze einer sozialutopistischen Weltrevolution verstehen, auf das Ableben von Diktator Franco angestoßen, da wird es bei ihnen noch enger: Des inoffiziellen milden Häuptlings große Schwester, eine eben von ihrem saufenden Ehemann verprügelte kleinbürgerliche Hausfrau, stößt mit ihren Kindern hinzu, einem 13-jährigen stillen Mädchen mit dicken Brillengläsern und einem bockigen jüngeren Bruder, offensichtlich eine Art Alter-Ego, ein Klein-Moodysson. Mit Betonung auf den Blickwinkel der beiden Kinder zieht in der Folge ein Handlungspanorama vorüber, das Situationskomik und Sentiment aus den eingebauten Widersprüchen einer alternativen Wohngemeinschaft bezieht. Es gibt permanent Klüfte zwischen Wort und Tat. Proklamierte offene Beziehungen im Widerspruch zu Gefühlshaushalten. Coming-Outs zwischen Experiment und Wirklichkeit. Balanceakte zwischen Zivilisation und "Mutter Natur", zwischen Anpassung und Aufstand, zwischen Konsum und Verweigerung. In Summe schafft Moodysson eine Handlungsbalance mit Ironie. Trotz einer großen versöhnlichen Stoßrichtung bleibt er auf der realistischen Seite eines Idealismus. Eine Händereichung der Kommunarden zur Welt der Bürgerlichen kann gelingen, weil es auf beiden Seiten auch Opfer gibt. Weil auf Persönlichkeiten, die sich entwickeln, auch solche kommen, die zerfallen. Weil auf Figuren, die zum "Zusammen" streben, auch solche kommen, die in die Vereinsamung abdriften. Einer Beliebtheit von Tillsammans steht somit nichts im Wege. Einen massiven Einwand gilt es hier freilich zu bringen: Auffallend gehören jenseits der Figur der Mutter zwei besonders exponierte weiblichen Rollen zu denen, die radikal verlieren. Wenngleich es mittlerweile bekannt ist, wie sehr in Alternativ-WGs der Zeit männliche Pascha-Allüren verbreitet und solche Schicksale nicht selten waren, so ist Moodysson doch vorzuhalten, dass er beim Zuseher einem Gefühl der Häme zumindest nicht gegensteuert. Ein kritisches Ausmaß nimmt Moodyssons Naturalismus auch im Bereich der Filmsprache an: War die Kamera von Fucking Åmål noch eine schnörkellose, von Budgetknappheit geprägte, nimmt Tillsammans zum einen Anleihen bei der dänischen Dogma-Riege, zum anderen sehr deutlich an der Ästhetik der ja in den Siebzigern in Massen selbstgedrehten Super-8-Filme. Resultat ist eine sehr artifiziell wirkende Natürlichkeit, ein Retro-Look. Wem schon bei wackeligen dänischen Kameras der Hinweis, dass die Steady-Cam schon erfunden ist, stets auf der Zunge lag, mag nun bei einem Vor- und wieder Zurückzoomen in einer Einstellung ausrufen, dass dies, bitte schön, schon in den Lehrbüchlein für Schmalspurfilmer der Siebziger als grober Schnitzer aufgelistet ist. In Hollywood ist bekannt, wie sehr bei der Konstruktion eine "feel good movies" der Teufel im Detail steckt. Warum sollte dies diesseits des Atlantiks und bei der Ansiedlung in einem alternativen Milieu anders sein? * * *