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VP-Chef Wilhelm Molterer (53) mit seinem Vorgänger Wolfgang Schüssel: Koalitionsende wegen EU-Kurses der SPÖ.

Foto: APA/Fohringer
Farblos, kühl kalkulierend, ein Zauderer, ein Mann der zweiten Reihe, dort aber ein perfekter politischer Fädenzieher, ein harter Machtpolitiker, Schüssels Mastermind, typischer Funktionär: Im Laufe seines langen Politikerlebens sind Wilhelm Molterer von seinen Kritikern viele Charakterschablonen übergestülpt worden.

Besonders negativ fiel das aus, wenn sie den heute 53-Jährigen in seiner Funktion als ÖVP-Klubchef im Parlament beschrieben. Das wurde er, nachdem Wolfgang Schüssel im Herbst 2002 die Koalition mit den Blauen aufgekündigt hatte, dann einen fulminanten Wahlsieg landete - und seine Kanzlerschaft wieder mit den Freiheitlichen fortsetzte.

Molterer, von Herkunft und Herzen her einer, der die Rechten gar nicht mag, blieb als treuer Diener stets an Bord, obwohl er eine große Koalition oder Schwarz-Grün bevorzugt hätte. Zum Scharfmacher eignet er sich stilistisch nicht. Weil er Politik stets mit Bedacht formuliert, etwas predigend im Ton, wurde er spöttisch "Pater Willi" getauft. Was für ein Kontrast zu jenem Mann, der - 2007 Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef in einer Koalition mit der SPÖ geworden - am Montag vor die Presse trat und trocken sagte: "Meine Damen und Herren, es reicht! Gute Arbeit ist in dieser Bundesregierung nicht mehr möglich. Ich schlage sofortige Neuwahlen vor." Plötzlich erschien der ewige Zweite souverän. Er weiß, dass er Bundeskanzler werden kann. "Ich kann in meiner Staatsverantwortung nicht zulassen, dass aus der Krise der SPÖ eine Krise Österreichs wird", setzte er nach.

Das ist ein Schlüsselsatz für seine Auffassung von Staat, Verantwortung, Aufgabe des Politikers. Im entscheidenden Moment darf man nicht zaudern: Da muss man sich "fügen", Verantwortung übernehmen, die Dinge ernsthaft studieren, Haltung haben, ruhig abwägen - das wurde dem Bauernsohn Willi Kletzmayr aus Sierning in Oberösterreich von Kindheit an mitgegeben.

Mit vierzehn wurde er von Onkel und Tante adoptiert, weil die keinen Hoferben hatten. Er hat das akzeptiert, wie seinen neuen Namen Molterer. Als Student mit links-liberaler Tendenz in Linz hat er sich ebenso für die Gesellschaft engagiert wie er später mit Josef Riegler, Franz Fischler, Erhard Busek das Konzept der "ökosozialen Marktwirtschaft" erarbeitet hat. Molterer hat Politik immer auch als Vision gesehen. Das galt insbesondere für die Integration Österreichs in die EU. Da hat die SPÖ seine Härte unterschätzt - ein Fehler. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 8.7.2008)