Der Prozess gegen Wladimir Kara-Mursa zog sich viele Monate.
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"Verbrecher sollten begangene Straftaten bereuen. Aber ich bin im Gefängnis wegen meiner politischen Ansichten. Wegen der Auftritte gegen den Krieg in der Ukraine. Wegen des langjährigen Kampfes gegen Putins Diktatur. Und ich bereue nichts von alledem – ich bin stolz darauf", sagte Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa in seinem Schlusswort vor Gericht, bevor er im April 2023 unter anderem wegen "Hochverrat" zu 25 Jahren Straflager verurteilt wurde.

Nun scheint Kara-Mursa ernsthaft erkrankt. Nach Angaben seiner Frau ist er in ein Gefängniskrankenhaus verlegt worden. "Seinen Anwälten wurde der Zugang zu ihm verwehrt", schrieb Jewgenija Kara-Mursa am Freitag in einem Onlinepost. Sie wisse nicht, wie es ihrem Mann derzeit gehe. Der Oppositionelle sitzt in einer Hochsicherheitskolonie im sibirischen Omsk ein. Seine Anwälte, die aus Moskau angereist waren, durften Kara-Mursa im Krankenhaus nicht sehen. Das berichtet das Onlinemedium Meduza. Fünf Stunden lang hätten sie vergeblich gewartet.

Soll "falsche Informationen" verbreitet haben

25 Jahre – es ist die höchste Haftstrafe, die bislang in Russland gegen einen Oppositionellen verhängt wurde. Kara-Mursa habe "falsche Informationen" über die russische Armee verbreitet und Verbindungen zu einer "unerwünschten Organisation" unterhalten, so der Vorwurf der Justiz. Wladimir Kara-Mursa wurde am 7. September 1981 in Moskau geboren. Sein Vater war Journalist, "Mitglied der Russischen Fernsehakademie". Schon seit seinem 16. Lebensjahr arbeitete Sohn Wladimir im Medienbereich. Später ging er nach Großbritannien, studierte Geschichte in Cambridge und arbeitete in der Folge für verschiedene russische Medien, unter anderem für die Zeitung Kommersant.

Im Mai 2015 gab es einen Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker. Er wurde mit Anzeichen einer schweren Vergiftung ins Krankenhaus eingeliefert und ins künstliche Koma versetzt. 2017 dann ein erneuter Giftanschlag auf den Politiker. Die Diagnose lautete "toxische Wirkung einer nicht gemeldeten Substanz". Sein Blut ließ er in Frankreich analysieren, man fand hohe Konzentrationen verschiedener Giftstoffe, unter anderem erhöhte Quecksilber-Werte. Seine Familie und Anwälte geben an, dass Kara-Mursa wegen dieser zwei Vergiftungsversuchen heute unter der Nervenerkrankung Polyneuropathie leidet.

Wladimir Kara-Mursa sagte in seinem Schlusswort vor Gericht: „Sogar heute, sogar in dieser Dunkelheit, die uns umgibt, sogar in diesem Käfig liebe ich mein Land und glaube an seine Menschen. Ich glaube, dass wir diesen Weg meistern können."

Nun sind seine Freunde und Angehörige in großer Sorge. (Jo Angerer aus Moskau, 5.7.2024)