Bild einer Demonstration gegen Antisemitismus in Oldenburg, die nach einem Brandanschlag auf eine Synagoge veranstaltet wurde.
IMAGO/Fabian Steffens

Bei jungen Männern, jungen Menschen in der Lehre oder an Berufsschulen sowie jungen Wienerinnen und Wienern ist Judenfeindlichkeit virulenter als bei anderen gesellschaftlichen Gruppen: Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Sonderauswertung des Parlaments zu Antisemitismus in Österreich. Insgesamt sind junge Menschen aber gleich antisemitisch wie ältere.

Stärker ausgeprägt ist der Antisemitismus auch bei jungen Menschen mit türkischem oder arabischsprachigem Migrationshintergrund. Etwa ein Drittel von ihnen ist "voll und ganz" oder "eher" davon überzeugt, dass man "von einem Juden nicht erwarten kann, dass er anständig ist". In der Gesamtbevölkerung denken das rund 20 Prozent. Insgesamt sei bei dieser Gruppe der Antisemitismus je nach Grad der Religiosität höher.

Männer antisemitischer als Frauen

Für die Auswertung haben die Forschenden unter Leitung der Meinungsforscherin Eva Zeglovits die bereits 2022 erhobenen Daten mit Fokus auf Jugendliche allgemein und auf migrantische Jugendliche ausgewertet. Somit wurde die aktuelle Lage rund um den Gazakrieg – und den seitdem international angestiegenen Antisemitismus – noch nicht in der Studie berücksichtigt.

Antisemitismus sei heutzutage nicht nur auf rechter Seite wahrzunehmen, sondern auch in linken und migrantischen Kreisen, sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bei der Präsentation der Ergebnisse. Zudem vertreten junge Männer weitaus häufiger antisemitische Ansichten als junge Frauen: So gaben 20 Prozent aller männlichen 16- bis 25-Jährigen - sowohl autochthone wie auch migrantische - an, dass es sie stören würde, neben Jüdinnen und Juden zu wohnen – bei Frauen waren es lediglich acht Prozent. Männer würden im Allgemeinen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit eher vertreten.

Sobotka
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka stellte die Ergebnisse am Freitag gemeinsam mit den Studienautorinnen und Studienautoren vor.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wie Sobotka bei der Pressekonferenz sagte, sei überhaupt ein grundsätzlicher Anstieg des Rassismus wahrzunehmen – etwa auch gegen Muslime, Schwarze sowie Roma und Sinti. So gaben 22 Prozent der befragten 16- bis 25-Jährigen an, dass Muslime oder Roma und Sinti als Nachbarn sie "sehr" oder "eher schon" stören würden. Besorgniserregend sei aber auch, dass fast 40 Prozent der migrantischen Stichprobe es für störend befanden, neben Homosexuellen zu wohnen, erklärte Sobotka.

Verschwörungsmythen befeuern Judenhass

Oft glaubten Antisemiten an gängige Verschwörungserzählungen, sagte der Nationalratspräsident: "Das Stereotyp des Juden wird verbreitet: Er sei selbst schuld an Antisemitismus, reich, erpresserisch und beeinflusse die Welt. Jüdinnen und Juden werden dehumanisiert." Die Verschwörungserzählung, auch in Bezug auf den Gazakrieg, sei: "Wenn die Juden weg sind, ist das Problem weg." Sobotka betonte auch, dass grundsätzliche Kritik an israelischer Politik, etwa der Siedlerpolitik oder dem militärischen Vorgehen, zulässig sei. Diese sei aber klar von Antisemitismus zu unterschieden.

Je eher eine Person an Verschwörungsmythen glaubt, desto eher stimmt sie auch antisemitischen Aussagen zu, zeigt sich in der Studie. Gleichzeitig sei Bildung der Schlüssel für Maßnahmen dagegen: Je mehr jemand über den Holocaust, Israel oder jüdisches Leben wisse, desto unwahrscheinlicher seien antisemitische Ressentiments.

Die Parlamentsdirektion hat als Reaktion auf die Ergebnisse einen neuen Workshop für Jugendliche der neunten Schulstufe gestartet. Innerhalb von vier Stunden soll dabei das Bewusstsein für die Gefahren des Antisemitismus in der Gesellschaft gestärkt werden. (muz, 5.7.2024)