Halbleiter: elementarer Bestandteil aller Prozessoren.
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Die Europäische Kommission nimmt sich Insidern zufolge nach Elektroautos nun die Wettbewerbspraktiken bei bestimmten Halbleitern in China vor. Die EU-Kommission habe damit begonnen, bei europäischen Unternehmen Informationen dazu einzuholen, wie sie den Kapazitätsaufbau in China bei Chips älterer Generationen bewerten, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Bis September sollen die Antworten vorliegen. Die EU-Kommission äußerte sich gegenüber Reuters nicht zu dem Thema.

Es handle sich um eine vergleichsweise breit angelegte Untersuchung, sagten die Insider, die nicht namentlich genannt werden wollten. Dabei gehe es nicht nur darum, woher Industriebetriebe ihre Chips beziehen, sondern auch um Fragen zu Produkten und Preisen, einschließlich eines Vergleichs mit den Wettbewerbern. Derartige Informationen sind allerdings nicht leicht zu beschaffen. Industriebetriebe, Flugzeugbauer, Autofirmen und Gesundheitstechnikhersteller könnten zurückhaltend sein bei Angaben, wo sie die Chips kaufen. Diese Frage ist auch deswegen schwer zu beantworten, weil die Halbleiter in mehreren Schritten und in verschiedenen Ländern produziert und zu Prozessoren verarbeitet werden.

Bei den untersuchten Halbleitern geht es um Chips älterer Generationen, die in zahlreichen Geräten zum Einsatz kommen, von Küchengeräten über Autos bis hin zu Industrieanlagen. Chinesische Unternehmen investieren derzeit massiv in den Aufbau eigener Produktionsanlagen, auch als Reaktion auf Restriktionen der USA. Dabei profitieren sie von staatlichen Subventionen. Auf diese Weise reduzieren sie kurzfristig ihre Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten. Zugleich schürt das aber Sorgen im Westen, dass Überkapazitäten aufgebaut werden, die dann zu Billigpreisen auf den Weltmarkt geworfen werden könnten.

Billigimporte aus China im Visier

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte bereits im April bei einem Treffen mit US-Regierungsvertretern angedeutet, dass die EU-Kommission die Chipbranche unter die Lupe nehmen könnte. Erst am Donnerstag hatte sie vorläufige Antidumpingzölle auf Elektroautos aus China von bis zu 37,6 Prozent in Kraft gesetzt. Handelsexperten sehen das als Anzeichen dafür, dass die EU-Kommission stärker gegen Billigimporte aus China vorgeht. Sie verweisen auf einen 712 Seiten umfassenden Bericht vom April zu chinesischen Subventionen in verschiedenen Branchen.

In der Chipbranche werden mögliche Restriktionen für chinesische Hersteller unterschiedlich bewertet – abhängig davon, in welchem Teil der Wertschöpfungskette die Unternehmen jeweils tätig sind. So ist für Chipausrüster wie ASML der Aufbau von Fabriken in China ein wichtiger Umsatzbringer, weil sie die nötigen Maschinen liefern. Für Chiphersteller wie Infineon, STMicroelectronics oder NXP aus den Niederlanden ist das Bild gemischt: Einerseits bekommen sie die Konkurrenz durch chinesische Hersteller zu spüren, andererseits verfügen sie über eigene Geschäfte in China.

China ermittelt gegen Brandy-Importe

China setzt im Gegenzug auf neue Schritte bei seinen Ermittlungen zu Branntwein-Importen aus Europa. Das Wirtschaftsministerium setzte für den 18. Juli eine Anhörung zu Vorwürfen an, europäische Hersteller der Alkoholika verkauften ihre Produkte zu Dumping-Preisen, wie es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung hieß. Bereits im Jänner hatte das Ministerium die Untersuchung begonnen. Auch Importe von Schweinefleisch aus der EU hatte es ins Visier genommen. Zudem könnten auch Oberklasseautos aus Europa chinesischen Zeitungen zufolge in den Fokus rücken.

Zwischen der Volksrepublik und der EU ist es zum Streit um Zölle gekommen. Strafzölle der EU auf subventionierte Elektroautos aus China traten am (heutigen) Freitag nach langen Debatten vorläufig für vier Monate in Kraft. Gleichzeitig gibt es noch Gespräche zwischen beiden Seiten.

Analysten zufolge könnte China mit den Untersuchungen bei Schweinefleisch und bei Brandy & Co vor allem auf Produzenten in Spanien und Frankreich abzielen, um Druck auf die Regierungen der beiden Länder auszuüben. Denn diese gelten als Unterstützer der Zölle auf Elektroautos. Die deutsche Regierung sieht die Zölle dagegen skeptisch. Und auch die deutsche Autoindustrie, für die der chinesische Markt wichtig ist, hatte die Importzölle der EU kritisiert. Die EU-Kommission reagiert mit den Zöllen auf unfaire Wettbewerbsvorteile durch hohe staatliche Subventionen für E-Autos aus China. Das gefährde die europäischen Autobauer und ihre Umstellung auf Elektromobilität, so die Begründung. (APA, Reuters, 5.7.2024)