Selten hat man in Österreich – quer durch alle Altersklassen – so viele Menschen auf dem Fahrrad gesehen wie momentan. Noch seltener haben so viele die Berge mit dem Rad erklommen. Das liegt aber nicht daran, dass eine überdurchschnittliche Sportlichkeit im Land ausgebrochen ist, sondern daran, dass der E-Bike-Boom ungebrochen anhält.

"Mittlerweile sind 80 Prozent der Fahrräder, die wir verkaufen, E-Bikes", sagt Christoph Bründl, Chef von Bründl Sports, zum STANDARD. "Der Trend wird dadurch verstärkt, dass auch immer mehr Gravelbikes einen Motor bekommen." Diese Entwicklung bestätigt auch Michael Nendwich, Sprecher des Sportartikelhandels in der Wirtschaftskammer. Er geht davon aus, dass in naher Zukunft bis zu 70 Prozent der verkauften Räder E-Bikes sein werden. Im Vorjahr "kippte" der Markt erstmals zugunsten von E-Bikes – 421.000 Räder wurden abgesetzt, 52 Prozent liefen mit Strom. "Im ersten Halbjahr hielt der Trend an", sagt Nendwich.

Volle Lager

Sieht man die heimische Branche als Reifen, rennt sie nicht völlig rund, hat einen Achter, wenn man so will. Denn die Lagerbestände sind hoch. "Die vollen Lager drücken auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Liquidität der Unternehmen. Manche Innovationen werden noch zurückgehalten beziehungsweise können deswegen noch nicht auf den Markt", erklärt Nendwich.

Fahrrad
80 Prozent E-Bikes – und immer mehr steuerbegünstigte Firmenräder: Es tut sich einiges auf dem krisengeschüttelten Fahrradmarkt.
AFP/THOMAS KIENZLE

Die Vergleichsplattform Geizhals.at hat für den STANDARD das erste Halbjahr ausgewertet und erkennt einen deutlichen Einbruch bei der Nachfrage. Laut der Erhebung ging sie verglichen zum ersten Halbjahr 2023 um mehr als 27 Prozent zurück. Sowohl E-Bikes (minus 26,9 Prozent) als auch herkömmliche Räder (minus 30 Prozent) hatten ein ordentliches Minus zu Buche stehen. Einzig Kinderfahrräder blieben halbwegs stabil.

Höherer Verkaufsdruck

Volle Lager erhöhen klarerweise den Verkaufsdruck der Firmen. Das heißt, wer nicht das allerneueste Modell in der jüngsten Farbe und mit den modernsten technischen Features will, kann mit niedrigeren Preisen als üblich rechnen und ein Schnäppchen ergattern. Das ist nicht neu, hohe Lagerbestände führten für viele Kundinnen und Kunden bereits nach der Pandemie zu satten Rabatten. Hört man sich bei heimischen Sporthändlern um, ist von einem Einbruch allerdings nichts zu hören. Thorsten Schmitz, Geschäftsführer von Intersport Österreich, sagt, dass die Verkaufszahlen stabil auf dem Vorjahresniveau liegen. Der Handel profitiere zudem, weil Radfahren in Österreich immer mehr zum Ganzjahresport werde. Auch Sport-2000-Chef Holger Schwarting gibt sich optimistisch: "Das wechselhafte Wetter zu Sommerbeginn dämpfte vorübergehend etwas das Interesse an Fahrrädern. Die Nachfrage nach Bikes ist in Österreich aber nach wie vor hoch."

DER STANDARD

Der Salzburger Sporthändler Christoph Bründl kennt das Problem hoher Lagerbestände zumindest bei den ganz hochwertigen Rädern nicht. "Bei Rennrädern und Gravelbikes haben wir Wartezeiten zwischen sechs und neun Monaten", sagt er. Die Topmarken hätten allerdings die Produktion gedrosselt, um die Lage am Markt wieder in den Griff zu bekommen.

Heilsbringer Firmenrad

Ein weiterer Faktor beeinflusst das Branchengeschehen ganz erheblich: Firmenleasing von Fahrrädern – ein Modell, das es in Österreich seit zwei Jahren gibt. Das Konzept funktioniert so: Der Arbeitgeber schließt einen Vertrag mit einem Leasinganbieter ab. Da gibt es unterschiedliche Unternehmen, etwa Jobrad oder Firmenradl. Danach können sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Händler ein Fahrrad aussuchen. Dieses wird über den Leasinganbieter vom Arbeitgeber geleast, dem Mitarbeiter mittels Nutzungsvereinbarung überlassen und kann dann beruflich wie privat genutzt werden. Die Leasingrate wird direkt vom Bruttogehalt abgezogen. Die Laufzeit beträgt in der Regel vier Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit kann der Mitarbeiter das Fahrrad entweder zurückgeben oder es zum Restwert erwerben.

40 Prozent günstiger

Das Firmenradmodell ist Teil der Klimaaktiv-Programme des Klimaministeriums, somit gibt es eine finanzielle Förderung und steuerliche Vorteile (Vorsteuerabzug, Sachbezugsbefreiung). Räder, die sich viele sonst schlichtweg nicht leisten können, werden dadurch um bis zu 40 Prozent günstiger. Bründl rechnet vor: "Für ein grundsätzlich 3500 Euro teures Bike fällt eine monatliche Rate von 61 Euro an, und es ist noch dazu versichert."

In der Branche jubelt man. Unisono bestätigen alle vom STANDARD befragten Händler, dass das Firmenradleasing zu einem der wichtigsten Umsatzbringer geworden ist.

AK sieht einen Haken

Einen Haken hat die Sache der Arbeiterkammer (AK) zufolge aber doch. Diese monatliche Ratenzahlung, die vom Bruttolohn abgezogen wird, sei nur für jene Arbeitnehmer möglich, die über Kollektivvertrag verdienen würden. Weniger gut bezahlte Menschen hätten dadurch einen Nachteil, und es würden zwei Gruppen geschaffen. Zudem würden die vom Lohn abgezogenen Leasingraten die einbezahlten Sozialversicherungsbeiträge reduzieren. Das könnte zu einer geringeren Pension oder weniger Krankengeld führen.

Dennoch sind sich durch die Bank alle einig: Es ist erfreulich, wenn die Österreicherinnen und Österreicher mehr mit dem Rad fahren. (Andreas Danzer, 6.7.2024)