Blick über Fernsehkameras und Mikrofone auf Peter Pilz vor dem Verhandlungssaal.
Es ist nicht der erste Auftritt des Ex-Politikers Peter Pilz, doch dem Medieninteresse tut das keinen Abbruch.
APA / EVA MANHART

Wien – Peter Pilz, Landtags-, Nationalratsabgeordneter und Parteichef a. D., war bereits während seiner aktiven politischen Laufbahn ein Freund der klaren Worte, wenn er seine persönlichen Ansichten öffentlich kundgetan hat. Auch jetzt, mit 70 Jahren, ist er kein Duckmäuserich, was ihm den Unmut der Staatsanwältin einbringt, wie sich in der Verhandlung gegen den Ex-Politiker wegen verbotener Veröffentlichung und übler Nachrede gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zeigt. Das Ungewöhnliche an dem Prozess ist, dass sich ein Teil von dem, was ihm vorgeworfen wird, bereits vor 24 Jahren abgespielt hat.

Es ist der souveränen Prozessführung von Richter Gerald Wagner zu verdanken, dass die Reibereien zwischen Pilz und der Anklägerin nicht eskalieren. Der Angeklagte wirft der Staatsanwaltschaft einen "haarsträubenden Rechtsirrtum" vor, da die eine Bestimmung aus dem Beamtendienstrecht in die Anklageschrift aufgenommen hat. Dabei sei er, wie Pilz dem Richter erklärt, nie Beamter gewesen und "zum Teil an der Gesetzgebung zu den Bestimmungen beteiligt" gewesen, damals hätten sich die Nationalratsabgeordneten "selbst das Recht gegeben, aus Behördenunterlagen zu berichten", referiert Pilz. "Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie anderer Rechtsansicht sind, kommen wir jetzt zu den Anklagepunkten", unterbricht der Richter den Redefluss des Angeklagten.

Ekis-Abfragen und Causa Kampusch

Bei den "verbotenen Veröffentlichungen" geht es um Presseaussendungen beziehungsweise eine Pressekonferenz von Pilz zu den Causen Ekis (illegale Abfragen im Polizeisystem) im Jahr 2000 und Ermittlungsfehler im Fall Kampusch 2008. Das Problem: Der Politiker zitierte dabei aus Protokollen von Disziplinarkommissionen im Innenministerium, die nicht öffentlich sind, was grundsätzlich verboten ist. Pilz argumentiert, er habe das nicht gewusst und sei davon ausgegangen, dass sein Vorgehen in Ordnung gewesen sei, da er ja seine politische Kontrollfunktion ausgeübt habe.

Dass ein Vorfall erst 20 Jahre später angeklagt wird, ist im Gerichtsalltag gar nicht so ungewöhnlich: Erst im heurigen April wurde ein Mann wegen eines Suchtmitteldeals im Jahr 1988, also vor 36 Jahren, verurteilt, da er dazwischen im Ausland gelebt hat. Pilz schützte seine politische Immunität als Abgeordneter, da der Nationalrat seine Auslieferung auf Antrag der Staatsanwaltschaft verweigerte. Warum es allerdings von Oktober 2019, als Pilz aus dem Nationalrat ausschied, bis jetzt zum Prozess dauerte, bleibt offen.

"Henker und Steiniger"

Der zweite angeklagte Komplex spielte sich im Jahr 2018 ab. Damals hatte Pilz öffentlich dem BFA vorgeworfen, im Falle negativer Entscheidungen für einen afghanischen Asylwerber einen "amtlichen Mordversuch" durch dessen Abschiebung zu begehen und den Afghanen durch "vorsätzliche Lügen dem sicheren Tod" durch "Henker und Steiniger" ausgeliefert zu haben. "Ja, die Kritik war hart", gibt Verteidiger Johannes Zink zu, da aber durch die Meinungsfreiheit gedeckt, wird auch hier ein Freispruch gefordert.

Dieser Punkt führt zu den Animositäten zwischen Pilz und der Staatsanwältin: Pilz argumentiert, diese Äußerungen hätten sich nicht auf den ursprünglichen Asylantrag des jungen Afghanen bezogen, sondern auf seinen Antrag auf humanitäres Bleiberecht. Denn der Bruder des jungen Mannes sei zum Christentum konvertiert. Die Gefahr habe weniger durch den Staat Afghanistan gedroht, sondern durch die "radikalislamische tadschikische Familie" des Bruderpaares, zeigt Pilz sich überzeugt.

"Ich ging immer davon aus, dass Sie die notwendigen Unterlagen und Akten besorgen!", wirft der Angeklagte der Staatsanwältin schlampige Ermittlungen vor, die wiederum kontert, dass Pilz sich vier Jahre lang anders verteidigt und diese Version erst vor zwei Tagen erstmals ins Spiel gebracht habe. Worauf Pilz wieder zürnt, dass schon aus dem Inhalt der angeklagten Aussendungen und Videos hervorginge, was er gemeint habe.

Um alle möglicherweise relevanten Akten anzufordern und den mittlerweile in Deutschland lebenden Afghanen als Zeugen laden zu können, vertagt Richter Wagner auf unbestimmte Zeit. (Michael Möseneder, 5.7.2024)